Die Sache mit der Kommunalen Wohnbaugesellschaft in Mörfelden-Walldorf

Eiertänze um den heißen Brei

„blickpunkt“, Zeitung der DKP Mörfelden-Walldorf

Am 22. Februar 2022 stellte die Fraktion der DKP/Linke Liste im Rahmen der Haushaltsdebatte den Antrag, eine Kommunale Wohnungsbau- und Liegenschaftsverwaltungsgesellschaft zu gründen. Sinn und Zweck: Mehr für bezahlbaren Wohnraum in städtischem Eigentum zu tun und möglichst das „Viernheimer Modell“ einzuführen. Der Schicksalsweg des Antrages war sehr kurz: Die Stadtverordnetenversammlung lehnte ihn mit 14 Ja-Stimmen bei 31 Nein-Stimmen ab.

Am 13. Dezember 2022 wurde der Antrag der DKP/LL erneut gestellt. Das Spiel wiederholte sich, jedoch mit einem Unterschied: Die grün-schwarze Koalition stellte einen „konkurrierenden Hauptantrag“, mit dem Tenor, man möge sich auf einer nichtöffentlichen Sondersitzung des Bauausschusses über das Thema beraten. Hinzugezogen werden solle jedoch das Beratungsunternehmen Schüllermann und Partner AG.

Warum? „Die Gründung einer nicht-gewinnorientierten Wohnungsbaugesellschaft ist an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. Um eine schwarze Null schreiben zu können, muss die Gesellschaft über eigene Grundstücke verfügen, auf ausreichend Eigenkapital zurückgreifen und das nötige Personal beschäftigen. Die Stadtverwaltung hat diese Punkte in der Vergangenheit mehrfach untersuchen lassen.“ Gut – das weiß zwar jeder BWL-Student im ersten Semester, aber wenn‘s der Wahrheitsfindung dient, kann man das Honorar gerne ausgeben – wir haben‘s ja …

Die SPD hatte außerhalb der Haushaltsdebatte einen eigenen Antrag „Liegenschaftsverwaltung – Wohnungsbaugesellschaft“ gestellt (der dem Antrag der DKP/LL inhaltlich ähnelte, aber in eine andere Richtung wies). Solange sie im Rathaus die Mehrheit hatte und den Bürgermeister stellte, war der SPD noch nie in den Sinn gekommen, dergleichen zu beantragen. Und das, obwohl Bürgermeister Heinz-Peter Becker im „Freitagsanzeiger“ vom 8. März 2019 bekanntgegeben hatte: „Die Stadt soll möglichst viele der Sozialbauten übernehmen, um sie dauerhaft als Sozialwohnungen erhalten zu können. Dafür soll eine Wohnungsbaugesellschaft gegründet werden.“ Aber jetzt, in der Opposition, kann man ja mal „auf den Putz hauen“. Sie beantragte nun, „dass der Haushaltsantrag E2023-009.1 in der laut Synopse geänderten Fassung zur Drucksache 17/0334.1 erklärt wird und im Zusammenhang mit Top 29 (dem SPD- Antrag) beraten wird“. Dem wurde zugestimmt.

In der Stadtverordnetenversammlung vom 14. Februar 2023 wurde dieser Antrag zunächst mal auf den 28. März 2023 vertagt.

Zwischenzeitlich hatte am 1. Februar 2023 die von der Rathauskoalition beantragte Sondersitzung des Bauausschusses stattgefunden, in der ein Herr Preuß von Schüllermann und Partner einen nicht-öffentlichen Vortrag hielt. Das Ergebnis wurde im öffentlichen Protokoll festgehalten und entsprach vollauf den Erwartungen der grün-schwarzen Rathauskoalition: Eine Kommunale Wohnungsbaugesellschaft lohne sich nicht, „da zur Deckung negativer Finanzmittelbestände in den Bauprojekten eine deutliche Zuführung von Finanzmitteln aus dem Kernhaushalt erforderlich wäre und es damit keine faktische oder steuerliche Entlastung des Haushalts der Stadt Mörfelden-Walldorf geben würde“. Aber das war doch gar nicht „Sinn der Übung!“

Gerd Schulmeyer, Fraktionsvorsitzender der DKP/LL, stellte richtig: „dass hier wohl das von der Koalition gewünschte Ergebnis herausgekommen ist. Aus Sicht der DKP/LL müsste der Schwerpunkt auf einer Liegenschaftsverwaltung liegen mit den Fragen: Was hat die Stadt für Grundbesitz, wie viele Ämter beschäftigen sich mit den Liegenschaften und ist die Abwicklung über verschiedene Ämter wirtschaftlich?“

Es wurde also fast ein Jahr damit vertan, die Undurchführbarkeit von etwas zu beweisen, was die DKP/LL nie beantragt hatte, und für diese „Widerlegung“ noch teuer Geld an ein Beratungsunternehmen zu zahlen. Es fiel so gut wie kein Wort zu dem eigentlichen Antrag der DKP/LL.

In der für den 28. März 2023 anberaumten Stadtverordnetenversammlung steht der nunmehr unter der Flagge der SPD segelnde Antrag abermals zur Debatte, mit der von Schüllermann und Partner ausgesprochenen und von der Rathauskoalition übernommenen Ablehnungsempfehlung.

Das Datum der Sitzung liegt zwar nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe des „blickpunkt“, aber wir wagen die Voraussage, dass es kaum zur Gründung einer Kommunalen Wohnungsbau- und Liegenschaftsverwaltungsgesellschaft kommen wird.

Die von uns geforderte Politik, „die Entwicklung der Stadt und des Wohnungsangebots nicht ‚dem Markt‘ zu überlassen und mehr für bezahlbaren Wohnraum in städtischem Eigentum zu tun“, wird nicht beschlossen werden. Warum? Weil man es einfach nicht will. Aber: Wir bleiben dran.

Aus „blickpunkt“, Zeitung der DKP Mörfelden-Walldorf, April 2023

Was ist das Viernheimer Modell?
Die Stadt mietet Wohnungen an und vergibt sie an Untermieter, die auf dem „freien Markt“ chancenlos sind. Das Konzept bringt auch den Vermietern einige Vorteile. Sie können sich auf die Mietzahlung verlassen, da der „Papierkram“ von der Stadt erledigt wird. Muss nach dem Auszug der Untermieter renoviert werden, ist die Stadt Ansprechpartner. Die Verwaltung wird auch aktiv, wenn es Probleme mit den Untermietern gibt, zum Beispiel wenn ein Untermieter sich weigert, auszuziehen. Es kämen viele Vermietungs-Angebote aus der Bevölkerung – von der Einliegerwohnung bis zum Mehrfamilienhaus, so der Bauamtsleiter der Stadt Viernheim nach nur einem Jahr Laufzeit des Modells.

Der Antrag der DKP/LL
„Der Magistrat wird beauftragt, im Haushaltsjahr 2023 die Gründung einer Kommunalen Wohnungsbau- und Liegenschaftsverwaltungsgesellschaft vorzubereiten und der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen.Im Haushalt 2023 werden dafür 50.000 Euro eingestellt. Die Bereitstellung ggf. dazu notwendiger weiterer finanzieller Mittel erfolgt durch Umschichtung von Mitteln der vier beteiligten Ämter.“
Begründung:
Zurzeit befassen sich mit dem Thema Wohnen, Wohnungsbau und Liegenschaftsverwaltung wenigstens vier Ämter in der Stadtverwaltung. Durch Bündelung der Aufgaben, der finanziellen Mittel und der Personalausstattung ergeben sich für die Stadt bessere Möglichkeiten, die Entwicklung der Stadt und des Wohnungsangebots nicht „dem Markt“ zu überlassen und mehr für bezahlbaren Wohnraum in städtischem Eigentum zu tun. Dazu gehören auch neue Überlegungen zur Bodenbevorratung und Wahrnehmung von Vorkaufsrechten.

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"Eiertänze um den heißen Brei", UZ vom 14. April 2023



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