Trotz staatlicher Repression und Medienhetze fand kurdischer Kongress in Bergisch Gladbach statt • Anti-Repressions-Kolumne von Henning von Stoltzenberg

Edi bese – Es reicht!

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Henning von Stoltzenberg

Es ist ja nicht so, als wären die Strukturen der kurdischen Befreiungsbewegung keinen Kummer mit den deutschen Behörden gewöhnt. Was sich aber am 11. Juli zugetragen hat, war ohne Übertreibung nochmal eine ganze Schippe obendrauf.

Der Kongress der Kurdischen Demokratischen Gesellschaft in Europa (KCDK-E), mit Sitz in Belgien, der 26 Verbände mit 403 angeschlossenen Vereinen vertritt, wollte sich in Bergisch Gladbach treffen. Beim geplanten Kongress sollten politische Themen rund um den Nahen Osten und die kurdische Frage diskutiert werden. Wie bei jedem Jahreskongress ging es auch um eine Vorstandswahl. Doch es kam erst mal anders.

Noch bevor sich die deutschen Repressionsbehörden bequemten, das Verbot telefonisch mitzuteilen, wurden auf deutschsprachigen Nachrichtenportalen wie „Focus online“, „Kölner Stadtanzeiger“ und der „Deutschen Presseagentur“ (dpa) diffamierende Berichte über die kurdische Selbstorganisierung und die Aktivitäten des Dachverbands veröffentlicht. Eine schriftliche Begründung für das Verbot fehlte auch Tage danach. In den Artikeln heißt es unter anderem, dass „200 hochrangige PKK-Funktionäre“ bei dem Kongress zusammenkommen wollten. Es ging dabei nicht nur um Kurden, sondern natürlich um „Linksextreme“. Da ist natürlich Vorsicht angebracht und die angekarrten Hundertschaften sind völlig gerechtfertigt. Kein Wort von den beinahe täglichen Massenverhaftungen linker Oppositioneller in der Türkei ging der herrschenden Politik über die Lippen.

Repressionen seitens deutscher Behörden gegen die kurdische Selbstorganisierung gibt es leider seit mehreren Jahrzehnten. Immer wieder werden Demonstrationen, Kundgebungen und andere Aktivitäten, die sich im Rahmen der Versammlungs-, Organisations- und Meinungsfreiheit bewegen, unter fadenscheinigen Begründungen verboten. Doch genau weil das so ist, hat die Bewegung schon vor langer Zeit die Angst vor diesen Behörden verloren. Trotz der willkürlichen und rechtswidrigen Repression wurde nicht nachgegeben, sondern der Kongress als öffentliche Freiluftveranstaltung in Form einer Kundgebung durchgeführt. Viele der Delegierten und Freunde der kurdischen Freiheitsbewegung von Skandinavien bis Italien waren anwesend, über 50 Organisationen und 20 Institutionen waren am Ende trotzdem präsent.

Es ist den Anwesenden gelungen, unter massiver Polizeipräsenz unter freiem Himmel reguläre Wahlen abzuhalten und einen Vorstand sowie einen Disziplinar- und Aufsichtsrat für die neue Amtszeit zu wählen. Daneben wurde getanzt und gelacht und wurden die Repression sowie die diffamierenden Berichte der bürgerlichen Presse ad absurdum geführt. Aber auch rechtliche Schritte gegen die Willkür und das rechtswidrige Vorgehen der deutschen Polizei wurden eingeleitet. Gleiches gilt für genannte Medien, die versucht haben, den KCDK-E mit Lügen und Verleumdungen zu diffamieren und im Vorfeld zu kriminalisieren.

Wir können daraus lernen, wie es geht, den Spieß einfach umzudrehen. Denn durch das mutige Verhalten der kurdischen Bewegung und zahlreicher Unterstützer ist es gelungen, die offensichtliche Kumpanei der deutschen Bundesregierung mit dem Erdogan-Regime sichtbar zu machen. Nun wird es darauf ankommen, ob viele linke Kräfte auch im Nachhinein ihre Stimme erheben, damit sich ein solches Vorgehen nicht noch einmal wiederholen kann. Denn ein solches Prozedere der Klassenjustiz kann uns jederzeit alle treffen. Hier sind wir alle in der Pflicht, zu sagen: Edi bese – Es reicht!

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"Edi bese – Es reicht!", UZ vom 30. Juli 2021



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