Zur Moskauer Sicherheitskonferenz

Dynamik des Wandels

Schon das Forum der Veranstaltung selbst war ein politisches Statement ersten Ranges. In früheren Zeiten trafen sich bei der „Moscow Conference on International Security“ (MCIS) 200 bis 500 Delegierte. 2022, bei der 10. MCIS-Veranstaltung, waren es über 700 Delegierte von mehr als 70 Staaten.

Das kann angesichts des Sanktions-Blitzkriegs durchaus als Erfolg gelten. Russland sollte isoliert und ruiniert werden. Das Gegenteil ist der Fall. Der Rubel liegt mehr als 20 Prozent über dem Vorsanktionsniveau, die Staatseinnahmen sprudeln dank der gestiegenen Exporteinnahmen, die Versorgung mit bezahlbaren Lebensmitteln und Energie ist weitgehend gesichert.

Nicht nur, dass der Globale Süden am Kauf von russischer Energie, von Landwirtschafts- und Industrieprodukten interessiert ist, auch die russische Einschätzung der globalen Situation, der Austausch mit zahlreichen hochrangigen Vertretern aus zahlreichen Staaten rund um den Globus macht die MCIS selbst in absoluten Krisenzeiten zu einem unverzichtbaren Datum. Die Welt steht an einem Wendepunkt. Die unipolare Herrschaft des US-Imperiums, im Kern des anglo-amerikanischen Finanzkapitals, geht mit seiner absehbaren Niederlage in der Ukraine zu Ende. Es ist die Zeit der Neuorientierung. Die Militär- und Ressourcengroßmacht Russland ist ebenso gefragt wie das industrielle Powerhouse China.

Russland Präsident Wladimir Putin und sein Oberster Militär, Armeegeneral Sergei Shoigu, referierten denn auch die russische Sicht auf die neue Weltlage in bemerkenswerter Klarheit.

Die Situation in der Welt ändere sich dynamisch. Die „Umrisse einer neuen multipolaren Welt“ würden sichtbar, so der russische Präsident. Eine zunehmende Zahl von Ländern und Menschen wählten den Weg hin zu einer „freien und souveränen Entwicklung, basierend auf ihrer eigenen Identität, ihren Traditionen und Werten“.

Dem stellten sich „westliche Globalisierungs-Eliten“ entgegen, so Putin weiter, welche eine „sogenannte Containmentpolitik“ verfolgten, die in Wirklichkeit die „Zersetzung jeder Alternative, jeder souveränen Entwicklungsmöglichkeit“ bedeute. Sie täten alles, was sie könnten, um die Macht und die Hegemonie, die ihnen aus den Händen gleite, zu erhalten. Sie versuchten die Menschen und Länder in ihrem Griff zu behalten, was im Prinzip die Sicherung einer „neokolonialen Ordnung“ sei. Die Hegemonie des Westens bedeute „Stagnation für den Rest der Welt und die gesamte Zivilisation“. Es bedeute „Obskurantismus, die Absage an die Kultur und neoliberalen Totalitarismus“.

Die NATO brauche Konflikte, um ihre Hegemonie zu erhalten. Für diesen Zweck habe sie „die ukrainischen Menschen zu Kanonenfutter“ bestimmt. Die USA agierten in der übrigen Welt in der gleichen Weise. Sie förderten Konflikte in Asien, Afrika und Lateinamerika und versuchten, Ärger im asiatisch-pazifischen Raum zu entfachen.

Um diese Welt des Krieges und des „neoliberalen Totalitarismus“ zu überwinden, eine multipolare Welt, basierend auf internationalem Recht zu errichten, brauche es „die vereinigte Anstrengung und das Potential aller Staaten“.

Wladimir Putin hat Begriffe und Formulierungen der antikolonialen und marxistischen Bewegungen verwendet, verwenden müssen, um die gegenwärtige Umbruchsphase angemessen zu charakterisieren. Der immer aggressivere Kriegskurs des US/EU/NATO-Imperiums einerseits und der wachsende Widerstand in den Ländern des Globalen Südens andererseits lassen für schwammige Mehrdeutigkeiten keinen Raum. Auch darin unterschied sich die Moskauer Konferenz deutlich von ihrem Münchener Pendant.

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"Dynamik des Wandels", UZ vom 26. August 2022



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