In der Hauptstadt der DDR begann 1976 die Debatte, ein neues Wohngebiet auf einer 16 Hektar großen Parkanlage zu errichten. Die Abrissarbeiten der Fabrikgebäude dauerten, bis dann 1983 mit der Realisierung des Konzeptes begonnen werden konnte. Die städtebauliche Gliederung sah vor, die Parkanlage entlang der Greifswalder Straße mit dem gestalterischen Mittelpunkt eines Thälmann-Denkmals anzulegen. Achtgeschossige Wohnbauten werden flankiert von vier 12-, 15- und 18-geschossigen Wohnhochhäusern, die eigens für den Komplex entwickelt wurden. Der sowjetische Bildhauer Lew Kerbel wurde damit beauftragt, eine große Skulptur mit Ernst Thälmann zu produzieren, er schuf eine Monumentalplastik, die den Mittelpunkt der gesamten Wohn- und Parkanlage darstellt. Das Ernst-Thälmann-Denkmal ist eine der großen und wichtigen Denkmalsetzungen des DDR-Staates in seiner Hauptstadt. Es war Teil der Identität der Hauptstadt des sozialistischen Staates. Als solches besitzt es schon Denkmalwert.
Das Bezirksamt Pankow der Stadtverwaltung von Berlin schrieb Ende Juni 2019 einen öffentlichen Kunstwettbewerb aus, die sich mit dem Wohngebiet rund um den Thälmann-Park beschäftigen soll. Zur Begründung hieß es, die sich in den letzten Jahren abzeichnenden Veränderungen in der städtischen Baupolitik wie auch die Projekte privater Investoren hätten zu einer erneuten öffentlichen Diskussion über die Zukunft des Areals und seiner Umgebung sowie über dessen perspektivische Nutzung geführt, die bis heute andauert. Eine umfangreiche Ausschreibung mit all den Bedingungen für interessierte Künstlerinnen und Künstler liegt vor, erstes Kopfschütteln verursacht der Abgabetermin, für die erste Einreichung der Vorstellungen ist bereits der 26. September 2019 vorgesehen.
Die Vorstellungen der Stadtverwaltung gehen davon aus, dass der Zeitpunkt gekommen sei, dass die Großskulptur interpretiert, kommentiert und erklärt werden müsse, um zu einem vielleicht neuen, wegweisenden „Gesamtkunstwerk“ zu werden. Deshalb der Kunstwettbewerb, der zwischen den beiden Phasen des Wettbewerbs Zeit für Diskussionen mit den Bewohnern der Wohnanlage und der Öffentlichkeit zulässt. Diese „künstlerische Kommentierung“, die in die ideologische Formierung der Einordnung von DDR-Kunst und der Kunst im öffentlichen Raum passt, will aber desavouieren. Die politisch Verantwortlichen schreiben sich zwar die „Bürgerbeteiligung“ in die Papiere, wollen dies ernsthaft aber nicht.
Abgesehen von der historisch-politischen Deutung der Person Ernst Thälmann steht die riesige Bronzeskulptur in einem deutlichen Zusammenhang zum Ort, einem klassischen Arbeiterviertel Berlins, zur großen Parklandschaft, zur Wohnarchitektur der Anlage.
Interessierte Künstlerinnen und Künstler müssten ausreichend Zeit finden, um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, schnelle Lösungen können bei der gestellten Aufgabe nicht gesucht und gefunden werden. Wichtig wäre zu definieren, was eine solche Gesamtanlage nicht nur hier und jetzt bedeutet, sondern welche Vorstellungen der damaligen Planung und Realisierung weiterhin tragfähig sind und wie in den künftigen „Visionen“ einer lebenswürdigen Stadtlandschaft eine solche Anlage Bestand haben soll oder sogar muss.
Sehr großes Interesse an der zukünftigen Gestaltung nicht nur des Denkmals zeigen die Bewohner des Wohngebiets. Sie engagieren sich in einer „Anwohner-Initiative Ernst-Thälmann-Park“, ein Vertreter erinnert rückblickend daran, dass im Februar 2014 das städtebauliche Ensemble des Ernst-Thälmann-Parks in die Denkmal-Liste des Berliner Landesamtes für Denkmalschutz aufgenommen wurde, um das Areal vor der Gefahr der Vermarktung und Bebauung mit Investorenarchitektur zu schützen. Mit ihrer Kampagne „teddyzweinull“ wollen sie Unterstützung für ihre Forderung erreichen, das Gebiet als lebendigen und lebenswerten Wohnort zu erhalten. Sie fühlen sich ihrem Wohngebiet mit seinem verschiedenen Elementen und der „Gemengelage“ verbunden, was durch zahlreiche Wortmeldungen, konstruktive Ideen und Impulse offensichtlich wurde.
Das wichtigste Wort in der Begründung des Bezirksamtes für den Wettbewerb ist das von den „Projekten privater Investoren“; schon vor geraumer Zeit gab es deutliche Forderungen von Immobilienfirmen, die gesamte Wohnanlage zu „sanieren“, dem heutigen Standard von – wie es schön heißt – hochwertigem Wohnen anzupassen. Der Park sollte deutlich verkleinert werden, das Thälmann-Denkmal einen neuen Platz am Rand der Anlage finden. Wenn nun die Stadtverwaltung einen Wettbewerb zeitlich so eng ausschreibt, dass wohl kaum ansprechende Entwürfe vorgelegt werden können, mag man einen längst in der Schublade liegenden Vorschlag von „interessierter Seite“ hervorziehen, der den Wünschen der Immobilienindustrie näher kommt.