Es war die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD, die bereits im Mai 2021 beschloss, dass in Vorständen börsennotierter Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau sitzen muss. Auf das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen von Frauen aus der Arbeiterklasse werde dieser „wegweisende Beschluss“ sicher keinen Einfluss haben, prognostizierte die UZ damals. Die aktuelle Ausgabe der gewerkschaftsnahen Publikation „Böckler Impuls“ hat diese Einschätzung bestätigt: „Bei der Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben gibt es zum Teil noch erhebliche Mängel, insbesondere, was die Arbeitszeit und das Einkommen betrifft“, lautet der Befund.
Die Auswertung der Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit durch „Böckler Impuls“ hat ergeben, dass Frauen weiterhin über alle Branchen hinweg deutlich schlechter bezahlt werden als Männer. Der sogenannte „Gender Pay Gap“ ist demnach mit 2 Prozent in der Wasserversorgung und Abfallentsorgung am niedrigsten und mit 30 Prozent in den Bereichen Kunst, Unterhaltung und Erholung am höchsten.
Die Gründe für die Verdienstunterschiede sind vielfältig und zum Teil strukturell bedingt – das stellte die Arbeitsmarktforschung bereits vor Jahren fest. Unterschiedliche Erwerbsbiografien, Berufswahl oder Arbeitsvolumen spielen hier eine Rolle. Außerdem unterbrechen Frauen häufiger und länger ihre Erwerbstätigkeit, sei es für die Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen. Doch selbst wenn man all diese Faktoren unberücksichtigt lässt, ergibt sich eine große Kluft bei der Entlohnung.
So ist zum Beispiel der Frauenanteil bei Minijobs seit ihrer Einführung extrem hoch. In 26 von 35 Branchen sind Frauen häufiger ausschließlich geringfügig beschäftigt als Männer. Nur in zwei Branchen ist es umgekehrt, in den übrigen Bereichen fällt die Differenz nicht ins Gewicht. Besonders groß ist sie im Bereich Bauinstallation und Ausbaugewerbe, wo 23 Prozent der Frauen und 7 Prozent der Männer betroffen sind, sowie in der Land- und Forstwirtschaft. Dort sind es 39 gegenüber 23 Prozent.
Was die Arbeitszeit betrifft, ergibt sich über alle Branchen hinweg ein identisches Muster. Männer arbeiten deutlich häufiger in Vollzeit. Ihr Anteil reicht von 53 Prozent in der Gastronomie bis zu 87 Prozent in der Energieversorgung und der Metallerzeugung. Der Anteil der Frauen, die in Vollzeit arbeiten, reicht von 21 Prozent in den Bereichen Gebäudebetreuung, Garten- und Landschaftsbau bis zu 67 Prozent in der Automobilindustrie.
Zwar ist die Frauen-Erwerbsquote in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. Viele Bereiche in der Wirtschaft sind aber nach wie vor Männerdomänen. Dies gilt vor allem in der Industrie. Dort beträgt der Frauenanteil in der Hälfte der für die Studie untersuchten Branchen weniger als 30 Prozent, diagnostiziert die „Böckler-Impuls“-Studie.
In den Dienstleistungen hingegen ist der Anteil der weiblichen Beschäftigten generell höher. Drei Branchen, die sich häufig durch prekäre und schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse auszeichnen, sind frauendominiert. Im Gesundheitswesen sind 80 Prozent der Beschäftigten weiblich, im Sozialwesen sind es 76 Prozent und im Erziehungsbereich 72 Prozent.
Die Zahlen belegen: Die Quotenregelung in börsennotierten Unternehmen mag für die Karriereplanung von Frauen aus der Oberschicht von Vorteil sein. Für die Kassiererin an der Supermarktkasse, die Pflegerin im Altenheim oder die Erzieherin in der Kita hat die Reform wenig bis nichts gebracht.