Im ersten Teil unserer Serie zur Vereinigung von KPD und SPD zur SED beschäftigte sich Anton Latzo mit den Anfängen der Aktionseinheitspolitik der Arbeiterparteien. Aus den Erfahrungen von Faschismus und Krieg hatten die Kommunisten und viele Sozialdemokraten gefolgert, dass sie Seite an Seite für eine demokratische Erneuerung in ganz Deutschland und eine einheitliche, friedliche Republik kämpfen mussten.
Aus dieser Zielsetzung ergab sich die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Politik, die auf das Zusammenwirken aller demokratischen Kräfte ausgerichtet war und im Kampf um die Aktionseinheit ihren konkreten Niederschlag fand. Sie zog die Lehren aus der Tatsache, dass in der Vergangenheit das „deutsche Volk zum Werkzeug Hitlers und seiner imperialistischen Auftraggeber“ geworden war, wie es im programmatischen Aufruf der KPD vom 11. Juni 1945 hieß.
Die schwierigen Bedingungen ergaben sich auch daraus, dass die Arbeiterbewegung von den Faschisten weitgehend zerschlagen worden war. Die negativen Folgen des Kampfes zwischen beiden Parteien waren sofort nach dem Krieg weder analysiert noch gar überwunden.
Die Politik der KPD führte dazu, dass die Partei nach wenigen Monaten in der Sowjetischen Besatzungszone mehr Mitglieder hatte als vor 1933 in ganz Deutschland. Sie war bestrebt, alle an einer demokratischen Wiedergeburt Deutschlands interessierten Schichten der Bevölkerung für ihr Programm zu gewinnen.
Dabei ließ sie keinen Zweifel daran, dass es sich nicht um eine sozialistische, sondern eine antifaschistisch-demokratische Zielsetzung handelte. Es war aber auch nicht an eine Wiederholung der formalen Demokratie von Weimar gedacht. Ihr sozialer und politischer Charakter wurde durch die unmittelbaren und dringlichsten Aufgaben klar umrissen. Diese reichten von der vollständigen Beseitigung der Überreste des faschistischen Regimes über den Kampf gegen Hunger, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit bis zur Herstellung demokratischer Rechte. Ein friedliches, gutnachbarliches Zusammenleben mit den anderen Völkern musste vorbereitet werden.
Zuerst und am erfolgreichsten wurde die Aktionseinheit in den Gewerkschaften in der sowjetischen Besatzungszone verwirklicht. Am 29. August 1945 fand in Halle eine Gewerkschaftskonferenz statt. Ihre Orientierung führte zur Überwindung der Zersplitterung und folgte dem Grundsatz „Ein Betrieb – eine Gewerkschaft“.
Ende 1945 hatten die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten in der Sowjetischen Besatzungszone sichtbare Erfolge erzielt. Sie hatten neue, demokratische Selbstverwaltungsorgane geschaffen, die demokratische Bodenreform erfolgreich gestaltet, die Betriebsleitungen weitgehend von Nazi- und Kriegsverbrechern gesäubert und das Mitbestimmungsrecht durchgesetzt. Die Betriebe waren aus ihren alten Konzernverbindungen herausgelöst und damit dem Zugriff der ehemaligen Herren entzogen. Schulen und Kulturstätten hatten wieder geöffnet. Die antifaschistisch-demokratische Umwälzung begann konkrete Gestalt anzunehmen. Die Politik der Aktionseinheit der Arbeiterklasse hatte sich bewährt.
Die Ergebnisse reichten vielerorts über die Vereinbarungen zwischen dem Zentralkomitee der KPD und dem Zentralausschuss der SPD hinaus. Aber die Schumacher-Gruppe in der SPD verfolgte weiter ihren Kurs der Ablehnung der Aktionseinheit der Arbeiterklasse und der Zusammenarbeit zwischen SPD und KPD. Das hatte nicht nur die Aufrechterhaltung der Spaltung der Arbeiterklasse zur Folge. Es begünstigte letztlich auch die Schaffung von Bedingungen, die zur Spaltung Deutschlands führten.
Zur gleichen Zeit, als in Ostdeutschland KPD und SPD gemeinsam antifaschistisch-demokratische Maßnahmen erkämpften, gaben die rechten Führer der SPD um Schumacher die Losung „Sozialismus als Tagesaufgabe“ heraus. Sie blieben nicht bei dieser allgemeinen Aussage, sondern konkretisierten das, indem sie auf einem Plakat 1946 formulierten, dass SPD die Abkürzung von „Sozialismus, Planwirtschaft, Demokratie“ bedeute. Diese bewusst irreführenden, die Mitglieder und die Massen täuschenden Aussagen sollten verschleiern, dass diese Gruppe eine Politik verfolgte, die von der SPD schon vor 1933 praktiziert wurde. Ihre Anstrengungen waren jetzt darauf ausgerichtet, die Aktionseinheit in allen Teilen des Landes zu verhindern. Sie wollten die SPD auch in Ostdeutschland auf eine Politik festlegen, die den Zielen der westlichen Besatzungsmächte entsprach und dem „Kalten Krieg“ entgegenkam.
Bereits am 9. Mai 1945 veröffentlichte Kurt Schumacher in Hannover einen ersten Aufruf mit der Überschrift „Für ein neues, besseres Deutschland“. Darin hieß es: „Die Sozialdemokratische Partei steht im Bewusstsein, die einzige Partei in Deutschland zu sein, deren Politik der Demokratie und des Friedens die Probe vor dem Richterstuhl der Geschichte bestanden hat …“ Die KPD wurde noch nicht direkt angegriffen, aber die Anspielungen waren deutlich.
Der Zentralausschuss der SPD und die KPD verfolgten trotzdem ihren Kurs auf die Herstellung der Aktionseinheit und organisierten zahlreiche Aktionen in ganz Deutschland. Das „Büro Schumacher“, das sich später Büro der Westzonen nannte, führte als Gegenmaßnahme Anfang Oktober 1945 in Wennigsen bei Hannover eine eigene Konferenz durch. Gustav Dahrendorf, Max Fechner und Otto Grotewohl waren zwar als Vertreter des Zentralausschusses eingeladen, durften ihr Programm aber lediglich in einer Zusammenkunft außerhalb der Konferenz darlegen und die Notwendigkeit der Einheit der Arbeiterklasse begründen. In dieser Atmosphäre wurde von Schumacher und seinen Anhängern die Rechtmäßigkeit des Zentralausschusses als Leitung der SPD für ganz Deutschland bestritten. So wurde Kurt Schumacher im Oktober 1945 als Beauftragter der SPD für die Westzonen benannt. Das bedeutete letztlich die Aufspaltung der SPD nach Besatzungszonen! Es war ein entscheidender Schritt gegen die Aktionseinheit der Arbeiterklasse und schuf günstige Bedingungen für die Politik der Restauration des Kapitalismus und der Spaltung der Nation.