Felicia Langer sprach am 8. Mai im Karlsruher verdi-Haus erstmals nach dem Tod ihres Mannes Mieciu († 27.3.2015) über Liebe, Solidarität und Menschlichkeit.
Für Felicia Langer war der Auftritt in Karlsruhe ein ganz besonderes Ereignis. In ihrer Stimme lag die ewige Liebe zu ihrem Mann, als sie zum ersten Mal nach dessen Tod öffentlich über ihre tiefe Dankbarkeit sprach. Siebenundsechzig Jahre waren sie ein Paar gewesen – ein Liebespaar, aber auch Gefährten im Kampf gegen Entrechtung und Unmenschlichkeit. Mieciu Langer war weit mehr als der „Kofferträger der Trägerin des alternativen Friedensnobelpreises“, wie er seine Rolle scherzhaft selbst zu beschreiben pflegte. Er war ein Vorbild für Menschlichkeit und Courage, der trotz aller Grausamkeiten, die er durchlitt, frei von Hass und Rachegefühlen war.
In einem jüdischen Internat für Waisen und Halbwaisen in Krakau lernten sich Felicia Weit und Mieciu Langer kennen. Sie war 17, er 20 Jahre alt. Überlebende des Holocaust. „Niemand wird dich so lieben wie er …“, sagte ihre Mutter damals. Und sie sollte Recht behalten.
1950 nach Israel ausgewandert, erlebte das junge Paar das Unrecht, das die Palästinenser erfuhren. Nach dem sogenannten 6-Tage-Krieg begann Felicia Langer als Rechtsanwältin Brücken zu schlagen für gerechten Frieden und gegen das Leid der Unterdrückten. Heute sagt sie: „Lieber Mieciu, du warst meine Stütze, meine Klagemauer.“ Ohne die Solidarität, das Vertrauen und die Liebe ihres Mannes, so Felicia Langer, hätte sie die Strapazen nicht ausgehalten. „Du warst mit mir solidarisch und hast mich verteidigt, gegen die Schikanen gegen mich, und mehr, auch gegen Morddrohungen. 23 Jahre hast du das ertragen müssen, bis ich aus Protest gegen das unmenschliche Rechtssystem der Besatzung mein Anwaltsbüro im Westen von Jerusalem geschlossen habe. Wir sind nach Deutschland, nach Tübingen ausgewandert. Ich habe weiter gekämpft, in Deutschland, für die entrechteten Palästinenser, für Frieden mit Gerechtigkeit, und du warst meine liebende Stütze.“
Ein bewegender Moment der Veranstaltung war das Abspielen von Tondokumenten, auf denen Mieciu Langer über seine Erfahrungen im Holocaust, aber auch über seine Liebe zu seiner „Kitka“ sprach. Emotional angespannt und mit zustimmendem Nicken hörte Felicia Langer den Bericht ihres verstorbenen Mannes: „Nach dem Krieg, nachdem ich befreit wurde, habe ich alles Mögliche gemacht, um meine Erlebnisse zu verdrängen. Ich wollte mich überhaupt damit nicht beschäftigen. Das war wahrscheinlich ein Instinkt, der mir meine Lebensqualität gerettet hat. Ich kenne Leute, die bis heute mit dieser Vergangenheit leben, die sind seelische und physische Krüppel.“ Erst 1992 konnte Felicia Langer ihren Mann von der Bedeutung der Zeitzeugenschaft überzeugen.
Befreit wurde Mieciu Langer durch die Rote Armee aus dem KZ Theresienstadt. Er berichtet: „Nach einigen Tagen haben wir bemerkt, dass wir keine Deutschen mehr sahen. Da sehen wir auf einmal durchs Fenster einen russischen Panzer. Ein russischer Offizier schiebt den tschechischen Polizisten beiseite und öffnet das Tor. Nach einigen Tagen haben viele sehr hohes Fieber bekommen. Ich habe mich wahrscheinlich dort im Gefängnis mit Typhus angesteckt. Ich kann mich nur erinnern wie durch Nebel, dass mich eine Krankenschwester auf Händen getragen hat, wie ein kleines Baby.“ Felicia sagt dazu: „Sie trug Mieciu wie eine gute Mutter zurück ins Leben. Ich werde ihr immer dankbar sein.“
Obgleich nicht Thema der Veranstaltung, ließ es sich Felicia Langer in ihrem Schlusswort nicht nehmen, sich zu ihrer „Lebensaufgabe“, dem „schrecklichen Leid der Palästinenser“, zu äußern. Sie betonte, dass ihr Mann immer stolz auf ihre politische Arbeit und ihren Kampf für Würde und Menschenrechte war und dass sie diesen Kampf ihr Leben lang fortführen wird: „Ich werde nie schweigen, wenn ich das Unrecht sehe!“