Aleppo: Syrische Armee in der Offensive

Dschihadisten verlieren Kontrolle

Von Manfred Ziegler

Als vor vier Jahren bewaffnete Dschihadisten Aleppo angriffen und das Weltkulturerbe der Stadt in Flammen aufging, konnte niemand ahnen, wie dieser Krieg weitergehen würde. Die Dschihadisten setzten sich im Ostteil der Stadt fest und vom Umland kamen weitere Angreifer, die versuchten, Aleppo von der Versorgung abzuschneiden. Nach langen Kämpfen gelang es der syrischen Armee, die Versorgung der Stadt zu sichern und die Dschihadisten im Osten von Aleppo von ihren Unterstützern im Umland abzuschneiden.

Mit erneuten Angriffen in der letzten Woche verstärkte die syrische Armee ihren militärischen Druck auf die Dschihadisten. Dabei erreichte sie überraschend schnelle Erfolge – ca. 40 Prozent des Gebiets, das zuvor besetzt war, sind mittlerweile unter Kontrolle der Armee und ihrer Verbündeten. Dazu gehört auch ein großes Wasserwerk, so dass die Wasserversorgung von Aleppo wiederhergestellt werden kann.

Mit den neuen militärischen Erfolge gelingt es Tausenden von Zivilisten, der Kontrolle der Dschihadisten zu entkommen und die Posten der syrischen Armee zu erreichen. Die USA und ihre Verbündeten im Krieg gegen Syrien versuchten auf verschiedenen Ebenen, die syrischen Erfolge zu begrenzen. Zu den politischen Aktivitäten gehörte eine Sitzung der UN zur humanitären Situation in Syrien. Erneut brachte die ständige Vertreterin der USA bei den UN, Samantha Power, ihre Klagen über Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gegen 13 hochrangige Vertreter der Regierung und des Militärs vor. Damit dürfte sie vor allen Dingen versuchen, die Politik des neu gewählten Präsidenten Trump gegenüber Syrien festzulegen – ganz im Sinne des US-Außenministers Kerry.

Trotz des Vorwurfs, Russland und Syrien würden sich mit ihren Angriffen auf Aleppo auf eine militärische Lösung des Konflikts festlegen, organisieren die UN – entgegen diverser Resolutionen – schon lange keine Gespräche mehr zwischen Regierung und Opposition. Russland und Syrien betonen, es sei entscheidend, den politischen Prozess wiederzubeleben. Deshalb gibt es mittlerweile Versuche, derartige Gespräche außerhalb der UN zu organisieren. Schon seit längerem ist eine Konferenz in Damaskus im Gespräch. Im Rahmen der Nationalen Versöhnung werden weiterhin lokale Konflikte in Waffenstillständen und Übereinkünften gelöst.

Die Türkei, USA und ihre Verbündeten belassen es nicht dabei, den politischen Prozess zu beeinflussen und zu verzögern. Zu neuen Brennpunkten werden die militärischen Entwicklungen um al-Raqqa und al-Bab. Zu der Offensive auf al-Raqqa – der Hauptstadt des IS in Syrien – erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums schon am 1. November unmissverständlich, es werde keinerlei Zusammenarbeit mit der syrischen Regierung im Kampf gegen IS geben, gleichgültig in welcher Form. Zugleich verdeutlichen die Angriffe auf al-Raqqa und auf al-Bab im Norden von Aleppo die schwierigen Beziehungen zwischen den kurdischen Kämpfern der YPG und der syrischen Regierung. Beim Angriff auf al-Raqqa sind die kurdischen Kräfte die engsten Verbündeten der USA. In al-Bab hingegen arbeiten sie ebenso wie in Aleppo eng mit der syrischen Armee zusammen.

In al-Bab (auf Deutsch „Das Tor“) treffen die wichtigsten militärischen Kräfte, die unmittelbar in Syrien aktiv sind, aufeinander. Die Stadt selbst wird vom IS gehalten. Von Westen her greifen die überwiegend kurdischen Kräfte an (SDF), im Norden sind nicht nur Verbündete der türkischen Armee, sondern die türkische Armee selbst aktiv. Und vom Süden greift die syrische Armee an.

Die völkerrechtswidrigen türkischen Aktivitäten gelten nur vordergründig dem IS. Tatsächlich will die türkische Armee verhindern, dass sich die kurdischen Einflussgebiete im Nordosten und Nordwesen Syriens vereinen. Zugleich stellen die türkischen Aktionen eine unmittelbare Bedrohung der syrischen Armee in Aleppo dar. Die syrische Regierung verlangt einen sofortigen Abzug der türkischen Armee. Mittlerweile reiste eine türkische Delegation nach Teheran, um eine Lösung für die Situation um al-Bab zu finden.

Die Offensive der syrischen Armee im Süden von Aleppo geht weiter.

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"Dschihadisten verlieren Kontrolle", UZ vom 2. Dezember 2016



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