Als US-Präsident Trump vor einem Jahr das Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA) schredderte, drohte, den Iran auszulöschen und massive Sanktionen verhängte, stellte er die europäischen Unterzeichner des Abkommens vor die Wahl: Sie könnten sich an den US-Sanktionen beteiligen oder das Atomabkommen aufrechterhalten. Die Länder der EU entschlossen sich zum Abwarten. Den Beteuerungen, das Abkommen retten zu wollen, folgten bis heute kaum Taten. So gaben sie faktisch den Druck der USA einfach an den Iran weiter. Der Iran müsse einseitig seinen Teil des Abkommens erfüllen. Doch dazu hätte es keiner jahrelangen Verhandlungen bedurft.
Die Regierung des Iran erhöhte ihrerseits den Druck. Zunächst hat der Iran die nach dem Vertrag zulässige Grenze angereicherten Urans überschritten, seit Sonntag wird Uran auf mehr als die zulässigen 3,67 Prozent angereichert. Die Medien überschlagen sich in Vorwürfen. Doch der Iran erklärte, in Zukunft weiteren Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht länger nachkommen zu wollen. So lange, bis insbesondere die europäischen Staaten ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag nachkommen. Anders als Europa importiert China wenigstens noch eine kleine Menge Öl aus dem Iran – trotz der Sanktionen.
Stabilität – das ist das eigentliche Druckmittel des Iran. Und die gibt es nicht zum Nulltarif. Wenn die EU Stabilität in der Region will, muss sie mehr dafür tun, als folgenlose Bekenntnisse abzulegen. Die Drohung mit dem Verlust der Stabilität ist möglicherweise wirksam und doch befremdlich. Auch wenn die EU eine weitere Destabilisierung der Region fürchtet, sind es die Menschen im Iran und der Region, die sie erleben müssten.
Für die europäischen Staaten gilt das Beharren des Iran auf Gegenleistung als Erpressung, auf die der französische Präsident sogleich mit Drohungen antwortete. Dabei liegt die Lösung schon lange auf dem Tisch: Ein Vertrag, der dem Iran abgepresst wurde, den er umgesetzt hat und der immer noch auf die Gegenleistung der europäischen Vertragspartner wartet.
Die europäischen Unterzeichnerstaaten werden auf dem kommenden Treffen der Atomenergiebehörde IAEA und beim kommenden Ministertreffen Farbe bekennen müssen: Wollen sie ihren Verpflichtungen nachkommen, oder wollen sie sich den Sanktionen der USA anschließen – in Bündnistreue bis zum Regime-Change?