Mitte Januar urteilte das Berliner Verwaltungsgericht, dass die gängige Praxis des Quereinstiegs in den Lehrerberuf keine rechtliche Grundlage besitzt. Es sei illegal, an Schulen zu unterrichten, während man parallel dazu noch ein Fach nachstudieren müsse. Der Quereinstieg für Lehrkräfte wird unter anderem in Berlin praktiziert, um dem akuten Lehrermangel zu begegnen und perspektivisch die riesige Lücke zu schließen, die in den kommenden Jahren durch das Ausscheiden einer beträchtlichen Anzahl von Lehrkräften in den verdienten Ruhestand entstehen wird.
Quereinstieg bedeutet, dass auch Personen mit fachfremdem Universitätsabschluss in Teilzeit an Schulen unterrichten. Ein Quereinsteiger wird quasi ins kalte Wasser geworfen, arbeitet als Lehrer, studiert parallel dazu eventuell fehlende Unterrichtsfächer nach und absolviert, ebenso parallel, die nötige pädagogische und didaktische Ausbildung.
Die Attraktivität eines Quereinstiegs liegt für die Beschäftigten darin, dass dieser bereits anfangs relativ gut bezahlt wird. Bei erfolgreichem Abschluss winkt zudem eine ebenfalls relativ gut bezahlte Festanstellung. Dagegen spricht, dass jene nötigen Kenntnisse, die normalerweise in einem langjährigen Lehramtsstudium erlernt werden, in sehr kurzer Zeit erworben werden müssen. Das „Nachstudium“ etwa des Fachs Mathematik verlangt den Nachweis von Kenntnissen, die das Abiturniveau weit übersteigen, so dass es spezielle Nachhilfelehrer gibt, die allein davon leben können, Quereinsteiger für die Prüfungen fit zu machen. Hinzu kommen die seit Jahren steigenden Herausforderungen für Lehrkräfte im Arbeitsalltag. Dazu gehören die Größe der Klassen, der Personalmangel und die Forderung nach mehr individueller Betreuung in den Klassen. Für Quereinsteiger sind diese Aufgaben oftmals vollkommen neu und kaum zu bewältigen.
Die Mehrbelastungen verursachen hohe Krankenstände an den Berliner Schulen. Und sie sind der Grund, warum Ende 2022 über 3.500 Lehrkräfte, Schulpsychologen und Sozialpädagogen an zwei Warnstreiktagen auf die Straße gingen. Für den 7. und 8. Februar (nach Redaktionsschluss) rief die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin zu einem dritten Warnstreik für einen „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“ auf.
Da in Berlin schon seit Jahren viel zu wenig Lehrer regulär ausgebildet werden, machen Quereinsteiger bereits jetzt zirka die Hälfte aller neu eingestellten Lehrkräfte aus. Das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, ihre Qualifikation sei „illegal“, trägt zur Verunsicherung der ohnehin extrem geforderten Quereinsteiger bei. Sind beispielsweise die versprochenen regulären Vergütungen nach dem erfolgreich absolvierten Quereinstieg fraglich, wenn es dann plötzlich heißen sollte, es sei nur ein Abschluss zweiter Klasse? Droht möglicherweise eine weitere Spaltung der Belegschaft?
Verbeamtete, angestellte oder nur befristete Lehrkräfte arbeiten bereits jetzt zu sehr unterschiedlichen Konditionen. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hält die Ungleichbehandlung beim Schulpersonal jedenfalls für noch ausbaufähig. Gegen den Lehrkräftemangel schlägt sie allen Ernstes eine leistungsorientierte Bezahlung von Lehrkräften vor, wie unter anderem der „Deutschlandfunk“ am 1. Februar berichtete. Auch um solchen gefährlichen Unsinn aus der neoliberalen Mottenkiste abzuwehren, hilft den Berliner Lehrern nur der Arbeitskampf – ob Quereinsteiger oder nicht. Mit der an diesem Sonntag stattfindenden Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin wird sich nichts an der Misere ändern – auch deshalb, weil die kommunistische Kandidatur der Berliner DKP chancenlos sein dürfte.