Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat für diese Woche in Berlin zum Warnstreik aufgerufen. Es handelt sich um die vierzehnte Arbeitsniederlegung seit Juni 2021. Dieses Mal sollte der Streik es über drei Tage gehen (nach Redaktionsschluss): Für Dienstag waren dezentrale Streikversammlungen in den einzelnen Stadtbezirken geplant, für Mittwoch eine gemeinsame Demonstration und am Donnerstag soll eine zentrale Streikversammlung der GEW im Freiluft-Amphitheater im zentral gelegenen Mauerpark stattfinden. Verbeamtetes Personal darf sich an Streikaktionen nicht beteiligen – aufgerufen waren daher nur tariflich an Schulen Beschäftigte. Zu den Aktionen der letzten Monate kamen jeweils bis zu 4.000 Berliner Lehrer, Schulsozialpädagogen und -psychologen.
Hintergrund des Arbeitskampfs ist die Forderung der Lehrkräfte nach gesetzlich festgesetzten Maximalgrößen für die Schulklassen. Kleinere Klassen sollen helfen, die extremen Belastungen des schulischen Personals zu mindern und damit häufigen Erkrankungen wie Burnout vorzubeugen. „Die Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher und Sozialpädagoginnen und -pädagogen zahlen mit ihrer Gesundheit den Preis für die immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen“, sagte der GEW-Landesvorsitzende Erdmann. Zu große Schulklassen mit bis zu 30 Kindern sind hierfür ein wesentlicher Faktor. In Berlin gibt es seit Jahren viel zu wenig Lehrkräfte – besonders in ärmeren Stadtgebieten.
Dass der nunmehr 14. Arbeitskampf einen durchschlagenden Erfolg bringen wird, darf getrost bezweifelt werden. Auch die GEW erkennt, dass angesichts des krassen Lehrkräftemangels kleinere Klassen nicht mal eben so durchgesetzt werden können. Weniger Schüler in einer Klasse erfordern mehr Lehrpersonal – und an diesem mangelt es aufgrund jahrzehntelanger schulpolitischer Versäumnisse. Die Gewerkschaft sieht im „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“ vielmehr eine Grundbedingung dafür, dass mit der Behebung der Missstände überhaupt begonnen werden kann: „Mit einem Tarifvertrag hätten wir ein wirksames Instrument für eine nachhaltige Verbesserung der Personalsituation“, so der GEW-Landesvorsitzende.
Neu ist allerdings der Berliner Senat, der seit Ende April wieder einmal von CDU und SPD gestellt wird. Das Ressort Bildung, Jugend und Familie wird seitdem von Katharina Günther-Wünsch (CDU) geführt. Die ehemalige Lehrerin und Schuldirektorin hatte seit längerem für den 31. Mai ein „bildungspolitisches Kennenlerngespräch“ mit den Vorsitzenden der Gewerkschaft im Terminkalender stehen. Eine Pressemitteilung aus dem Hause Günther-Wünschs vom 26. Mai verriet, dass es nicht mehr nur ums Kennenlernen, sondern plötzlich auch darum gehen sollte, „Arbeitsbelastungen der Pädagoginnen und Pädagogen zu reduzieren und gleichzeitig bessere Lern- und Lehrbedingungen zu erzielen“. Und darum, wie der Streik „noch abgewandt oder zumindest verkürzt“ werden könne. Mit von der Partie war auch der neue Finanzsenator Stefan Evers, ebenfalls von der CDU. Vor den Wahlen, also als die „rot-rot-grüne“ Vorgängerregierung noch regierte, hatte sich die CDU dafür ausgesprochen, dass der Senat mit der GEW Gespräche über einen Tarifvertrag für kleinere Klassen führt.
Der „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ meldete am Abend des 31. Mai, dass Evers und Günther-Wünsch während des Gesprächs ausgeführt hätten, dass Entscheidungen in dieser Frage Sache der Tarifgemeinschaft der Länder seien – darin unterscheiden sie sich nicht von ihren Vorgängern. Gegen den Lehrermangel sei ohnehin nichts zu machen. Und vielleicht hat Evers außerdem beteuert, dass überhaupt kein Geld für die Forderungen der Berliner Lehrerinnen und Lehrer vorhanden ist. Der Arbeitskampf für den „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“ wird also fortgesetzt und ausgeweitet werden müssen.