In Frankfurt diskutierte die DKP Hessen über die Entwicklung der VR China

Drei Ergebnisse und viele offene Fragen

Bei der Diskussion um die Volksrepublik China und letztlich auch bei der Debatte um den Antrag des Parteivorstands an den 25. Parteitag geht es auch um grundsätzliche Fragen unserer Weltanschauung. Das könnte als ein Ergebnis der Diskussion in Frankfurt gelten. Einigkeit bestand bei allen Diskutierenden bei der Notwendigkeit des Kampfes gegen die antichinesische Mobilmachung, was ein zweites Ergebnis wäre.

Björn Blach erklärte in seiner Einleitung die Einschätzung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zur wichtigsten Frage. Handelt sie im Interesse der Werktätigen und damit des Aufbaus des Sozialismus? Ist sie die Verwirklichung der Macht der Arbeiterklasse? Der Kampf gegen die Korruption wird dabei als ein positives Indiz gesehen, ebenso wie der flächendeckende Aufbau von Parteizellen in den Betrieben, und auch das Gezeter in den deutschen Medien über diese Parteizellen könne einen Hinweis geben, dass hier etwas gegen die Wünsche des Kapitals geschehe. Blach betonte darüber hinaus die selbstkritische Haltung der KPCh, die die Probleme und Schwierigkeiten sähe und letztlich eine erfolgreiche Politik im Sinne des chinesischen Volkes mache.

Olaf Matthes hielt dem entgegen, dass der Klassenkampf in der Ideologie der KPCh keine Rolle mehr spiele, es gerade die Wirtschaftskader der KPCh waren, die von den Privatisierungen profitierten und die Unternehmen – jetzt als Kapitalisten – übernahmen. Eine offizielle chinesische Studie habe ergeben, dass je größer das Unternehmen ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Unternehmer Parteimitglied ist und dass in fast 70 Prozent der Privatunternehmen, in denen es eine Parteiorganisation gibt, der Inhaber des Unternehmens auch Sekretär des Parteikomitees ist. So verstanden wäre der Kampf gegen die Korruption eher eine Reaktion des Staates um die Wahrung des gleichen Rechts beim Kampf der verschiedenen Kapitale um Einfluss beziehungsweise die Austragung dieses Konkurrenzkampfes im Staat.

Auch hinsichtlich der Entwicklungsrichtung der chinesischen Gesellschaft vertraten die Referenten – und auch das Publikum – unterschiedliche Standpunkte. Auf der einen Seite wird dabei die Einführung von Marktelementen im Sozialismus als Notwendigkeit eingeschätzt, die sich bei allen bisherigen Sozialismusversuchen irgendwann durchgesetzt habe. Der Markt wird dabei als notwendig erachtet, um die Hauptaufgabe des Sozialismus, die Produktivkräfte zu entwickeln, zu erledigen. Die rasante ökonomische Entwicklung Chinas belege diesen Ansatz auf lange Sicht, auch wenn es dabei kurz- oder mittelfristig zu gewissen Widersprüchen wie die Privatisierung von Volkseigentum, die Verwandlung der Arbeitskraft in eine Ware oder die Einschränkung des Zugangs zu Bildung kommt. Die Steigerung des Lebensstandards und das nach wie vor hohe Vertrauen der Massen in China zur KPCh belegen den Erfolg dieses Weges ebenso wie sie Anzeichen für die Herrschaft der Arbeiterklasse unter der Führung der KPCh seien. Die Macht werde weiterhin vom Staat ausgeübt, der die Ökonomie lenke und kontrolliere, was laut Blach ein Anzeichen für den Sozialismus ist, während im Kapitalismus die Kapitalisten den Staat zur Durchsetzung ihrer Interessen nutzen. In diesem Sinne sei eine vorübergehende Lösung des politischen Überbaus von der ökonomischen Basis möglich – wie die Praxis der KPCh beweise.

Auf der anderen Seite wurde die Politik der „Reform und Öffnung“ als Restauration des Kapitalismus eingeschätzt. Wesentliche Produktionsmittel wurden privatisiert und auch die staatseigenen Betriebe arbeiten nach marktwirtschaftlichen Gesetzen. Häufig würden, so auch im Antrag des Parteivorstandes, die sozialistischen Aufbauleistungen vor dem Beginn von „Reform und Öffnung“ übersehen, die beispielsweise den Anteil der Industrieproduktion am BIP von 9 auf 50 Prozent steigerten – ein wichtiges Indiz für die Industrialisierung des Landes durch sozialistische Produktionsverhältnisse. Das selbst in den teilweise chaotischen Zeiten der Kulturrevolution anhaltende Wirtschaftswachstum sei im Zusammenspiel mit dem kapitalistischen Bedarf an Standortverlagerungen aus den USA und Europa in Billiglohnländer die Basis für die Politik der „Reform und Öffnung“ gewesen. Und auch ideologisch habe es in der KPCh einen Bruch gegeben: Symbole und manche Begriffe seien zwar gleichgeblieben, marxistische Inhalte aber immer weniger präsent. Deshalb sei mit einer Umkehr der Entwicklungsrichtung hin zu einem Sozialismus 2.0 nicht zu rechnen.

Insgesamt zeigte die Diskussion nicht nur, dass es um grundsätzliche Fragen geht, sondern auch, dass diese unterschiedlich beantwortet werden und hier noch viel kontroverse Diskussion nötig ist – was man als das dritte Ergebnis der Diskussion bezeichnen könnte. Die Diskussion in Frankfurt sollte dafür als Auftakt gesehen werden, wie der Bezirksvorsitzende Axel Koppey es in seinem Schlusswort formulierte.

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"Drei Ergebnisse und viele offene Fragen", UZ vom 23. Dezember 2022



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