Mickriger Machtmensch: „The Apprentice – The Trump Story“

Drachenzüchten leicht gemacht

Manchmal vergisst die Realität, dass sie eine ist. Dann stapfen durch sie Menschen als Drittbesetzungen ihrer selbst und es finden Ereignisse statt, die ein unterbezahlter Drehbuchautor kurz vor Feierabend von ChatGPT erfragt. Das im Internet aller Länder Amüsement wie Alarm auslösende Beispiel dafür seit nunmehr sieben Jahren: Der Auf- beziehungsweise Umstieg des New Yorker Immobilienunternehmersöhnchens Donald John Trump zum 45. US-Präsidenten, dessen von den Straßen mobilisierbare Kernanhängerschaft nach seiner Nicht-Wiederwahl 2021 das Washingtoner Kongresshaus stürmte.

Das Großkapital drängt zum Faschismus, es übergeht dabei sogar die ihm nützliche Arbeitsteilung und stellt als politischen Führer den aus ihren Reihen auf, der Mussolini am nächsten hampelt und grimassiert und sich eh ohne Aufmerksamkeit und Kamerazoomen in Luft auflöste wie das Begehr nach dem Bau eines Luxushotels im Zentrum von New York City, würde die Grundsteuer erhoben, so wie es allgemein rechtens wäre.

Nun passieren viele Dinge ohne Faschismus, die wie Faschismus aussehen – es braucht keinen, um Menschen wieder in Lager zu stecken, es reicht das EU-Grenzregime – und in den weiterhin Wahlen abhaltenden USA ist man sich noch uneins, wer das Steuer des sinkenden Imperialismus für die nächsten vier Jahre greifen darf und nicht herumreißen können wird: Der unberechenbare Kalkulator Trump oder die „fundamentalopportunistische Lachmöwe“ Kamala Harris, wie Dietmar Dath sie in der Oktoberausgabe der „Konkret“ nannte.

Der in Dänemark lebende iranische Regisseur Ali Abbasi wird trotz aller Hudelei mit ihr von der Realität für seinen Film sekundiert. Für „The Apprentice“ (dt. der Lehrling) kann er sich nicht nur bei einer Monopoly am Menschen exerzierenden Reality-Show beim Titel bedienen, in der Trump von 2004 bis 2015 als Host auftrat. Er hat auch das Glück, die Genese Trumps durch gleich zwei Figuren darzustellen und so das infantile Schnutenziehen, von der Decke der Mundhöhle her Sprechen und faul-raumgreifende Gestikulieren von einer zur anderen übergehen zu lassen: Trump (Sebastian Stan) wird als Adept neben seinen Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong) gestellt. Cohn erlebte seine Blüte in der McCarthy-Ära und hat die Hatz auf Kommunisten munter mitgemacht. Die Sporen, die er sich dabei verdiente und stolz hervorholt: Sein Beitrag zur Verurteilung des Ehepaars Rosenberg wegen Hochverrats als Spione für die Sowjetunion. Das Todesurteil für Ethel Rosenberg hat Cohn durch Erpressung erwirkt; schließlich müsse man die Demokratie, um sie der Form halber zu verteidigen, inhaltlich abschaffen.

Cohn lehrt den noch zurückhaltenden Trump Skrupellosigkeit. Der wird vom Meister nicht nur die Solariumsbräune adaptieren, sondern auch dessen drei Prämissen, um in der herrschenden Ordnung für sie und sich zu wirken: Immer angreifen, Wahrheit und Faktizität als Konstrukte abtun und niemals eine Niederlage eingestehen.

Abbasi dankt es der Realität durch Nachahmung, mit einer dem Pseudodokumentarischen entlehnten wackligen Kamera, und rechtfertigt die zwei Stunden Spielzeit durch die starke Besetzung für eine Handlung, die sich in drei, vier Wikipedia-Einträgen nachlesen ließe – nur weniges wurde verschoben, etwa die 2018 von Ivana Trump (im Film gespielt von Marija Bakalowa) als von ihr erfunden erklärte Vergewaltigung durch ihren damaligen Ehemann im Jahr 1989, die im Film noch vor dem Tod Cohns 1986 so wie damals zur Anzeige gebracht stattfindet. Mit Sebastian Stan mimt einer Trump, der sich bereits als Auftragskniebrecher Jeff Gillooly in „I, Tonya“ (2017) in makabre Untiefen der US-amerikanischen Öffentlichkeit vorgespielt hat und hier schon zu Anfang und in Kürze alle Mickrigkeit des Machtmenschen Trump zeigt, indem der als Mieten eintreibender Laufbursche seines Papas einfach zurückpöbelt, wenn er durch die Tür verflucht wird. Jeremy Strong gibt den bigotten Juristen, dem Justitia wohl zu sehr Bolschewistin war, vom erpresserischen Kaltblüter mit hyperhedonistischer Freizeitgestaltung zum von Aids gezeichneten Sterbenskranken, der damit leben muss, dass ihn sein Gezücht aus dem Nest drängelt. Realität sei Dank wissen wir: Mit dem richtigen Personal kann es noch schlimmer werden.

The Apprentice – The Donald Trump Story
Regie: Ali Abbasi
Unter anderem mit Sebastian Stan, Jeremy Strong, Marija Bakalowa
Bereits angelaufen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Drachenzüchten leicht gemacht", UZ vom 8. November 2024



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit