Neues Rettungspaket wird vor allem Unternehmern helfen

Doppel-Wumms?

Mit großem medialen Getöse verkündete das Koalitions-triumvirat Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) Ende September ihren „Doppel-Wumms“ (Scholz), mit dem sie den Sieg im „Energiekrieg Deutschlands“ (Lindner) sichern wollen. Gegenüber der breiten Bevölkerung wird es so dargestellt, als gehe es bei dem 200-Milliarden-Paket darum, den vielen Familien, Rentenempfängern oder Studierenden zu helfen, denen in den kommenden Monaten vor allem (aber nicht nur) dann, wenn sie mit Gas heizen, die finanziellen Belastungen das Konto sprengen werden. Aber tatsächlich stehen andere im Fokus, wie Habeck mit der Formulierung klarmachte: „Die Unternehmen brechen uns weg.“

Die gute Nachricht der Show für die Mieter, Eigenheimbesitzer oder Bäcker, die mit Gas heizen und produzieren, lautet: Die unselige Gasumlage ist vom Tisch. Habeck wollte mit ihr die explodierenden Gaspreise sogar noch weiter nach oben treiben, um die heimischen Energiekonzerne auf Kosten der kleinen Haushalte und Unternehmen zu entlasten. Nun soll ein noch auszugestaltender Preisdeckel für einen „Grundbedarf“ an Energie helfen, die Belastungen des Wirtschaftskrieges abzufedern.

Haushaltsrechtlich sind die so schön ins Schaufenster gestellten 200 Milliarden Euro nicht mehr als eine noch in diesem Jahr im Haushalt verbuchte Kreditermächtigung für den Finanzminister. Fließen wird dieses Geld überwiegend in den kommenden Jahren. Der Trick mit der Verbuchung noch in diesem Jahr dient der Aufrechterhaltung der Illusion, die von SPD/CDU/FDP/Grüne selbstverordnete „Schuldenbremse“ des Artikels 109 des Grundgesetzes würde nicht verletzt. Das wird schwierig. Denn klar ist: Auch diese 200 Milliarden, die nun möglicherweise an den internationalen Kapitalmärkten aufgenommen werden, müssen wieder zurückgezahlt werden. Nach Lindners Plänen soll das ab 2028 geschehen. Dann ist er wohl nicht mehr im Amt und sein Nachfolger wird sich mit dem Problem herumschlagen müssen, dass die verschiedenen Wumms-Pakete ab 2028 zu einer Tilgungsverpflichtung führen, die im Grundgesetz erlaubte „strukturelle Neuverschuldung“ von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts um rund 6 Milliarden Euro pro Jahr übersteigt. Die 100 Milliarden für neue Waffensysteme, die die Bundeswehr in den nächsten Jahren erhalten sollen, sind da noch gar nicht eingerechnet.

Im Klartext heißt das: Dieses Land wird im Moment bis über beide Ohren für den Krieg gegen Russland verschuldet und die Rechnung wird für „bitte nicht vor 2028“ bestellt. Ab spätestens dann werden tiefe Einschnitte in den Bundeshaushalt fällig, um die internationalen Kapitalgeber zu bedienen.

Der Finanzminister hofft, die 200 Milliarden würden am Ende gar nicht gebraucht. Dann hätten sie vor allem propagandistisch genützt. In der Tat bestehen sie zu über der Hälfte nicht aus Zuwendungen für Menschen, die unter den hohen Preisen ächzen, sondern aus staatlichen Garantien, um notleidenden Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten mit günstigen Krediten und gegebenenfalls auch Zuschüssen unter die Arme zu greifen.

Ob der „Doppelwumms“ wirklich kommt, ist noch nicht ganz ausgemacht. Denn von den europäischen Bruderländern kommen zunehmend kritische Stimmen – vor allem wegen der von Scholz & Co. verkündeten Hilfen für deutsche Unternehmen. „Deutschland steht am Pranger“ titelte die FAZ am 1. Oktober und verwies auf den stündlich anschwellenden Unmut aus anderen EU-Ländern über den Alleingang aus Berlin. Die sei ein „nicht abgesprochener und nicht kommunizierter Akt“, hieß es aus der Umgebung der künftigen italienischen Regierung und der luxemburgische Energieminister Claude Turmes geißelte den „gegenseitigen Überbietungswettbewerb der Staaten bei der Unterstützung der eigenen Wirtschaft“, der die Grundlagen der EU untergrabe.

Die EU-Kommission jedenfalls kündigte eine intensive Untersuchung des Paketes unter dem Aspekt des EU-Wettbewerbsrechts an, auf das noch vor nicht langer Zeit gerade die deutsche Regierung ja so viel Wert gelegt hatte.

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"Doppel-Wumms?", UZ vom 7. Oktober 2022



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