Die Koalitionsgespräche, die das BSW in Brandenburg, Thüringen und Sachsen führt, sorgen für Unruhe. Für die Präambel eines Sondierungspapiers hätten sich früher selbst die fanatischsten Beobachter des Politikbetriebs kaum interessiert. In Kriegszeiten aber gerät jede noch so kleine Abweichung vom allgegenwärtigen Kriegstüchtigkeitsgerede in den Ruch des Vaterlandsverrats.
Wie das geht, machte in der vergangenen Woche die Zeitschrift „Internationale Politik“ vor. Bei den Landtagswahlen im Osten hätten „mit AfD und BSW zwei politische Einflussagenturen einer feindlichen Macht triumphiert“, war da zu lesen. Außerdem wisse inzwischen jeder, „dass dem BSW eine zentrale Rolle in Putins strategischem Plan zukommt, in ganz Europa eine ‚Antikriegsstimmung‘ zu erzeugen, die bei der Bundestagswahl 2025 zu einem Machtwechsel im Sinne des russischen Aggressors führen soll“.
Andere Protagonisten der bellizistischen Verdummungsfront schlossen sich an. „Man sollte die Spreche des BSW von ‚friedenspolitischen Forderungen‘ nicht übernehmen. Es sind russlandfreundliche Forderungen“, schrieb der Bundeswehrprofessor Carlo Masala auf der Plattform X. Anschließend teilte er Beiträge, die dem SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich vorwarfen, „die deutsche Verteidigungsbereitschaft schwach zu halten“, und raunte über eine „Russland Connection der SPD“.
Die zunehmende Panik im NATO-Lager dürfte aber weniger den Koalitionsgesprächen, sondern mehr der Situation auf dem Schlachtfeld geschuldet sein. „Wir wissen alle, (…) dass unsere Front zusammengebrochen ist“, sagte der ukrainische Generalmajor Dmytro Martschenko am vergangenen Montag. Ein schwerer Schlag für die, die bis zum letzten Ukrainer kämpfen wollen, um „dem Russen“ eins auszuwischen.
Nun wird nach Sündenböcken gesucht. Das BSW mit seinen Friedensforderungen und die SPD, die zwar den Kriegskurs vorantreibt, dabei aber etwas vertrottelt wirkt, bieten sich für eine neue Dolchstoßlegende an. Wenn sich der Krieg nun länger zieht oder von der NATO brutal eskaliert wird, wenn Russland weitere Vorstöße gelingen, wenn vielleicht sogar Friedensverhandlungen aufgenommen werden müssen, dann erklären die Hindenburg-Imitatoren aus dem NATO-Lager, dass die ukrainische Armee „von hinten erdolcht“ worden sei. Wobei sie vermutlich schönere Worte finden werden, um dem archaisch-dumpfen Militarismus einen demokratischen Anstrich zu verleihen.