Am Donnerstag und Freitag dieser Woche (nach Redaktionsschluss) findet in Brüssel der nächste EU-Gipfel zur Flüchtlingspolitik statt. Wenige Tage davor hatte der französische Premier Manuel Valls auf der Münchener Sicherheitskonferenz erklärt, er sei „nicht dafür“ einen festen Verteilmechanismus einzuführen, wie ihn Bundeskanzlerin Merkel vorgeschlagen habe. Sein Land werde keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen.
Frankreich folgt damit jenen in der EU, die eine Kontingentlösung für Flüchtlinge, also eine Verteilung auf die EU-Länder, ablehnen. Geschieht das nur aus innenpolitischen Gründen?
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Nun, Valls Erklärung kommt – unabhängig von seinen Gründen – wohl auch hierzulande gerade recht. Kritikern in CSU und CDU fällt es nun noch leichter zu behaupten, Merkel werde in der EU ihre bisherigen letzten Verbündeten verlieren. Sie stehe nicht nur im eigenen Land in der Flüchtlingsfrage völlig „alleine da“. Ihre „Europapolitik“ sei gescheitert. Wobei tatsächlich zu fragen wäre, wo sie mit ihrer neoliberalen, damit antisozialen, antidemokratischen und Kriege unterstützenden Politik denn eigentlich wirklich im rechten Lager steht …
Die Kritiker erhöhen nach den Auseinandersetzungen zwischen den Unionsparteien – wohl auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 13. März, den folgenden Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sowie langfristig im Hinblick auf die Bundestagswahlen – den Druck:
So erklärte am vergangenen Sonnabend der Vize der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans Michelbach: „Mit dem Abrücken Frankreichs ist eine europäische Lösung der Flüchtlingsfrage faktisch gescheitert.“ Er forderte, die Bundesregierung müsse nun endlich den Zuzug begrenzen.
Das Verhalten der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik sei nicht gerade wähler- und wahlergebnisfördernd, äußerte sich etwas zurückhaltender der CSU-Politiker und -Journalist Wilfried Scharnagl, ein langjähriger Weggefährte von Franz Josef Strauß, in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“ am 11. Februar. Das Asylpaket II und andere Maßnahmen würden „letzten Endes auf das Drängen und auf Vorschläge und Konzepte der CSU“ zurückgehen. „Sichere Staaten, Balkan und all diese Dinge, die es gibt und die bekannt sind und die gewisse Verbesserungen gebracht haben, das ist Erfolg der CSU-Politik … wir müssen unsere Grenzen selbst sichern, wenn die europäischen Regeln, denen wir gerne folgen würden, wenn sie denn funktionieren würden, nicht funktionieren …“ In diesem Interview forderte er dringend eine Kurskorrektur.
Und Horst Seehofer? Der hatte seine Moskaureise wohl kaum ohne Abstimmung oder stille Billigung aus Berlin und aus Kapitalkreisen angetreten. Trotzdem war die Spitze zu spüren, als er der Kanzlerin viel Glück auf dem EU-Gipfel wünschte: „Ich hoffe, sie hat Erfolg. Das sage ich jetzt wirklich mit einem heißen Herzen. Denn da geht es ja auch darum, dass Europa in seiner Gesamtheit handlungsfähig bleibt. Ich will mir jetzt gar nicht vorstellen, wenn das nicht funktionieren würde, was wir dann für Probleme haben.“
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Die Umfragewerte der CDU/CSU sind im Sinken. Nicht dramatisch: 2013 erreichten die Unionsparteien bei den Bundestagswahlen noch 41,5 Prozent. Heute würden sich nur noch zirka 35 Prozent der Wählerinnen und Wähler für sie entscheiden. Das wäre – im Vergleich zur SPD und den anderen Parteien – immer noch ein satter Wert.
Auch bei den im März anstehenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg und in Sachsen-Anhalt kann man mit deutlichen Siegen der CDU rechnen – die Regierungsbildung wird schwierig werden, denn immer mehr wird die AfD zu einem bestimmenden Faktor. Deren Vize Gauland, ein früherer CDUler, warnt seine Mitstreiter dringend vor irgendeiner Regierungsbeteiligung.
Auch deshalb wächst die Unruhe. Und CSU-Politiker sehen offenbar die Chance, die eigenen Positionen im Verbund der Unionsparteien zu stärken oder gar bundesweit eigene Wege zu gehen. Selbst der Chefkommentator der Zeitung „Die Welt“ warnte am 10. Februar davor, denn sowohl Franz Josef Strauß (1975) als auch Theo Waigel (1990) seien an solchen Versuchen letztlich gescheitert …
Für Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist schon jetzt Horst Seehofer der „gefühlte Spitzenkandidat der CSU“ für die Bundestagswahl 2017. In der „Bild am Sonntag“ erklärte er am Wochenende: „Ich kann der CSU nur raten, bei der Bundestagswahl Horst Seehofer zu plakatieren.“ Er setzt nicht mehr auf Angela Merkel.
Scharnagl, früher u. a. Chefredakteur des „Bayernkurier“, sieht das – noch – anders: „Es wäre absurd zu sagen, wir müssen die Kanzlerin stürzen, um etwas zu bewegen …“ Die CSU und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätten allerdings in der Flüchtlingspolitik unterschiedliche Ansichten. Man hoffe aber einen Kompromiss zu finden. Eine Zusammenarbeit mache „selbstverständlich“ noch Sinn.