Der Leserbrief des Kollegen Sander hat mir die Sprache verschlagen. Dass es unterschiedliche Auffassungen über den Begriff „die Linke“ gibt, so auch bei Inge Viett und Ulrich Sander, ist kaum verwunderlich. Dass Sander allerdings ausgerechnet sich selbst und die DKP/UZ als Gegenstand der Kritik von Viett betrachtet, begreife wer will, ich begreife es mitnichten. All das, was Inge Viett am Umgang der „Linken“ sowohl zu Zeiten des realen Sozialismus als auch später zu Zeiten der „Aufarbeitung“ durch die Konterrevolution beschreibt, bezieht sich auf alle möglichen Schattierungen der bundesdeutschen „Linken“, auf die DKP und ihre Zeitung bezieht es sich ohne Zweifel nicht.
Ich habe selten einen solch sensiblen, sympathischen, der DDR zugewandten Text gelesen, wie den von Inge Viett. Erinnert sich Sander nicht mehr der Häme, der Gehässigkeit und der Überheblichkeit der „Linken“ in der BRD gegenüber dem realsozialistischen Experiment in der DDR? Während sich eben diese „Linke“ bis auf homöopathische Restbestände im Neoliberalismus, vulgo Turbokapitalismus, selbst zerlegt hat, wenn sie nicht sogar in Scharen die Seite der Barrikade gewechselt hat, hat Viett ein feingearbeitetes Bild der gesellschaftlichen Widersprüche gezeichnet, das mir Respekt und Sympathie verursacht.
Sander reproduziert geradezu den Hochmut, den Viett an der westdeutschen „Linken“ kritisiert. Er versagt ihr zudem den gebotenen Respekt, wenn er statt des Namens der Autorin nur von der „ehemaligen RAF-Angehörigen“ spricht (Inge Viett ist sicher viel mehr als das). (…) Als Belehrung habe ich Vietts Diktum nicht aufgefasst, schon gar nicht als Belehrung eines ehemaligen UZ-Redakteurs. Als nur allzu gerechtfertigte Analyse des Versagens der „Linken“ lese ich allerdings diese fundamentalen Zeilen einer in Freud und Leid mit der DDR solidarischen Autorin.