Johanna Scheringer-Wright ist Agrarpolitische Sprecherin der Linkspartei-Fraktion im Thüringischen Landtag.
UZ: Seit mehreren Wochen hält die Hitzewelle an mit katastrophalen Folgen für die Bauern. Wie sieht das bei dir in Thüringen aus?
Johanna Scheringer-Wright: In Thüringen ist die Hitzewelle extrem. Es gibt aber unterschiedliche Regionen mit unterschiedlichen Niederschlagsmengen, so dass es nicht einheitlich schlecht ist. In Nord- und Nordwestthüringen sind vor allem die Weiden betroffen und es gibt zu wenig Futter. In vielen Gegenden sind die Weizenerträge niedriger als in den Vorjahren, wobei man sagen muss, das Thüringen eigentlich eine sehr gute Ertragslage hat. Es gibt Betriebe, die sehr unterschiedliche Kulturen anbauen. Die Betriebe können Glück haben, wenn sie zum Beispiel Spargel angebaut haben, der eine sehr gute Ernte erbracht hat. Man kann es nicht über einen Kamm scheren.
UZ: Verschiedene Bauernverbände warnen vor großen Ernteausfällen und malen ein sehr drastisches Bild. Würdest du das nicht teilen?
Johanna Scheringer-Wright: Ich weiß, dass Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, fordert, die Bauern bräuchten eine Milliarde Euro Soforthilfe. Das teile ich so nicht. Erstens denke ich, dass die Daten noch nicht ausgewertet sind und die Ernteergebnisse ganz unterschiedlich sind. Danach muss denen geholfen werden, die besonders schlimm betroffen sind. Zweitens bin ich skeptisch, jetzt ein großangelegtes „Dürrehilfeprogramm“ zu machen. Es ist nicht erst seit gestern bekannt, dass die Erderhitzung voranschreitet und auch die Bauern sich anpassen und durch besondere Maßnahmen den Klimawandel abmildern müssen.
UZ: Wie könnten solche Maßnahmen aussehen?
Johanna Scheringer-Wright: In der Landwirtschaft müssen die Betriebe diversifizieren, also sich breiter aufstellen. Der Spargel – wie erwähnt – hat eine gute Ernte eingefahren, wenn aber Betriebe nur Weizen anbauen und in einem Gebiet mit wenig Niederschlag liegen, dann haben diese natürlich Einkommensverluste. Deswegen diversifizieren und aus den Erfahrungen der DDR-Landwirtschaft lernen. Es gab eine gute Struktur für Bewässerung, die Böden waren gut melioriert und es gab sehr viele Wasserspeicher, die angelegt wurden, um in Dürrejahren bewässern zu können. Die Unterhaltung dieser Wasserspeicher wurde von vielen Betrieben und Kommunen nach der Wende abgelehnt, weil sie sagten, es sei nicht klar, wem der Wasserspeicher gehöre und wer jetzt in der Verantwortung stehe. Das ist natürlich fatal, weil es heute deshalb viel weniger Möglichkeiten der Bewässerung gibt. Ich habe als Agrarpolitische Sprecherin der Linken schon lange gefordert, dass die Wasserspeicher wieder in Ordnung gebracht werden. Die Thüringer Fernwasserversorgung hat jetzt angekündigt, sie werden diese „herrenlosen“ Wasserspeicher übernehmen und fit machen. Das ist eine gute Ansage. Ähnlich ist es im Obstbau. In DDR-Zeiten war der Obstbau sehr gut bewässert, auch da sind Infrastrukturen zusammengebrochen und jetzt muss dringend renoviert und wieder aufgebaut werden.
UZ: Können das alles die einzelnen Bauern stemmen? Es gibt keine großen LPGs mehr, die so was könnten.
Johanna Scheringer-Wright: In Thüringen sind nach der Wende nicht alle Strukturen vollständig zerschlagen worden. Das ist ein Glück, denn die Landwirtschaft war der Wirtschaftsbereich, in dem die DDR-Strukturen noch am besten ins kapitalistische System überführt worden sind. Ich bin der Auffassung, dass diese Betriebe, die oft Agrargenossenschaften sind, solche Investitionen stemmen können und zusätzlich gibt es für solche Maßnahmen auch das Agrar-Investitionsförderprogramm.
Gut meliorierte Flächen müssen erhalten bleiben und dürfen nicht zu Bauland umgewidmet werden, wie zum Beispiel in Erfurt, wo ein Parkhaus für die Universität auf bestem Ackerland gebaut werden sollte. Das haben wir aber verhindert.
UZ: Länder, Bund und EU streiten sich, wer zahlen soll. Was sind die Vorschläge der Partei „Die Linke“ dazu?
Johanna Scheringer-Wright: Eine gute Frage, wer das bezahlen soll. Grundsätzlich gilt ja im derzeitigen System, Gewinne werden privatisiert und Kosten werden sozialisiert. Das gilt auch im Bereich „Dürrehilfe“. So können wir nicht weitermachen. Ich war am letzten Wochenende auf dem „Klima-Camp“ im Leipziger Land, weil da immer weiter der Kohleabbau betrieben wird. Ein ganzes Dorf soll weggebaggert werden. Das ist der falsche Weg. Die Aktionäre verdienen mit der Kohle einen Haufen Kohle, heizen durch ihre Betriebe die Erderwärmung noch stärker an, verursachen Dürreschäden ohne Ende, und die Allgemeinheit soll dafür dann aufkommen. Das geht gar nicht, deswegen sage ich, man muss raus aus der Kohle und die Energiekonzerne enteignen und umstellen.