Berlin outside I.
Ich fahre freitagmorgens mit meinem mitgenommenen E-Bike die Frankfurter Allee entlang Richtung Friedensfest. Auf dem Radweg, ausgeruht und achtsam, ich bin hier schließlich in Berlin. Will links eine Touristin auf einem Touristenfahrrad überholen, einfache Übung. Nur dass jene genau in diesem Augenblick wohl denkt: „Hey cool, ich biege einfach mal links ab, ohne zu gucken oder ein Handzeichen zu geben, wie witzig.“ Dit is Berlin.
Friedensfest I.
Es ist Freitag, 17 Uhr, eine Stunde vor Beginn, und auf dem großen Platz sind gefühlt zwölf Menschen. Ich möchte mich in Luft auflösen, bin aber am UZ-Shop-Stand eingeteilt und humpele in den 1. Stock, wo wir aufgebaut haben. 18 Uhr, Zigarettenpause. Der große Platz ist voll, voll, voll. Ich möchte in die Luft springen vor Freude, bin aber alt und hatte gerade einen Unfall. Egal, ist auch ohne Hüpfen: geil.
Berlin outside II.
Ich befinde mich irgendwo in der Luft, verknotet mit Touristin und zwei Fahrrädern, was bis hierhin ziemlich lustig ist. Weniger lustig die Reihenfolge des Aufpralls übereinander auf den Asphalt: 1. Ich, 2. Fahrrad 1, 3. Touristin, 4. Fahrrad 2. Autobremsen kreischen, weitere Radfahrer schreien. Autsch.
Friedensfest II. Nach meiner ärztlichen Versorgung durch zwei Genossen (Danke!) geht auch der Verkauf im Shop gut los. Kapuzenpullover liegen wie Blei, wundert keinen bei gefühlt 60 Grad. Aber Bücher, Mützen, T-Shirts, Soli-Buttons u. v. m. laufen. Ein Paar um die 80 probiert die Arbeitermützen mit Hammer & Sichel: Er: „Ich will keine grüne. Grün macht mich dick.“ Sie: „Du bist dick!“ Er: „Stimmt.“ Sie kaufen eine in Grün und eine in Schwarz. „Macht mich doch viel schlanker, oder?!“ Dit is Berlin.
Berlin outside III.
Jemand hebt alles und mich auf. Die Touristin weint eine Entschuldigung. Radfahrer 4 will einen Krankenwagen holen, Radfahrer 7 die Polizei. Ich wimmel’ alle ab, sortiere meine Knochen und fasse zusammen: Knie, Ellenbogen, rechte Hand bluten. Buxe kaputt. Alles tut weh, nix scheint gebrochen. Bedanke mich bei allen und schiebe mein Fahrrad Richtung Friedensfest. Hab schließlich zu tun.
Friedensfest III.
Alle Veranstaltungen im Haus trotz tropischer Temperaturen: Voll. Foyer: Voll. Vorplatz: Voll. Innenhof mit Casa Cuba: Voll. Zustand der Shop-Crew spätabends nach einem langen heißen Arbeitstag: … na, na, na, was ihr jetzt wieder denkt!
Berlin outside IV.
Nach meinem Umfall oder Unfall, wie immer man das sieht, setze ich mich erst einmal zitternd auf eine Bank in einer schmalen Grünfläche mit Brunnen. Hinter mir volle Yuppiecafés, vor mir die fünfspurige, stark befahrene Straße. Ein Obdachloser kommt heran, zieht sich komplett aus, setzt sich in den Brunnen vor mir und wäscht sich die Genitalien. Uff. Dit is ooch Berlin.
Sprachwissen.
„Frieden, der: Substantiv, maskulin. Häufigkeit 2 von 5.“ (Duden.de) „Krieg, der: Substantiv, maskulin. Häufigkeit 4 von 5.“ (ebenfalls Duden.de). Findet jemand den Fehler?
Friedensfest IV.
Die beliebtesten Fragen am UZ-Shop: „Warum ist das so teuer? / Meinen Sie, mir passt auch M? (Fragesteller Körperfülle 2XL) / Ich erzähle ihnen jetzt meine komplette Lebensgeschichte, okay? / Haben Sie auch Socken? Mein einziges Paar ist nass geworden.“ Ja nun, ich sag mal so: Dit is Berlin.
Danke an alle und natürlich an die Rehnagel-Freunde vor Ort.
Schön war’s!