Das Ergebnis der vierten Verhandlungsrunde erfuhren die Kolleginnen und Kollegen aus der Presse. ver.di und die Deutsche Post AG einigten sich auf einen Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 24 Monaten. Im April soll es 2 Prozent mehr Lohn geben, im Jahr darauf noch einmal 3 Prozent. Dazu kommt ein zusätzlicher Urlaubstag und ab dem 16. Jahr der Beschäftigung ein weiterer Urlaubstag.
Eine weitere Individualisierung bringt die Möglichkeit, sich die ÜZA (Überzeitarbeit, also Überstunden) oder die EU, also (Erholungs-)Urlaubstage, ausbezahlen zu lassen. Sowohl im Betrieb als auch auf Facebook sowie in WhatsApp-Gruppen reagierten die Postler empört. Einige kündigten ihren Austritt aus der Gewerkschaft an. ver.di-Vertrauensleute und aktive Gewerkschafter hatten ihre liebe Mühe, diese Kritik zu verarbeiten und auf eine kollektive Antwort zu orientieren, die eine Schwächung der Gewerkschaft verhindert.
Wundern dürfte das niemanden. Denn das Tarifergebnis bleibt knapp unterhalb der Inflationsgrenze. Der Reallohnverlust der letzten Jahre wird damit vertieft. Von der ursprünglichen Forderung ist ver.di meilenweit entfernt. Die Gewerkschaft hatte 7 Prozent auf zwölf Monate und drei zusätzliche Urlaubstage für alle plus einem weiteren für Gewerkschaftsmitglieder gefordert.
Nun wird versucht, die Differenz künstlich kleinzurechnen, indem das Ergebnis dem „Angebot“ der Post entgegengestellt wird. Dies wurde zuvor jedoch zu Recht als Provokation empfunden. Denn am Ende der dritten Verhandlungsrunde hatte der Konzern eine Erhöhung um 1,8 Prozent für 2025 und 2 Prozent für 2026 bei einer Laufzeit von 27 Monaten vorgeschlagen.
Am Abend nach der vierten Verhandlungsrunde fand eine Telefonkonferenz der ver.di-Verhandlungsführung mit den Vertrauensleuten statt. Das Ergebnis wurde damit begründet, dass mehr nicht zu erreichen gewesen sei. Durch die Blume verwies man auf die mangelnde Streikbereitschaft vor allem in der zweiten Warnstreikrunde.
Das stimmt mit den Beobachtungen vieler aktiver Gewerkschafter in den Betrieben überein. Die Kampfbereitschaft war in der ersten Runde der Warnstreiks noch höher als von ver.di abgefordert. In der zweiten Runde hatte sie nachgelassen. Woran liegt das? Die Streikpause – die ver.di einräumte, um die Briefwahl nicht zu gefährden – nutzte der Post-Konzern, um alle auf Halde liegenden Wurfsendungen noch loszuwerden. Gerade die nichtadressierten Briefsendungen stiegen auf das Doppelte der üblichen Menge. Die Kolleginnen und Kollegen sahen sich also in der Streikpause ihre eigenen Druckmittel wegbringen. Auch der Umstand, dass in dieser Zeit die Paketzentren und DHL-Zustellbasen nicht bestreikt wurden, stieß auf Unverständnis, weil diese mit den per Brief abgegebenen Stimmen zur Bundestagswahl nichts zu tun haben.
Auf den Tarifabschluss folgte offene Demagogie: Kurz nach Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses wurde die Meldung lanciert, dass der Konzern 8.000 Jobs abbauen will. Die Zahl ist niedrig genug, um darin eine Drohung zu sehen: Bei Ablehnung und weiteren Streiks wird es mehr Entlassungen geben.
Es ist ein Ausblick auf das, was nach der „Umstrukturierung“ genannten Zerschlagung des Konzerns auf uns zukommt. Mit der „Gewinnabgabe“ verbleibt das Geld nicht in den einzelnen AGs, jede Gehaltserhöhung soll mit Entlassungen und Mehrarbeit ausgeglichen werden.
In den Betrieben müssen nun die befristet Beschäftigten um ihre Anschlussverträge zittern. Sie wären garantiert nicht mehr zum Streik zu bewegen gewesen. Aushilfskräften, es handelt sich vor allem um Studierende, wurde bereits mitgeteilt, dass man sie nicht mehr einsetzen will.
Ende März folgt die Neubemessung. Angekündigt wurde, dass das „Muster“, also der Plan, welche Bezirke bei wenig Post von anderen mit-bearbeitet werden müssen, auf neue, höhere „Minus-Stände“ (mehr wegfallendes Personal) ausgearbeitet werden. Derweil meldet die Post einen neuen Höchststand an Gewinnen und Dividendenausschüttungen. Und die Bundesnetzagentur meldet neue Höchststände an Beschwerden über die Post- und Paketbranche.
Die kommenden Wochen werden anstrengend.