Zum Krieg der Bundesregierung nach innen und außen

Diplomatie statt Baerbock

Sevim Dagdelen

Jetzt geht auch der deutschen Außenministerin ein Licht auf – die Sanktionen schaden Russland nicht, gibt Annalena Baerbock (Grüne) enttäuscht zu: „Eigentlich hätten wirtschaftliche Sanktionen wirtschaftliche Auswirkungen. Das ist aber nicht so. Weil eben die Logiken von Demokratien nicht in Autokratien greifen. (…) Wir haben erlebt, dass mit rationalen Entscheidungen, rationalen Maßnahmen, die man zwischen zivilisierten Regierungen trifft, dieser Krieg nicht zu beenden ist.“ Die Ausführungen der Grünen-Ministerin sind gleich doppelt absurd. Denn was ist „rational“ an Entscheidungen, die der eigenen Bevölkerung schaden und den Krieg nicht stoppen? Gravierende wirtschaftliche Folgen hat der Wirtschaftskrieg der Ampel-Regierung gegen Russland nämlich sehr wohl – für die Bürger wie die Unternehmen in Deutschland. Während Russlands Wirtschaft wächst, verharrt die deutsche in der Rezession, die Inflation bleibt hoch, Lebensmittel und Energie sind teuer. Die Verarmung der Bevölkerung und die Deindustrialisierung des Landes sind programmiert. Licht am Ende des Tunnels dieses sozialen Krieges von oben gegen unten gibt es nicht.

Wenn vermeintlich „rationale Maßnahmen“ nicht greifen, müssen bei der Grünen wohl irrationale her. So verteidigt Baerbock ukrainische Drohnenangriffe auf Moskau als legitim, während sich selbst ihr Amtskollege in Washington hier eher bedeckt hält. Deutschland ist mittlerweile zweitgrößter Waffensteller der Ukraine nach den USA. 22 Milliarden Euro an „Ukraine-Hilfen“ aus deutschen Steuergeldern hat die Ampel bisher verbrannt, verbunden mit der Zusage an die Führung in Kiew, die Unterstützung werde nicht enden, koste es, was es wolle. All das für die Verlängerung eines sinnlosen Abnutzungskriegs für ein paar Quadratmeter Land, in dem laut „New York Times“ schon jetzt allein 70.000 Ukrainer getötet worden sind.

Wer wie die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg fordert und für Frieden statt immer mehr Waffenlieferungen eintritt, wird als „Putinist“ oder „Kreml-Troll“ diffamiert oder, wie von Olaf Scholz, als Ausgeburt des Teufels. „Und die, die hier mit Friedenstauben rumlaufen, sind deshalb vielleicht gefallene Engel, die aus der Hölle kommen, weil sie letztendlich einem Kriegstreiber das Wort reden“, wetterte der SPD-Bundeskanzler bei einem Auftritt in München mit offenem Hass gegen die Pazifisten auf dem Platz.

Die Nerven liegen offensichtlich blank. Der Wirtschaftskrieg ist gescheitert und schlägt als Bumerang auf Deutschland zurück. Während Autohersteller aus Deutschland, Japan, Korea und den USA ihr Geschäft aus Russland im Zuge der Sanktionen abziehen, springt China ein. Das von Grünen-Vizekanzler Robert Habeck sanktionierte günstige Pipeline-Öl aus Russland kommt jetzt, raffiniert in Indien und um die halbe Welt verschifft, für teures Geld.

Im Unterschied zur Kindergrundsicherung hat die Bundesregierung für frische Waffen, für Panzer und Granaten immer genug Geld. Die Ampel will die Militärausgaben auf 2 Prozent des BIP erhöhen, auf 70 bis 80 Milliarden Euro pro Jahr – während die Bildung verkümmert, die Infrastruktur verlottert und das Gesundheitssystem kollabiert. Krieg und sozialer Krieg sind zwei Seiten einer Medaille. Wer die soziale Lage in Deutschland verbessern will, muss wider die Bellizisten für ein Ende des selbstzerstörerischen Wirtschaftskrieges und der Waffenlieferungen streiten, für eine Waffenruhe und Kompromisslösung. Lasst uns am 1. September bundesweit ein starkes Zeichen setzen, für Diplomatie statt Baerbock.

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"Diplomatie statt Baerbock", UZ vom 1. September 2023



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