Am 8. Dezember zog Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der in einer Koalition mit SPD und Grünen regiert, die Regierungsvorlage zum Staatsvertrag über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zurück. Das Abkommen der 16 Bundesländer kann daher nicht am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Nun rufen ARD, ZDF sowie Bremen und das Saarland das Bundesverfassungsgericht an, um die Länder zu zwingen, die von der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF) vorgeschlagene Erhöhung des 2013 eingeführten Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat zu genehmigen. Die Klage hat gute Aussichten auf Erfolg, denn 2005 verpflichtete Karlsruhe in einem ähnlichen Fall die Länder zur Zahlung.
Einer der angeführten Gründe für die Weigerung Sachsen-Anhalts ist identisch mit denen von 2005: Die öffentlich-rechtlichen Sender verbrauchten zu viel Geld. Hinzu kommen Argumente, die auch von anderen Parteien bis hin zur „Linken“ vorgebracht werden, wie: Ostdeutschland kommt bei den Öffentlich-Rechtlichen nur in verzerrter Form vor. Mit dem Kinderkanal in Erfurt befindet sich eine von 50 ARD-Gemeinschaftseinrichtungen im Osten. Beim Chefpersonal gibt es so gut wie keine Ostdeutschen.
Das trifft alles zu. Die Kolonialmentalität der westdeutschen Medien gegenüber Ostdeutschland entsprang direkt ihrer antikommunistischen Funktion im Kalten Krieg. An der Produktion übelster antikommunistischer Machwerke wurde bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nach 1990 nie Abstriche gemacht. Ein Musterfall aus jüngster Zeit ist die im Oktober vom ZDF ausgestrahlte Serie „Schatten der Mörder – Shadowplay“, die im Jahr 1945 in Berlin spielt und Sowjetsoldaten fast nur als Bestien zeigt.
Antirussische Hetze ist seit dem Aufmarsch der NATO an der Westgrenze Russlands und erst recht seit 2014, dem von EU und USA herbeigeführten Staatsstreich in der Ukraine, Kern jeder Berichterstattung über Osteuropa. Jede Kritik daran prallte an den Verantwortlichen in ARD und ZDF ab. Es kam seit den Attacken auf die Springerpresse Ende der 60er Jahre erstmals wieder zum öffentlichen Protest gegen diese Manipulationen. Medienwissenschaftler wie der Leipziger Uwe Krüger, der das 2016 in seinem Buch „Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr vertrauen“ untersuchte, sehen zwischen Publikum und Sendern seit dem Ukraine-Putsch einen Bruch.
Anders als 1968 bemächtigte sich 2014 die Rechte dieser Kritik. Haseloff, dessen CDU-Landtagsfraktion angekündigt hatte, zusammen mit der AfD gegen den Staatsvertrag zu stimmen, folgte dem Diktat der Rechtsaußen in der eigenen Partei und der AfD. Wohin große Teile der CDU Sachsen-Anhalts neigen, zeigte sich mehrfach in der noch bis Juni 2021 dauernden Wahlperiode. Erwähnt sei hier nur die Denkschrift der beiden Vizevorsitzenden der CDU-Fraktion vom Juni 2019, in der sie schrieben: „Es muss wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen.“ Haseloff bekam diese Leute – falls er überhaupt wollte – nie in den Griff. Der Rauswurf seines Innenministers Holger Stahlknecht, der eine Minderheitsregierung mit Unterstützung der AfD ins Spiel gebracht hatte, am 4. Dezember, widerlegt das nicht, belegt es eher.
Die AfD hat aber die Situation nicht allein herbeigeführt. ARD und ZDF lieferten mit Russophobie, Hass auf die DDR und Arroganz gegenüber Ostdeutschen reichlich Vorlagen für die nicht unpopuläre Forderung, den Rundfunkbeitrag einzufrieren. Auf Bundesebene gibt es für den Vorgang eine Analogie: 1993 stimmte die SPD für die faktische Abschaffung des Asylrechts in der Bundesrepublik. Die etablierten Parteien fürchteten damals die Republikaner und setzten deren Forderung ins Grundgesetz. Mit der AfD hat die Rechte diesmal eine stabilere Formation, um andere Parteien vor sich herzutreiben. Es sieht nicht so aus, als ob sich daran bald viel ändern wird.