Die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz der Tageszeitung „junge Welt“ findet an diesem Samstag erstmals online statt. UZ sprach mit Stefan Huth, Chefredakteur der „jungen Welt“, und Dietmar Koschmieder, Geschäftsführer des Verlags 8. Mai.
UZ: Die Rosa-Luxemburg-Konferenz ist der politische Jahresauftakt für viele Linke in diesem Land. Wegen der Covid-19-Pandemie findet die Konferenz an diesem Samstag ausschließlich digital statt. Warum habt ihr die Konferenz nicht einfach abgesagt?
Stefan Huth: Auch 2021 soll die radikale Linke kraftvoll ins neue Jahr starten. Könnten sich dazu – wie in den vergangenen Jahren – 3.000 Menschen in Berlin treffen, die über alle Unterschiede hinweg bestehende kapitalistische Verhältnisse überwinden wollen, wäre das sicher einfacher. Aber mit dem digitalen Format können wir den internationalen Ansatz der Konferenz stärker wirken lassen.
UZ: Eure Hauptaufgabe bleibt die Herausgabe von „junge Welt“ und „Melodie & Rhythmus“. Wie meistert ihr den zusätzlichen Aufwand?
Dietmar Koschmieder: Generell ist die Rosa-Luxemburg-Konferenz nur zu stemmen, weil wir von über 30 linken Organisationen und Medien unterstützt werden. Das ist auch bei der kommenden Konferenz so, obwohl wir dieses Mal auf die Präsentation linker Organisationen verzichten müssen. Aber alle anderen Elemente der Konferenz finden auch 2021 statt.
UZ: Die Konferenz steht unter dem Brecht-Motto „Der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein“. Wie sieht das Programm aus?
Stefan Huth: Bertolt Brecht sagt auch, dass der Kommunismus vernünftig sei. Um das zu unterstreichen, wird die kanadisch-indische Wirtschaftswissenschaftlerin Radhika Desai in ihrem Vortrag den aktuellen Imperialismus im Niedergang analysieren, der Philosoph Stefano Azzarà aus Italien referiert über Irrationalismen, die dieser Niedergang verstärkt hervorbringt, John Bellamy Foster (USA) beschreibt Zusammenhänge von kapitalistischer und ökologischer Krise. Die US-Bürgerrechtlerin Donna Murch wird herausarbeiten, was Rassismus mit Klassenunterdrückung zu tun hat, und Enrique Ubieta aus Kuba erklärt, weshalb sozialistische Staaten besser auf aktuelle Herausforderungen der Menschheit reagieren können.
Neben diesen Hauptbeiträgen wird es Wortmeldungen zu Klassenkämpfen in Venezuela, Indien, Afrika, den USA, der Türkei und anderen europäischen Ländern geben. Spannend auch das klassische Abschlusspodium der Konferenz gegen 18.30 Uhr: Dort diskutiert ein ehemaliger Vizedirektor des Online-Riesen Amazon mit Gewerkschaftern aus Deutschland, Italien und Spanien über Formen von Ausbeutung und Widerstand im Konzern – und weshalb große Internetkonzerne verstaatlicht gehören.
UZ: Wird es auch wieder kulturelle Elemente im Programm geben?
Dietmar Koschmieder: Wir eröffnen die Konferenz um 10.30 Uhr mit Ausstellungen der Gruppe Tendenzen und progressiver Arbeiterfotografen. Aus Burkina Faso meldet sich Ezé Wendtoin mit seinen Freunden musikalisch zu Wort, Konstantin Wecker präsentiert Lieder und erklärt, weshalb Rosa Luxemburg für ihn so wichtig ist. Das Berliner Simon-Dach-Theater zeigt Auszüge aus Brechts „Tage der Commune“ über den Aufstand der Pariser Arbeiter vor ziemlich genau 150 Jahren. Und schließlich wird sich der US-Liedermacher David Rovics per Lifestream mit M&R-Chefredakteurin Susann Witt-Stahl über die aktuelle Lage in den USA unterhalten und anschließend ein kleines Livekonzert darbieten.
UZ: Organisation und digitale Durchführung der Konferenz sind mit großen Kosten verbunden. Wie wollt ihr die stemmen?
Stefan Huth: Zwar zahlen wir für die RLK 2021 nicht die üblich hohe Raummiete, aber um sie in der notwendig hohen Qualität und in drei Sprachen durchführen zu können, rechnen wir mit Kosten in Höhe von 40.000 Euro. Da aber jeder die Konferenz kostenlos unter jungewelt.de/rlk verfolgen kann und Einnahmen, etwa Eintrittsgelder und Standmieten, deshalb in diesem Jahr ausfallen, sind wir auf Spenden und auf den Verkauf von Soli-Karten angewiesen. Bei der Finanzierung helfen uns auch Beiträge der Unterstützerorganisationen.
UZ: Blicken wir ins Jahr 2022. Wird die 27. RLK eine klassische Saalkonferenz oder eine Digitalveranstaltung sein?
Dietmar Koschmieder: Schon die vorhergehenden Konferenzen waren beides. Aber künftig wird die digitale Schiene eine viel wichtigere Rolle spielen. Das liegt auch daran, dass wir Streaming-Partner in der ganzen Welt gefunden haben, die unseren Livestream in Deutsch, Englisch oder Spanisch übernehmen und verbreiten. Die diesjährige Konferenz wird deshalb in den USA oder in Spanien, in Australien, Kuba oder Indien live mitzuverfolgen sein. Das würden wir in den kommenden Jahren gerne weiterentwickeln. Das direkte Zusammenkommen vieler Linker soll aber in Zukunft wieder im Mittelpunkt stehen.
Das Gespräch führte Markus Bernhardt
Die Rosa-Luxemburg-Konferenz findet am 9. Januar von 10.30 bis 20.00 Uhr online statt.
Das Programm wie den Livestream gibt es unter www.jungewelt.de/rlk
Jugendpodium
Das Jugendpodium der RLK beginnt um 12 Uhr zum Thema „Kampf der Jugend in Zeiten von Krise und Pandemie“. Die Wirtschaftskrise trifft weltweit die Jugend in besonderem Maße. Die Corona-Pandemie verstärkt die Angriffe auf die sozialen und demokratischen Rechte. Dagegen gibt es Widerstand, auf den Straßen, in den Betrieben und Schulen. Exemplarisch für diesen weltweiten Kampf diskutieren Jugendliche, wie hierzulande Kämpfe organisiert, gebündelt und verstetigt werden können, welche Rolle die revolutionäre Linke in diesen Abwehrkämpfen spielen muss und welche Perspektiven entstehen.
Es diskutieren: Roylan Tolay (DIDF-Jugend), Sascha Hevalski (North East Antifa Berlin), Erik Busse (Mitglied der Bundestarifkommission Öffentlicher Dienst, ver.di) und Leo Sierau (SDAJ), Moderation: Carolin Zottmann (SDAJ)