Die AfD oder auch „Alternative für Deutschland“ wurde 2013 aus Protest gegen die Euro-Politik der Regierung Merkel gegründet. Die neue Partei war eine Abspaltung von den „natürlichen“ Regierungs- und Hauptparteien des deutschen Kapitals, CDU, CSU und FDP. Wie die beachtliche finanzielle Unterstützung des Projekts ausweist, widerspiegelte die AfD, dass sich die herrschende Klasse selbst uneins war (und noch ist), mit welchen Mitteln die Kontrolle über die EU-Länder gefestigt und der Ausbau der EU zu einem eigenen Imperium bewerkstelligt werden sollen. Das Vorhaben ist durchaus schwierig. In den frühen Jahren der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) waren die Ziele noch bescheidener. Damals, in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, ging es erst darum, unter dem Dach eines Zoll- und Handelsverbundes die Absatzmöglichkeiten für Produkte aus Germany auszuweiten. Das Ende der Dollarbindung 1973, der Übergang der Angelsachsen zum Neoliberalismus und vor allem die Befreiung der Länder Osteuropas einschließlich der deutschen Perle DDR vom Joch des Sozialismus, all das eröffnete neue Perspektiven.
Allerdings wuchsen auch die Probleme. In der ersten Hälfte der Regierungszeit Helmut Kohls waren sich die Großbourgeoisie Westdeutschlands und ihre Regierung in Bonn noch sicher, gelegentlich Hilfszahlungen an schwächere EU-Länder leisten zu können. Das wurde nach DDR-Übernahme und mit der Installation des starken Euro für schwache mediterrane Staaten ganz anders. Die AfD wurde von Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel – einem früheren BDI-Präsidenten – und dem etablierten CDU-Mitglied Alexander Gauland gegründet, als Kanzlerin Merkel zunächst jede deutsche Hilfe für Griechenland ausschloss und kurz darauf ein riesiges Kreditprogramm der Eurostaaten organisierte. Die Gründer waren überzeugte Neoliberale. Sie hatten mit ihrer Position „Kein deutsches Geld für Griechen und andere faule Südländer“ nicht nur viele CDU-, CSU und FDP-Hinterbänkler im Bundestag auf ihrer Seite, sondern auch so wichtige Institutionen wie die Bild-Zeitung, die FAZ, das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung unter ihrem Präsidenten Hans-Werner Sinn und die Deutsche Bundesbank.
Sie alle mäkeln noch heute, dass die Rettung des Euro zu viel Geld gekostet hat und warnen mit guten Argumenten, dass es noch mehr werden dürfte. Aber dass sie sich – aus Opportunismus und/oder Staatsräson – der Regierungspolitik fügen, hat damit zu tun, dass Euro und EU zu den unveräußerlichen Essentials des deutschen Monopolkapitals gehören. Bis zur bald fälligen nächsten Finanz- und Eurokrise haben AfD, CDU-Hinterbänkler, FAZ und „Bild“ wegen fehlender Aktualität das Eurothema zurückgestellt. Dazwischen wurde die Migration als „Mutter aller Probleme“ (H. Seehofer) entdeckt. Diese Mutter hat der Abspaltung von der rechten Christenpartei mit Unterstützung aller im Bundestag vertretenen Parteien gehörigen Respekt verschafft. Die Kapitalistenklasse ist sich in der Migrationsfrage aber einig: Die Zufuhr von brauchbaren, billigen Arbeitskräften aus Osteuropa reicht fürs Erste. Die Migration aus dem Süden und Osten kann also locker begrenzt werden. Nur als Aufregerthema und Ablenkung von sozialen Fragen ist das Mutterproblem unverzichtbar.
Die Rechtsentwicklung im Land kann man ernsthaft nicht der AfD anlasten. Weder die Schuldenbremse, die Einschnürung von Sozialleistungen und Bildung, die Schaffung des Billiglohnsektors, die modernen Polizeigesetze, noch die Kriege im Ausland, die verstärkte Rüstung, das Verarmungsprogramm für Griechenland oder die Versenkung von Flüchtlingen im Mittelmeer sind ihr Werk. Sogar die Mordserie des NSU unter der Protektion des Inlandsgeheimdienstes fand statt, bevor es die AfD gab. Für Linke ist es deshalb nicht besonders klug, vor der hessischen Landtagswahl in Hessen und anderswo Demos unter dem Motto „Wir sind mehr“ oder „Unteilbar“ zu organisieren, bei der Grüne, SPD und leibhaftige Mitverantwortliche für die Rechtsentwicklung sich als Gegner der AfD zusammenzählen lassen.
Die AfD und ihre große Popularität sind unerfreulich. Aber sie sind nicht Ursache, sondern Produkt der Rechtsentwicklung.