Ende August bereiste Angela Merkel erneut Afrika. Offizieller Zweck ihrer Reise nach Senegal, Ghana und Nigeria waren Absprachen, wie sich die Migration nach Europa verringern ließe. Bei ihrer vorherigen Afrikareise hatte die Kanzlerin gedrängt, Routen durch Stacheldrahtzäune, Kontrollen und das Abfangen von Migranten auf nordafrikanischem Boden zu sperren. Diesmal ging es, wie es euphemistisch hieß, um die „Bekämpfung von Fluchtursachen“. Dazu brachte Merkel Unternehmer mit, die in Afrika investieren sollen, damit Jugendliche mehr Perspektiven in ihrer Heimat bekommen. Anreize will Berlin durch Investitionsförderung und Beispiele direkter Organisierung von Ausbildungsplätzen vor Ort schaffen. Erwähnt wurde ein Ausbildungsprojekt der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Senegal. VW kündigte an, in Ghana und Nigeria Montagewerke zu planen.
Merkel bat die gastgebenden Präsidenten, ihre Bürger von der Migration in die EU möglichst abzuhalten und die, die trotzdem durchkommen, schneller als bisher zurückzunehmen. Senegals Wirtschaft wächst derzeit mit 7 bis 8 Prozent jährlich. Über die Hälfte der Bürger sind unter 18. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent. China hat im Senegal auf Gebieten wie Elektrizität, Transport, Telekommunikation, Bildungs- und Gesundheitswesen viele Projekte mit angestoßen und ökonomische Aktivitäten auch in den Dörfern angeregt. Senegals Handel mit China beträgt 1,9 Mrd. Dollar. Mit der Bundesrepublik beläuft er sich auf 155 Mio. Ghana wächst laut „Spiegel online“ mit 8,4 Prozent noch schneller. Die chinesische „Global Times“ berichtet, dass 6 500 Ghanaer derzeit in China Medizin, Landwirtschaft, Softwareentwicklung studieren. Die laut Deutschem Akademischem Austauschdienst 700 jungen Leute aus Ghana, die es an deutschen Hochschulen gibt, müssen viel Geld mitbringen, um zugelassen zu werden.
Nigeria ist das bevölkerungsreichste und neben Südafrika wirtschaftsstärkste Land Afrikas. Haupteinnahmequelle ist das Öl, das der Staat in Joint Ventures mit Shell, Chevron, ExxonMobil, Total, Eni fördert. Seit Jahren gibt es Konflikte der Bevölkerung mit Shell wegen der Verseuchung des Nigerdeltas durch Öllecks. 2014 brach der Ölpreis im Gefolge der Krise ein und mit ihm das Wachstum. Im Norden Nigerias bekämpfen Militäreinheiten Nigerias, des Tschad, Nigers, Kameruns und Benins die islamistische Terrorgruppe Boko Haram. Auch während Merkels Besuch griff sie nigerianische Soldaten an. Nigerianer sind heute hinter Syrern und Irakern die drittgrößte Gruppe der in Deutschland Asylsuchenden. Während die Ölkonzerne Profite aus Nigeria ziehen und beitragen, dass die Korruption im Staatsapparat wuchert, hat die große Masse der Bevölkerung bisher nichts vom Ölreichtum des Landes.
Merkel bot nicht viel an in Afrika. Es ging bei der Reise weniger um die Entwicklung Afrikas als um Vorzeigeprojekte für die Heimatfront und darum, zögerliche deutsche Unternehmen rechtzeitig auf rasch wachsenden Märkten zu platzieren. Immerhin bewirken die chinesische Konkurrenz und der Migrationsdruck, dass auch die Bevölkerungen des Nordens die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung von Nord und Süd zunehmend als Problem wahrnehmen. Man schaut näher hin, wenn von vermeintlichen oder wirklichen Lösungen die Rede ist. Erst vor Kurzem erpresste die EU Ghana, ein neoliberales Wirtschafts-Partnerschafts-Abkommen (WPA) zu unterzeichnen, das Dumping-Exporte der EU erlaubt und Ghana den Schutz einer eigenen Industrie verwehrt. Inzwischen enthält die Berliner Koalitionsvereinbarung die Absichtserklärung, die WPA „daraufhin zu überprüfen, ob sie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung dienen“. Um im Kampf gegen Fluchtursachen, für Frieden und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung nicht nur auf dem Papier voran zu kommen, wird auch künftig Druck nötig sein.