Politischer Druck auf Linksfraktion isoliert Antimilitaristen

„Dieser Krieg ist eine Zäsur, auch für uns Linke“

Als der Bundestag am Sonntag zu seiner Sondersitzung wegen des Ukraine-Russland-Kriegs zusammenkommt, lastet großer Druck auf den Abgeordneten der Linksfraktion. Sie stellen sich als einzige gegen die massiven Aufrüstungspläne. Doch in der Rede der Fraktionsvorsitzenden und den Erklärungen einzelner Abgeordneter am Montag zeigt sich, dass die Ablehnung deutscher Waffenlieferungen zur Zerreißprobe für die Linkspartei wird.

Nach der Sondersitzung veröffentlichten die Abgeordneten Wagenknecht, Dagdelen, Pellmann, Hunko, Nastic, Ernst und Leye eine Erklärung, in der sie die vom Bundestag beschlossene „Generalermächtigung für Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine, die Entsendung deutscher Truppen an die russische Grenze und Sanktionen“ verurteilten. Sie stellen fest, dass der von der Bundesregierung vorgeschlagene Beschluss „den Beginn einer erneuten massiven Aufrüstung (bedeutet) und er begründet die Strategie der Abschreckung mit Atomwaffen der NATO in Europa. Der Antrag bedeutet die kritiklose Übernahme der vor allem von den USA in den letzten Jahren betriebenen Politik, die für die entstandene Situation maßgebliche Mitverantwortung trägt“.

Die Gruppe der Antimilitaristen aus der Linksfraktion kritisiert die beschlossene Aufrüstung und betont am Ende ihrer Erklärung: „Jetzt muss mit allen zur Verfügung stehenden diplomatischen Mitteln auf die russische Regierung eingewirkt werden, dass sie die internationalen Abkommen, Regelwerke und völkerrechtlich verbindlichen Verträge, die sie selbst unterschrieben hat und sich damit verpflichtet hat sie zu erfüllen, wieder beachtet und befolgt“. Voraussetzung dafür sei, „dass auch der Westen in Zukunft keine völkerrechtswidrigen Kriege mehr führt“, nicht weiter aufrüste und das Völkerrecht achte.

Solche Töne passen dem Außenpolitischen Sprecher der Fraktion gar nicht. Gregor Gysi, der am Sonntag selber nicht im Bundestag anwesend war, sah sich am Montag in der Pflicht, einen Brief an die sieben Abgeordneten zu formulieren, den der „Spiegel“ veröffentlichte. Gysi erklärt, dass sich seine Ablehnung von Waffenlieferungen aus der deutschen Geschichte ableite, nicht aber aus der politischen Haltung von Linken. Sonst wäre es ja konsequent „dass auch die Linken in Frankreich, in Großbritannien und überall gegenwärtig Waffenlieferungen an die Ukraine ausschließen sollten. Damit sprecht ihr der Ukraine faktisch ein Selbstverteidigungsrecht ab und seid indirekt dafür, dass sie nur die Chance zur bedingungslosen Kapitulation bekommt.“

Der Außenpolitische Sprecher begründet das Selbstverteidigungsrecht mit einem historischen Vergleich: „Selbstverständlich hatten alle Länder, die Hitler überfiel, das Recht sich zu wehren“ und hält den kritisierten Abgeordneten entgegen: „Ihr seid nur daran interessiert, eure alte Ideologie in jeder Hinsicht zu retten. Die NATO ist böse, die USA sind böse, die Bundesregierung ist böse, und damit Schluss für euch.“

Hier zeigt sich, worin wohl die größte Zäsur für die Linksfraktion droht: Dass die Grundfesten ihrer antimilitaristischen Haltung, die seit Jahren unter Beschuss und Kritik stehen, nun bei einem Teil ihrer Abgeordneten zur offenen Parteinahme für die NATO umschlägt. Im Brief vom Montag heißt es: „Putin hat unsere Position gegen eine Osterweiterung der NATO – was ihr nicht im Mindesten erkennt – insoweit widerlegt, als er die Ukraine nicht angegriffen hätte, wenn sie Mitglied der NATO gewesen wäre.“ Weiter zeigt er Verständnis für die aktuellen Initiativen für einen NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands.

Gysi selbst hatte seiner Fraktion vor der Sondersitzung nahegelegt, den Regierungsantrag mit einzubringen und im Plenum dafür zu stimmen. Die Geschichte sozialdemokratischer Fraktionen spaltet sich historisch eben an der Frage der Ablehnung oder der Unterstützung der Kriegspolitik der Herrschenden. Es ist zu begrüßen, dass die Linksfraktion dem Vorschlag ihres Außenpolitischen Sprechers nicht gefolgt ist.

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"„Dieser Krieg ist eine Zäsur, auch für uns Linke“", UZ vom 4. März 2022



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