In den Großstädten fehlen über 2 Millionen bezahlbare Wohnungen – DGB: Kommunale Träger stärken

Diese Renditen kann sich niemand leisten

Ist Wohnen eine Ware oder ein Menschenrecht? Diese Frage wird abhängig von der sozialen Lage unterschiedlich beantwortet. Während eine Mehrheit der Mieterinnen und Mieter sicherlich zu Letzterem tendiert, sehen die großen Wohnungsbaugesellschaften in Mietwohnungen vor allem lohnende Renditeobjekte.

Die Eigentumsverhältnisse scheinen ihnen Recht zu geben. Rund 80 Prozent der Mietwohnungen in Deutschland sind in privater Hand. In der Konsequenz gibt es ein großes Angebot im gehobenen Preissegment, während der Mangel an Sozialwohnungen immer größer wird. Den 25.000 neugebauten Sozialwohnungen stehen 70.000 Wohnungen gegenüber, die aus der Preisbindung gefallen sind. Jeden Tag gehen so mehr als 100 Sozialwohnungen verloren. In den 77 deutschen Großstädten fehlen inzwischen zwei Millionen bezahlbare Wohnungen.

Die Situation wird noch dadurch verschärft, dass mit dem rapiden Rückgang an Sozialwohnungen gleichzeitig die Anzahl derjenigen, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind, massiv steigt. Eine Studie des Pestel-Instituts im Auftrag der IG BAU hat aufgezeigt, dass im vergangenen Jahr 8,5 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland armutsgefährdet und auf eine preisgünstige Wohnung angewiesen sind. Das sind rund 10 Prozent mehr als noch 2012. Hier hilft auch die „Wohnungsbauoffensive“ aus dem Hause Seehofer wenig. Nach einer Studie im Auftrag des ARD-Magazins „Panorama“ können sich Durchschnittsverdiener mehr als 90 Prozent der Neubauwohnungen in den Großstädten nicht leisten.

Damit nicht nur neue, sondern vor allem auch bezahlbare Wohnungen entstehen, hat der DGB einen 6-Punkte-Plan erstellt. Ein erster Schritt wäre demnach die Auflegung eines Fonds durch den Bund, der Kommunen dabei unterstützt, eigene Wohnungsbaugesellschaften zu gründen oder sich an bestehenden kommunalen Wohnungsunternehmen zu beteiligen. Diese Gesellschaften bieten in der Regel vergleichsweise günstige Wohnungen an. Ein solcher Bundesbeteiligungsfonds würde die Eigenkapitalbasis der kommunalen Wohnungsunternehmen stärken. So könnten sich diese mehr als bisher im Neubau engagieren.

Der zweite Punkt des DGB-Plans sieht eine steuerliche Förderung von dauerhaft bezahlbaren Wohnungen vor. Bis 1990 gab es in der BRD Steuervergünstigungen für Wohnungsunternehmen, die sich verpflichtet hatten, ihre Wohnungen preisgedeckelt anzubieten und nur eine geringe Eigenkapitalrendite auszuschütten. In Österreich und den Niederlanden gibt es solche gemeinnützigen Wohnungsunternehmen nach wie vor. Sie leisten dort einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum.

Der Bund kann durch die Änderung des § 104 d des Grundgesetzes den Ländern Geld für die Förderung von Sozialwohnungen zur Verfügung stellen. Bislang stellt er dafür bis 2024 jährlich lediglich eine Milliarde Euro bereit. Das reicht bei weitem nicht aus, um das weitere Abschmelzen des Sozialwohnungsbestands zu verhindern. Nötig wären mindestens sieben Milliarden Euro pro Jahr, die zu gleichen Teilen von Bund und Ländern getragen werden sollten.

Des Weiteren fordert der DGB, die Anhebung der Abschreibungssätze im Mietwohnungsneubau dauerhaft von 2 auf 3 Prozent anzuheben und diese so mit den Abschreibungssätzen im Gewerbebau gleichzustellen.

Ein weiterer Schlüssel für den Bau bezahlbarer Wohnungen ist die Verfügbarkeit von günstigem Bauland. In den letzten zehn Jahren haben sich die Baulandpreise in den sieben größten Städten Deutschlands durchschnittlich fast verdreifacht. Neben einem preislimitierten kommunalen Vorkaufsrecht und sektoralen Bebauungsplänen wäre die Unterstützung des Bundes beim Aufbau kommunaler Bodenfonds sinnvoll. Letzteres wäre durch eine vorrangige Abgabe geeigneter Flächen aus dem Bundesvermögen an die Kommunen praktisch umsetzbar.

Ob die milliardenschweren Wohnungsbaukonzerne dieses Maßnahmenpaket unwidersprochen akzeptieren werden und eine den Kapitalinteressen verpflichtete Regierung dies umsetzt, darf bezweifelt werden. Zur Realisierung bedarf es daher gesellschaftlichen Drucks, damit die Mieten in Zukunft auch für Normal- und Geringverdiener wieder bezahlbar werden.

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"Diese Renditen kann sich niemand leisten", UZ vom 11. Juni 2021



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