Mesut Bayraktar zu besonders perfider Kriegspropaganda

„Die Zeit“ marschiert

Mesut Bayraktar

Wer im Endstadium des Kapitalismus für den Krieg trommelt, hat futuristische Mucken. So auch Nele Pollatschek von der Wochenzeitung „Die Zeit“. Sie fordert in ihrem Artikel vom 2. April, „den künstlichen Uteri in Angriff“ zu nehmen. Damit wäre auf einen Schlag der Befreiung der Frau und dem deutschen Militarismus gedient. Keine Knechtschaft mehr durch Geburten, kein Mangel mehr an Menschenmaterial. Die in Fabriken außerhalb von Frauenkörpern ausgetragenen und zu Super-Soldaten gezüchteten Kinder kann man dann auf alle Feinde der Freiheit und Demokratie loslassen.

Der neue Militarismus in Deutschland hat viele Kriegspropagandisten, vor allem bei der Frage nach „kriegstüchtigem“ Menschenmaterial. Mit jedem Wertzuwachs der Aktie von Rheinmetall & Co. verschärft sich das Personal-Dilemma der Bundeswehr. Jemand muss die Panzer steuern, jemand muss die Sturmgewehre abfeuern, jemand muss durch die Schützengraben waten. Jemand muss töten und getötet werden. Weder Armin Papperger noch Boris Pistorius oder Friedrich Merz, die den Krieg wollen müssen, werden an der Front verrecken. Das sollen die Söhne und Töchter der Arbeiterklasse besorgen.

Manche Kriegspropagandisten sind Offiziere a. D. in Uniform oder evangelische Theologen mit gutmütiger Miene. Andere laden jährlich in das Münchner Hotel Bayrischer Hof ein und plaudern von demokratischen Werten der NATO. Es gibt aber auch jene, die in linksliberalen Redaktionsräumen ihren Cappuccino schlürfen, bedeutungslose Bestseller-Manuskripte zusammenstückeln und im Feuilleton auf Feldherr machen. Zu ihnen gehört die „Zeit“-Autorin Nele Pollatschek. Einer Wehrpflicht für alle entgegnet sie in ihrem gleichnamigen Artikel mit „Frauen dienen längst“.

Aufgrund von Überalterung und einer Geburtenrate von 1,46 Kindern pro Frau würde eine Wehrpflicht für Frauen jene „im reproduktionsfähigen Alter“ an der Front verheizen. Das widerspreche „der Logik des Krieges“. Denn es wäre „entscheidend, dass Frauen Kinder bekommen. Im Krieg sterben Menschen. Damit die Nation fortbesteht, müssen diese Menschen primär Männer sein.“ Pollatschek geht es also weder um pazifistische Frauen noch um die Abwendung der Wehrpflicht oder gar die Ächtung von Krieg und die Verurteilung der Hochrüstung. Die junge „Zeit“-Autorin treibt eine demografische Sorge um. Es geht ihr um die nachhaltige Sicherstellung von Kanonenfutter und Schlachtopfern. Das ist nicht Dummheit. Das ist die bellizistische Lust am Militarismus hinter einem Schreibtisch.

Für Pollatschek ist die Mobilmachung eine Selbstverständlichkeit, nämlich damit „wir nicht in einem großrussischen Imperium aufwachen.“ Immer dieselbe billige Angstmache, um die Menschen zum Kälbermarsch zu treiben. Dass die territoriale Erweiterung der NATO als verlängerter Arm des US-Imperialismus weit in die postsowjetischen Länder vorgedrungen ist und dass der Krieg in der Ukraine sich durch die militärische Hilfe der EU und der USA zu einem grauenhaften Abnutzungskrieg vertieft hat, spielt für sie keine Rolle. Noch weniger scheinen sie die Zwangsrekrutierungen in der Ukraine oder die Klagen verwaister Mütter aus der ukrainischen und russischen Arbeiterklasse zu interessieren. Frieden ist keine Option.

Was die Staatsräson sagt, das übersetzt Pollatschek in „Die Zeit“, „weil wir freiheitlich-demokratisch beschließen, dass es im Ernstfall richtig ist, dass deutsche Söhne sterben, damit Deutschland leben kann.“ Wer aber „wir“ ist, dass die arbeitende Klasse weder „freiheitlich“ noch „demokratisch“ beschlossen hat, ihren Nachwuchs für die Kriege des deutschen Imperialismus und den Interessen der Bürgerlichen sterben zu lassen, dass die arbeitende Klasse vielmehr leben will und leben wird, das gehört zu der Verdrängungsleistung von „Zeit“-Autoren. So mordet ihr mit. Tut nicht so, als wärt ihr unschuldig.

In der Tat stört sich Pollatschek an einer Wehrpflicht für alle, wie sie etwa Joschka Fischer fordert. Frauen würden nicht nur die seit 2011 ausgesetzten sechs Monate Wehrpflicht der Männer bereits durch zehn Monate Schwangerschaft ableisten. Zudem „verbringen Mütter im Schnitt fast 15 Monate in Elternzeit, Väter nicht mal vier“. So schlussfolgert sie: Entweder Wehrpflicht für Frauen bei gesetzlicher Umverteilung der Elternzeit, oder gegen die Wehrpflicht der Frauen wegen „massiver Überalterung“. Wer so argumentiert, ist schon längst im Kriegsmodus. Ob auf diese oder andere Weise, Joschka Fischer wird es freuen, dass konformistische Rebellen im Namen von Frauenrechten aus der Reihe tanzen, um die Reihen für den „Ernstfall“ zu schließen. Das muss dieses feministische Dingsbumspolitik sein.

Wer weiß, vielleicht gründet Rheinmetall mit seinen Kriegsprofiten eines Tages Pollatschek zuliebe einen Produktionszweig für künstliche Uteri? Bis es so weit ist, kann sie weiter patriotische „Zeit“-Artikelchen im Interesse ihrer Klasse und bürgerlicher Frauen schreiben, die sich einen Dreck um meine Mutter und die Frauen aus der arbeitenden Klasse scheren.

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