Die 90er waren politisch geprägt von Niederlage und Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems. Das hatte in allen Bereichen umfassende Auswirkungen auf die Menschen, auch im nun um das Gebiet der DDR vergrößerten Deutschland. Die Propagandisten des Kapitals sprachen vom „Ende der Geschichte“ und meinten doch nur, dass niemals wieder eine sozialistische Perspektive über das kapitalistische Ausbeutungssystem hinausreichen darf.
In Deutschland traf die reaktionäre Wende alle Lebensbereiche. Außenpolitisch gab Bundeskanzler Kohl (CDU) 1991 die Richtung vor: „Deutschland hat mit seiner Geschichte abgeschlossen, es kann sich künftig offen zu seiner Weltmachtrolle bekennen und soll diese ausweiten.“ Auslandseinsätze deutscher Soldaten – zuvor undenkbar – wurden seitdem vorbereitet. Wie im Imperialismus üblich, ging Aggression nach außen mit Aggression nach innen einher. Faschistische Mordanschläge auf Asylsuchende und MigrantInnen, die Ausbreitung faschistischer Organisationen und Propaganda in die „neuen Bundesländer“, Berufsverbote und Verfolgung von Bürgern, die für Einrichtungen der DDR gearbeitet hatten und der Beginn der umfassendsten Angriffe auf die erkämpften demokratischen und sozialen Rechte seit 1945 sind nur wenige Stichworte.
In dieser Situation verloren viele mit der gesellschaftlichen Alternative des Sozialismus auch ihren Mut und die Zuversicht, politisch weiter kämpfen zu können. Sie zogen sich zurück ins Privatleben, nicht wenige wechselten die Seiten und wollten mit diesem veralteten Klassenkampf nichts mehr zu tun haben. Die SDAJ war damals ein wenig wie das berühmte gallische Dorf: Alle? Nicht alle!
Ein kleiner Kern der so vielen Mitglieder von früher war der Meinung, dass gerade unter den neuen Bedingungen ein revolutionärer Jugendverband, der in der Arbeiterklasse das revolutionäre Subjekt sieht, sich auf Marx, Engels und Lenin beruft, weiter mit der Kommunistischen Partei des Landes zusammenarbeitet und trotz Niederlage am Ziel einer sozialistischen Gesellschaft festhält, unbedingt erhalten werden musste. So hielten wir es auf dem außerordentlichen Bundeskongress 1990 und vor allem auf dem 11. Bundeskongress 1991 fest. Dieser arbeitete die Niederlage des Sozialismus und seiner Organisationen auf (wer erinnert sich an „Analysen und Aussagen der SDAJ“?), behandelte die Arbeit der SDAJ vor allem in den 80ern äußerst selbstkritisch und zog Schlussfolgerungen für die Zukunft, insbesondere was die Aktivierung der Mitglieder und die demokratische Organisation unserer Arbeit anging.
Bis 1993 kämpften wir um den Erhalt der SDAJ – kämpften gegen Schulden, die uns die „Erneuerer“ hinterlassen hatten. Wir retteten Buchbestände aus der FDJ-Jugendhochschule, um neue Mitglieder zu bilden, entwickelten eigene Formen, wie die heute noch beliebten, damals legendären „Sommerschulen“. Wir machten die „Position“ zur Zeitung der SDAJ und kämpften zusammen auch um den Erhalt der Partei. Wir nutzten jede Möglichkeit, die SDAJ in Aktivität zu führen. Dennoch schrumpfte die SDAJ immer weiter, da viele Aktive aus dem Jugendalter heraus waren und kaum neue gewonnen werden konnten.
Erst 1994 konnten wir beginnend mit der Kampagne „Widerstand gegen Rechts“ langsam Fahrt aufnehmen. Bis 1997 entwickelten wir wieder, wie wir es nannten, „ein Minimum an zentraler Tätigkeit“. Der „Nazipresseboykott“ wurde als Kampagne durchgeführt, in der wir Märkte und Zeitungsläden aufsuchten. Wir führten den Kampf gegen die Geschichtsrevision zum 8. Mai 1995 und besuchten zahlreiche Gedenkveranstaltungen in den ehemaligen Konzentrationslagern. Auch die Wiederbelebung der Forderung nach einem Lehrstellengesetz war damals wichtig. Diese Phasen des Erhalts und der Rekonstruktion unserer Tätigkeit ließen wir dann 1997 hinter uns.
Nicht nur Länder außerhalb Europas haben dem revolutionären Kuba viel zu verdanken. Die weltweite antiimperialistische Jugendbewegung und mit ihr die SDAJ haben durch die Bereitschaft Kubas, 1997 die 14. Weltfestspiele der Jugend und Studenten nach Havanna einzuladen, einen enormen Aufschwung erfahren. Wir starteten eine über ein Jahr dauernde Kampagne, um bei möglichst vielen Jugendlichen die Weltfestspiele, die antiimperialistischen Bewegung und das sozialistische Kuba bekannt zu machen. Wir stellten mit 95 Teilnehmenden (so viele wie die SDAJ 1993 Mitglieder hatte) den größten Teil der 450-köpfigen deutschen Delegation, hatten 10 000 Stück einer dreisprachigen Zeitung im UZ-Format nach Kuba mitgenommen, waren mit allen Mitgliedern in den Foren und Diskussionen vertreten.
Das war für die SDAJ der 90er die wirkliche Wende. Sie wurde auch durch die Unterstützung der DKP erreicht, in der die Begeisterung für die Idee der Weltfestspiele bis heute riesig ist. Wir hatten wieder Zuversicht und Schwung – und Zulauf von jungen Mitgliedern, die nicht mehr vor 1990 politisiert waren, sondern aus den Klassenwidersprüchen der damaligen Jahre die Notwendigkeit zum Widerstand sahen. Wir nahmen uns wieder viel vor, wie die Sammlung von 50 000 Dollar für die Ambulanz an der Universität von Matanzas, die wir 1999 zusammen mit kubanischen GenossInnen in drei Brigaden bauten.
Im Jahr 2000 schieden dann die letzten „Dinosaurier“ aus der SDAJ von vor 1989 aus. Die SDAJ stärkt sich seitdem als revolutionäre Selbstorganisation von Jugendlichen, die das Motto des Gründungskongresses beherrscht: „Gemeinsam sind wir unaufhaltsam!“ Unserer Unterstützung können sie dabei weiterhin sicher sein.