Auszug aus dem Referat der 7. Tagung des DKP-Parteivorstandes

Die Weltkriegsgefahr ist verdammt real

Am 8. und 9. Juni fand in der Karl-Liebknecht-Schule in Leverkusen die 7. Tagung des Parteivorstands der DKP statt. Wir dokumentieren an dieser Stelle – redaktionell gekürzt und bearbeitet – das dort vom Parteivorsitzenden Patrik Köbele gehaltene Referat.

Die Gefahr, dass der Krieg in der Ukraine sich räumlich ausdehnt, zu einem Dritten Weltkrieg wird oder dass es zum Einsatz von Atomwaffen kommt, ist verdammt real. Ich persönlich habe in meinem ganzen Leben noch nie so stark mit der Möglichkeit gerechnet, dass meine Heimat Kriegsschauplatz werden könnte. NATO, EU, Bundesregierung und ihre Handlanger in der Ukraine eskalieren in Permanenz. Die Gefahr, die von Anschlägen auf das Frühwarnsystem Russlands vor strategischen Waffen – also vor atomaren Langstreckenraketen – ausgeht, ist riesig. Denn ist Russland hier teilweise erblindet, muss das zwangsläufig die Bereitschaft erhöhen, Nuklearwaffen einzusetzen. Ob diese Anschläge seitens der Ukraine zuvor mit der NATO oder den USA abgestimmt waren oder ob sie sich mehr aus dem Willen zur Eskalation der Regierenden der Ukraine ergaben, ist egal – das Ergebnis ist das gleiche: Es führt uns noch näher an den Atomkrieg.

Aggressiv nach außen …

Die Entscheidung der Bundesregierung, dass der Einsatz deutscher Waffen nun auch gegen Ziele in Russland erlaubt wird, ist eine massive Eskalation. Die Gefahr, dass unser Land Kriegsschauplatz wird, steigt. Die Entscheidung hat eine historische Dimension und wird auch im Bewusstsein vieler Menschen in Russland die fürchterliche Erinnerung an den deutschen Überfall auf die So­wjet­union wecken.

Das war wieder einmal eine rote Linie, die überschritten wurde – und andere sind ja permanent in der Diskussion. Da geht es um die Übernahme der Luftüberwachung über dem Territorium der Ukraine durch Systeme, die auf NATO-Territorium stationiert sind. Diese würden damit logischerweise zu Zielen – die Eskalation wäre da. Da geht es um die direkte Entsendung von NATO-Truppen, hier prescht vor allem Emmanuel Macron immer wieder vor und bekommt dafür den Friedenspreis in Münster – welch eine Perversion. Offensichtlich spiegelt sich hier auch der Konkurrenzkampf zwischen dem deutschen und dem französischen Imperialismus um die Führungsrolle in der EU wider.

… und reaktionär nach innen

Die Massen zahlen und die Herrschenden sprechen es offen aus. Olaf Scholz, Robert Habeck, Christian Lindner und Boris Pistorius: Überall wird gekürzt, nur bei der Rüstung und bei Waffenlieferungen nicht. Die FDP und die Grünen machen dabei in der Regel den Vorstoß, sie müssen auf ihre Klientel keine Rücksicht nehmen. Die SPD macht auch hier kurz in Zögern – die Gewerkschaften müssen an Bord bleiben –, um dann umzufallen. Bei den sozialen Angriffen sind CDU und AfD in der Regel im Boot.

Gleichzeitig setzt sich der reaktionär-militaristische Staatsumbau massiv fort – er ist in allen Bereichen zu spüren. Dazu gehören auch die eingegangenen Partnerschaften von Borussia Dortmund und der Düsseldorfer EG mit Rheinmetall. BVB-Chef Hans-Joachim Watzke spricht ganz offen aus, dass diese Militarisierung des Fußballs eine bewusste Strategie ist, um das, was er „Verteidigung und Sicherheit“ nennt, reinzuwaschen. Wir alle hatten große Sympathie mit den Fußballfans, als sie gegen die weitere Kommerzialisierung mit trickreichen Aktionen protestierten – das wäre jetzt in Dortmund sehr angebracht.

Angriff auf Grund­gesetz …

Zum reaktionär-militaristischen Staatsumbau gehört nun, nach dem Verbot des Palästina-Kongresses und der neuerlichen Verbotsorgie am 8. und 9. Mai in Berlin – ihr habt alle mitbekommen, dass selbst das Titelbild der „jungen Welt“ mit dem berühmten Foto des Rotarmisten, der die Sowjetfahne hisst, verboten wurde –, auch das Verbot der Palästina-Solidarität Duisburg. Dieses Verbot ist skandalös und seine Begründung ist skandalös und lügnerisch. Es geht aber noch weiter: Auf Basis des Verbots wurde einem Aktivisten mehrfach verboten, an erlaubten Kundgebungen der Palästina-Solidarität teilzunehmen – auch das ist eine neue Qualität des Angriffs auf demokratische Grundrechte. All das im 75. Jahr der Verabschiedung des Grundgesetzes – auch zu diesem Jahrestag haben wir in einem Video deutlich Stellung bezogen.

… und Völkerrecht

Währenddessen bombardiert Israel in Rafah, setzt sich über einen Spruch des Internationalen Gerichtshofs (IGH) hinweg, trifft ein Flüchtlingslager – die Bundesregierung und Annalena Baer­bock heucheln bestenfalls Betroffenheit.
Die antisowjetische Komponente hat zusätzlich einen ideologischen Hintergrund: Der Völkermord der deutschen Faschisten wird auf die industrielle Vernichtung der Juden, die Schoah – ein singuläres Verbrechen – reduziert, der Völkermord an 27 Millionen Sowjetbürgern, darunter die mörderische Blockade Leningrads, soll in Vergessenheit geraten. Deswegen wird jetzt auch der D-Day, also die späte Eröffnung der zweiten Front im Westen, zum Beginn der Befreiung gemacht – der Kampf der Roten Armee soll vergessen werden.

Es gibt hinsichtlich des Krieges in der Ukraine derzeit wenig Hoffnung auf Frieden. Die geplante Konferenz in der Schweiz ist reine Show – eine Friedenskonferenz, zu der Russland noch nicht einmal eingeladen ist, ist keine. Auf Frieden ausgerichtete diplomatische Anstrengungen gehen weder von Deutschland noch von der EU oder der NATO aus. Für reale Hoffnung stehen derzeit vor allem die Bemühungen der VR China und Brasiliens.

Wir haben mehrfach betont, dass der Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“ eine gute Grundlage für den notwendigen Kampf um Friedenspositionen darstellt. Wir begrüßen es sehr, dass die Landesdelegiertenkonferenz der GEW in Berlin sich dem Aufruf angeschlossen hat – das ist ein Beispiel, von denen wir mehr brauchen.

Geschichtsklitterung

Die Herrschenden versuchen den Antifaschismus und auch das antifaschistische Bewusstsein vieler Menschen zu instrumentalisieren, um die Politik der Kriegstreiber zu legitimieren. Das wurde im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg noch einmal verschärft, indem jegliche Kritik am völkermörderischen Vorgehens Israels mit dem Antisemitismus-Vorwurf belegt wird. Das geht an der antifaschistischen Bewegung nicht spurlos vorüber – es geht um die Frage: „Was ist Antifaschismus heute?“

Ende dieses Monats, vom 28. bis zum 30. Juni, soll in der Essener Grugahalle der AfD-Parteitag stattfinden. Es sind vielfältige Gegenaktionen geplant. Unsere Bewertung der AfD ist klar: Sie ist eine rassistisch-nationalistische Kraft mit einem starken faschistischen Teil. Sie hat jeden Protest verdient. Gleichzeitig hat sie die Rolle, Protest und Widersprüche, die sich aus den Angriffen und der Kriegstreiberei von CDU und Ampel ergeben, aufzusaugen und in eine nationalistisch-rassistische Richtung zu desorientieren. Natürlich beteiligen wir uns an den Protesten, obwohl wir gleichzeitig erkennen, wie diese zur Integration in die Politik von CDU und Ampel missbraucht werden. Die Kriegstreiberei soll keine Rolle spielen, ebenso wie die Frage, wo die AfD herkommt und wessen Politik sie immer wieder nährt. Deshalb beteiligen wir uns mit unseren Inhalten – mit „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“, mit dem Antifa-Info, mit der UZ, mit unseren Transparenten – an den Aktionen. Treffpunkt für alle, die nicht bereits in ihren Bündnisstrukturen eingebunden sind, ist am Samstag, dem 29. Juni um 9:00 Uhr am und im Haus der DKP, Hoffnungstraße 18 in Essen.


Die Referate und Beschlüsse der PV-Tagungen sind in „DKP-Intern“ nachlesbar und im Mitgliederbereich von dkp.de abrufbar.


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"Die Weltkriegsgefahr ist verdammt real", UZ vom 21. Juni 2024



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