Mahnwache gegen die Werbung der Bundeswehr auf der Kieler Woche

Die „Verunglimpfung“ der Nationalflagge

Von Siglinde/UZ

Auf der Kieler Woche stand auch in diesem Jahr wieder auf einer Fläche von 16 mal 4 Metern der „Karriere-Truck“ der Bundeswehr. Dagegen protestieren an zwei Tagen Mitglieder der DFG-VK (Landesverband Hamburg-Schleswig-Holstein), von Attac, der Friedenswerkstatt Kiel, der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend und der Linksjugend [’solid] sowie auch Menschen, die keiner Organisation angehören, mit einer Mahnwache.

Während der Bundeswehr ausreichend Platz von den Organisatoren der Kieler Woche und der Stadtverwaltung eingeräumt wurde, musste die Mahnwache mit 3 mal 3 Metern neben der Bundeswehr vorlieb nehmen, die aber gar nicht vorhanden waren, weil da schon der nächste Stand war. Als kompromissbereite und gewaltfreie Antimilitaristinnen und Antimilitaristen einigten wir uns mit den Soldaten der Bundeswehr darauf, die Mahnwache gegenüber auf der Wasserseite aufzubauen. Dennoch wurden wir immer wieder schikaniert, bedroht und räumlich eingeschränkt. Soldaten ärgerten sich sehr darüber, dass wir die Besucherinnen und Besucher der „Kieler Woche“ für Frieden und Abrüstung interessieren konnten. Bei unserer Mahnwache hatten wir einen Sarg dabei, auf dem lag ein Stahlhelm und eine Deutschlandfahne, und mit einem Schriftzug wurde zum „Probeliegen für zukünftige Bundeswehrsoldatinnen und Soldaten“ eingeladen. Viele freuten sich darüber, dass wir die offensive Werbung für den Krieg nicht unwidersprochen hinnehmen. Wir setzten uns gewaltfrei mit den Soldaten und dem privaten Sicherheitsdienst der Bundeswehr, der zu deren Schutz da war, auseinander und betrachteten die Konfrontation als praktische Übung für gewaltfreie Konfliktaustragung.

Am zweiten Tag der Mahnwache führten Mitglieder der SDAJ und von [solid] eine spontane Kundgebung vor dem „Karrrriere-Truck“ der Bundeswehr durch. Sie riefen „Bundeswehr raus aus den Schulen, den Job-Centern und Universitäten“, „Bundeswhr raus aus anderen Ländern“ und „Bundeswehr abschaffen“, zeigten Transparente mit antimilitaristischen Forderungen und verteilten Flugblätter. Eine junge Frau legte sich als „blutbefleckte Leiche“ vor den „Karriere-Truck“. Sie wurde bedroht und belästigt.

Schnell standen über 20 Polizeibeamtinnen und -beamte vor dem Karriere-Truck, um die anwesenden sechs Soldaten vor den Flugblättern und Transparenten zu beschützen. Sie blockierten damit eineinhalb Stunden – auch für eventuelle Interessenten – den Zugang zum „Karriere-Truck“.

Besucherinnen und Besucher der Kieler Woche wunderten sich immer wieder über das Polizeiaufgebot, für das sie keinen Anlass erkennen konnten, denn „friedlicher als ihr kann man ja gar nicht mehr sein“, war der Kommentar einer Besucherin. „Ich bin schon sehr entsetzt über deren Demokratieverständnis, was die Meinung anderer betrifft und möchte gar nicht wissen, wie die sich bei ihren Auslandseinsätzen so aufführen“, meinte ein Besucher der Kieler Woche. „Es kann doch nicht angehen, dass die sich von der Polizei vor friedlichen Demonstranten beschützen lassen, wo sie doch angeblich uns beschützen wollen“. Davon konnten wir mit unserem Anliegen „Bundeswehr abschaffen“ gut profitieren.

Die Polizeibeamtinnen und -beamten diskutierten mit dem Mitarbeiter der Stadt Kiel, der für die Genehmigung der Mahnwache zuständig gewesen war, und den Soldaten der Bundeswehr, wie sie gegen die Mahnwache und die Spontandemo vorgehen könnten. Da ist ihnen wohl nichts anderes als der Vorwurf „Verunglimpfung“ der deutschen Nationalflagge als Demonstrationsobjekt auf dem Sarg eingefallen. § 90a StGB lautet: „Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften … die Farben, die Flagge, das Wappen oder dir Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Das war für fast alle, die es mitbekommen haben, eine große Lachnummer:

Im nächsten Jahr werden wir während der Kieler Woche jeden Tag eine Mahnwache durchführen, weil es allen soviel Spaß gemacht hat und wir für unser Anliegen „Bundeswehr abschaffen“ erfolgreich werben konnten.

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"Die „Verunglimpfung“ der Nationalflagge", UZ vom 1. Juli 2016



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