Zum Umgang mit Artikel 51 der UN-Charta

Die USA dürfen das

Das Leben kann so einfach sein. Ein US-Präsident beschließt einen Angriff – zum Beispiel am 23. August auf Gebiete in Syrien – und wenn jemand fragt „Warum denn das?“ muss er nicht lange nachdenken. Selbstverständlich ist so ein Angriff immer zurückhaltend, angemessen und reine Selbstverteidigung. Er dient, so Biden, dem Schutz der US-Bürger im In- und Ausland und ist – das versteht sich von selbst – ganz im Sinne des Artikels 51 der UN-Charta, der Staaten das Recht auf Selbstverteidigung gibt.

Aber hey! Nie ging ein Angriff auf die USA von syrischem Boden aus und wenn US-Bürger in Syrien angegriffen werden – wie im Stützpunkt al-Tanf an der Grenze zu Jordanien oder bei den Ölfeldern im Norden –, dann sind sie immer in Uniform dort und als Besatzungstruppen und illegal.

Und dennoch wird Biden nicht ausgelacht, wenn er vom Artikel 51 spricht, sondern alle wiegen bedächtig das Haupt, ernsthaft bemüht, die Tiefe der Gefahr zu erfassen. Wenn aber die syrische Regierung eine Protestnote wegen der Angriffe der USA oder Israels – zum Beispiel Israels Angriff auf den Zivilflughafen von Damaskus – an den Generalsekretär der UN schreibt, so ist das Schicksal der Proteste vorherbestimmt. Irgendwo in den Tiefen der Archive, zwischen zehntausenden Metern von Regalen mit staubbedeckten Aktenordnern werden sie abgeheftet. Aufbewahrt für alle Zeiten – und nie gelesen.

Artikel 51 oder syrische Protestnoten hin oder her – es ist doch ganz einfach. Angriffe der USA und vor allem Israels zielen immer wieder auf „Iraner“, Biden sprach von „Kräften, die vom Iran unterstützt werden“. Iranisches Militär – auf Einladung der syrischen Regierung – in Syrien: das sind völlig fraglos „legale“ Ziele für Israel und USA.

In der Hybris des Westens haben weder Syrien noch Iran das Recht auf Selbstverteidigung, Artikel 51 gilt nur für den Westen selbst. „Iranische Ziele“ anzugreifen ist für den Westen in sich legal und bedarf keiner weiteren Begründung. Auch nur nach einer Begründung zu fragen ist verfemt. Der Hochmut des Westens ist Ausdruck zutiefst kolonialen und rassistischen Denkens. Das bietet viel Raum für den Kampf gegen Krieg, Rassismus und koloniales Denken – heute.

Und das Leben ist doch nicht so einfach. In Syrien die Ziele nicht erreicht, aus Afghanistan geflohen, aus Mali vertrieben: Hochmut kommt vor dem Fall.

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"Die USA dürfen das", UZ vom 2. September 2022



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