„Die Leute sagen, dass man nach seinem Tod entweder in den Himmel oder in die Hölle kommt, aber ich glaube das nicht. Dieser Tag war die Hölle.“ So schildert Hiroko Tasaka, damals ein 13-jähriges Schulmädchen, den Tag, an dem Tod und Verderben über die zivile Bevölkerung ihrer Heimat kamen. Am 6. August 1945 um 8:16 Uhr standen plötzlich die Uhren in der japanischen Stadt Hiroshima still. In 600 Metern Höhe über der Innenstadt explodierte eine Atombombe, der wie zum Hohn der Name „Little Boy“ verliehen worden war.
Die Detonationswelle der Bombe zerstörte 80 Prozent der Innenstadt komplett. Der folgende Feuersturm vernichtete elf Quadratkilometer der Stadtfläche. Der Atompilz stieg bis in eine Höhe von 13 Kilometern. Hoch kontaminiertes Material ging als radioaktiver Niederschlag (Fallout) auf die Umgebung nieder. Menschen, die sich im Stadtkern aufhielten, verdampften. Noch einen Kilometer vom Zentrum der Explosion entfernt war die Energie so groß, dass sie Schattenrisse von Personen in Hauswände brannte. In einem Umkreis von 500 Metern tötete die Druck- und anschließende Hitzewelle 90 Prozent der Menschen. In einem Umkreis von bis zu einem Kilometer starben immer noch fast zwei Drittel der Menschen sofort. Etliche verbluteten in den Tagen danach an inneren Verletzungen, die durch die radioaktive Strahlung verursacht wurden.
Drei Tage später warfen die USA die zweite Atombombe über Nagasaki ab.
Über die Zahl der Toten, Verstümmelten, Verbrannten, Verletzten und Verstrahlten gibt es bis heute keine verlässlichen Angaben. Die häufig genannten 200.000 Opfer allein für Hiroshima sind wohl nur die Untergrenze. Das Sterben dauerte Jahrzehnte – und die Spätfolgen sind noch immer sichtbar. Es gab für diesen Akt der Zerstörung keine militärische Notwendigkeit – Ziel war die Vernichtung der dort befindlichen Zivilbevölkerung, verbunden mit einer Drohung und Machtdemonstration gegen die Sowjetunion.
91 Atombomben auf Berlin
Wie berauscht vom „Erfolg“ dieser Massenvernichtungswaffe gingen die USA nach dieser grausamen Tat dazu über, gegen die Sowjetunion ein Vernichtungsszenario zu erstellen. Im Plan des „Strategic Air Command“ (SAC) von 1956 wurden über 2.300 Ziele – vor allem große Städte – aufgelistet, die für eine „systematische Zerstörung“ vorgesehen waren. Nicht nur die Sowjetunion war im Fadenkreuz – ebenso standen Ziele in den Warschauer-Vertrags-Staaten und in China auf der Liste. Dazu gehörte auch die Hauptstadt der DDR. Sie sollte im Ernstfall „systematisch zerstört“ und dabei gezielt die „Bevölkerung“ vernichtet werden. 91 Ziele allein in Berlin sollten mit Atombomben getroffen werden. Die damit einhergehende Zerstörung nicht nur Westberlins wurde akzeptiert. Die laut SAC-Plan vorgesehenen Atombomben waren weit gewaltiger als jene von Hiroshima und Nagasaki. Sie sollten eine Sprengkraft zwischen 1,7 und 9 Megatonnen haben – die Hiroshima-Bombe hatte eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen. Hier bestätigt sich der zynische Ausspruch des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger: „Ein Feind Amerikas zu sein, kann gefährlich sein, aber ein Freund zu sein, ist fatal.”
In den 1980er-Jahren wurden die Pläne der US-Regierung bekannt, strategisch wichtige Gebiete in der BRD atomar zu verminen und gegebenenfalls zu verseuchen. Vorgesehen war, im Raum zwischen Kassel, Frankfurt und Erfurt sowie im Kinzigtal 141 atomare Minen in dafür vorgesehenen Schächten zur Explosion zu bringen. Im Dezember 1983 versiegelten Friedensaktivisten die rund 200 militärischen Sprengschächte auf Straßen und Brücken in Osthessen mit Beton, um sie unbrauchbar zu machen.
Und heute?
Es gibt reichlich seriöse Untersuchungen und Simulationen der Folgen eines Atomkriegs – die Ergebnisse sind deckungsgleich. Nur wenige Menschen würden überleben, viele langsam und qualvoll dahinsiechen. Ein „begrenzter“ Atomschlag der USA und der NATO gegen Ziele in Russland würde schlagartig in ein unvorstellbares atomares Inferno umschlagen und die Menschheit weitgehend dezimieren. Die schwarze Asche und der Rauch, die in die Atmosphäre aufstiegen, würden den Planeten bis zu zehn Jahre lang von der Sonnenwärme abschirmen. Die Menschen würden durch Explosionen, Strahlung und insbesondere folgende Dürre- und Hungerkatastrophen elend zugrunde gehen. Besonders die Bevölkerung Europas, Russlands, Chinas und Nordamerikas wäre betroffen.
Eindrucksvoll hat der Arzt Ralf Urban (Internationale Ärztinnen für die Verhütung des Atomkriegs – Ärztinnen in sozialer Verantwortung – IPPNW) für Hamburg die hoffnungslose Situation beim Einschlag einer Atombombe geschildert: „Wir Ärztinnen und Ärzte werden euch nicht helfen können!“ Es gäbe keine Ärzte, Krankenpfleger oder Krankenhäuser mehr.
Die Atomkriegsgefahr spitzt sich dramatisch zu. Die USA haben in den letzten Jahren fast alle relevanten Abrüstungs- und Kontrollverträge einseitig aufgekündigt. Beim jüngsten NATO-Treffen in Vilnius wurde der Vertrag über das Verbot von Atomwaffen erneut als unvereinbar mit der NATO-Strategie bestätigt. Die USA beschleunigen die Modernisierung ihrer in Europa stationierten taktischen Atomwaffen. Der deutsche Luftwaffengeneral Ingo Gerhartz, der den spontanen Jagdfliegereinsatz bis an die Grenze Russlands „ohne Vorwarnung“ propagiert, erklärte, man brauche „sowohl die Mittel als auch den politischen Willen, die nukleare Abschreckung nötigenfalls umzusetzen“.
Wer von einem „begrenzten“ Atomschlag faselt, ist eine Bedrohung für die Menschheit. Die chinesische Zeitung „Global Times“ schrieb jüngst: Die „NATO [hat] das Etikett kriminelle Organisation verdient. (…) Unterm Strich haben die NATO-Streitkräfte seit den 1990er-Jahren Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, aber heute ist es wichtig, dass die Weltöffentlichkeit die NATO als Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der Menschheit erkennt. Ihre Serienprovokationen stellen die größte Gefahr für unser Überleben als Spezies dar.“ Im Gegensatz zu den USA und der NATO lehnen China wie Russland prinzipiell die Option eines atomaren Erstschlags ab. Diese Position vertreten sie konsequent gegenüber allen Staaten.
Die sogenannte Doomsday-Uhr, die symbolisch vor dem Weltuntergang durch einen Atomkrieg warnt, ist auf 90 Sekunden vor Mitternacht vorgerückt. Erwähnt werden muss, dass eine atomare Katastrophe nicht nur durch einen bewussten Angriffsakt entsteht. Irrtümer und Fehleinschätzungen führten die Menschheit bereits mehrmals an den Rand einer Katastrophe. Früher gab es jedoch aufgrund größerer räumlicher Distanzen und somit längerer Vorwarnzeiten noch die Möglichkeit, diese zu verhindern. Heute wird dies durch immer schnellere Raketen, die direkt an der russischen und perspektivisch auch der chinesischen Grenze aufgestellt werden, obsolet. Der russische Präsident Wladimir Putin umschrieb dies mit den Worten, man „spüre das Messer am Hals“. Der US-Friedensrat erklärte unmissverständlich: „Der Erfolg der NATO bei ihren Bemühungen, bis zur ukrainisch-russischen Grenze vorzudringen, würde eine höllische Welt schaffen und die Möglichkeit eines Atomkriegs nach sich ziehen.“
Die USA und die NATO fordern die atomare Katastrophe heraus. Es geht um nichts weniger als um das Überleben der Menschheit.
Das kleine tote Mädchen
Nâzim Hikmet
Ich klopf an deiner Türe an,
– bei wie viel Türen ich schon war! –
wenn mich auch keiner sehen kann;
denn die Toten sind unsichtbar.
Ich lebte in Hiroshima
Das ist zehn Jahre her
Jetzt bleib ich für immer sieben Jahr‘
Tote Kinder wachsen nicht mehr.
Zuerst fing das Feuer mein Haar,
dann sind mir die Augen verbrannt,
die Hände, mein Blut ist verdampf t.
Bis ich nur mehr Asche war.
Nichts Liebes mehr tun könnt ihr mir.
Nichts, nichts. Ihr müsst bedenken,
ein Kind ist verbrannt wie Papier.
Ihr könnt ihm nichts mehr schenken.
Leis’ klopf ich an eure Türen
Gebt mir eure Unterschrift
Dass es nie mehr Kinder trifft,
dass nie mehr Kinder verbrennen,
und dass sie Bonbons essen können.