UZ-Serie „100 Jahre Sowjetunion“ – Teil 4

Die UdSSR am Vorabend des Zweiten Weltkriegs

Mit diesem Beitrag setzen wir die Serie „100 Jahre Sowjetunion“ fort. In 14-tägigem Abstand führt uns der Autor durch die sieben Jahrzehnte währende Geschichte des ersten sozialistischen Staates. Heute geht es um den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag vom August 1939. Teil 5 folgt in der Ausgabe vom 17. Februar 2023.

Die Sowjetunion hatte sich nach zwei Jahrzehnten ihrer Existenz zum Vorbild für Millionen von Werktätigen und zum Haupthindernis für die Verwirklichung der Ziele imperialistischer Milliardäre entwickelt. Vor allem war sie die Hauptkraft im Widerstand gegen das Streben des faschistischen Deutschland nach Weltherrschaft.

Die militärische Aggression Deutschlands und seiner Verbündeten mit dem Ziel der Besetzung und Zerschlagung der UdSSR, der Ausplünderung ihres Territoriums und der Ausrottung ihrer Bevölkerung begann am 22. Juni 1941.

Seinen Anfang genommen hatte der Zweite Weltkrieg schon am 1. September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen. Die kapitalistische Welt fand nicht die Kraft, die faschistische Kriegsmaschine zum Stehen zu bringen. In kurzer Zeit besetzte Deutschland fast alle kapitalistischen Länder in Europa und vergrößerte damit sein militärisch-ökonomisches Potenzial bedeutend.

Vor Kriegsbeginn hatte das Verhalten Britanniens und Frankreichs wesentlich dazu beigetragen, dass Deutschland seine Pläne umsetzen konnte. Mit dem Münchner Abkommen vom September 1938, das die Politik Deutschlands begünstigte und ihm freie Hand in Osteuropa ließ, war bereits klar geworden, dass die UdSSR von den Westmächten keine Unterstützung zu erwarten hatte. Dennoch bemühte sie sich weiterhin um ein Bündnis mit ihnen – letztlich vergeblich.

International also weitgehend isoliert, sah sich die UdSSR – um Zeit zu gewinnen und den Beginn des unvermeidbaren Krieges hinauszuschieben – gezwungen, im August 1939 mit Deutschland einen Nichtangriffsvertrag abzuschließen, mit dem sie unter anderem auch ihre Grenze weiter nach Westen verlegte. Sie strebte damit sowohl eine Verbesserung ihrer strategischen Position als auch die Wiederherstellung der Grenzen Russlands von 1914 an.

Die deutsche Strategie beschrieb Adolf Hitler am 23. November 1939 so: „Ich habe lange gezweifelt, ob ich erst im Osten und dann im Westen losschlagen sollte (…) Zwangsläufig wurde entschieden, dass der Osten (gemeint: Polen – A. L.) zunächst zum Ausfall gebracht werde (…) Außerdem haben wir den Vertrag mit Russland. Verträge werden aber nur so lange gehalten, wie sie zweckmäßig sind. (…) Wir können Russland nur entgegentreten, wenn wir im Westen frei sind.“ Hinzu kam noch, dass nach Aussage von Admiral Wilhelm Canaris, Chef der Abwehr der deutschen Wehrmacht, „Hitler und Himmler, aber auch Teile der Generalität“ die Ansicht vertraten, „das sowjetische System könne nach wirksamen militärischen Rückschlägen von innen heraus zerbrochen werden“ – eine, wie wir heute wissen, illusionäre Spekulation.

Die Führung der UdSSR setzte darauf, dass Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Vertrag einhalten werde. Die sowjetische Außenpolitik hatte das Ziel, dem Land so lange wie möglich den Frieden zu erhalten und der Ausbreitung des Krieges und der faschistischen Aggression entgegenzuwirken. Sie wollte internationale Bedingungen schaffen, die einerseits die Bildung einer antifaschistischen Koalition sichern sollten und die andererseits Deutschland beim Angriff auf die UdSSR seiner eventuellen Verbündeten berauben mussten. Der mögliche Zusammenschluss zweier feindlicher imperialistischer Koalitionen für einen gemeinsamen Angriff auf die UdSSR wurde vereitelt. Stattdessen kam es später zur Bildung der Antihitlerkoalition. Die Einhaltung der Bedingungen des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags seitens der UdSSR hatte auch die Absicht der Faschisten durchkreuzt, den wortbrüchigen Überfall Deutschlands als einen Präventivkrieg hinzustellen.

Die UdSSR nutzte die gewonnene Zeit zur weiteren Entwicklung ihres ökonomischen Potenzials. Auf vielen Gebieten der Volkswirtschaft und der Kultur hatte sie den großen Rückstand gegenüber der Mehrzahl der kapitalistischen Länder bereits verringert oder aufgeholt. Nunmehr wurden die industriellen Kapazitäten im Osten aufgebaut, die dann während der Kriegsjahre für die Rüstungsproduktion von großer Bedeutung waren.

In den 1930er Jahren erlebte die UdSSR einen enormen, vom Volk getragenen materiellen und kulturellen Aufschwung. Das Land erzielte Beachtliches beim Aufbau einer von Ausbeutung und Profitgier freien Gesellschaft und bewies sich als Pionier des gesellschaftlichen Fortschritts. So wurden die Voraussetzungen geschaffen, um im Krieg entscheidend zur Rettung der menschlichen Zivilisation vor dem Absturz in die faschistische Barbarei beizutragen.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Die UdSSR am Vorabend des Zweiten Weltkriegs", UZ vom 3. Februar 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flugzeug.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit