„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ – es soll Maximilien Robespierre gewesen sein, der das Ziel der Französischen Revolution in die berühmte Losung fasste. Karl Marx schrieb vom „riesigen Besen der französischen Revolution“, der die „Trümmer vergangner Zeiten“ wegfegte und den „gesellschaftlichen Boden“ von den Hindernissen reinigte, die der neuen, bürgerlichen Gesellschaft im Wege gestanden hatten.
Vor 230 Jahren begann diese Revolution, das Symbol dafür ist, dass das Pariser Volk am 14. Juli 1789 die Bastille stürmte, Gefängnis und Festung der alten Ordnung. Es war das Volk, die Sansculottes, die die Revolution vorantrieben und gegen ihre Feinde verteidigten. Es sollten die Bürger sein, denen die Revolution die uneingeschränkte Freiheit der Ausbeutung brachte.
Robespierre, der unbestechliche Vollstrecker, Führer der radikalen Partei der Jakobiner, rettete die Revolution durch den Terror und entfremdete sie durch den Terror von denen, die sie hätten weitertreiben können. Was für Revolutionäre zu lernen bleibt, fragte der kommunistische Liedermacher Franz-Josef Degenhardt (1931–2011) in seiner „Moritat von dem Revolutionär Robespierre“, die nicht auf Tonträger erschienen ist.
Liberté, Egalité, Fraternité.
Zerschlagen ist der Stand von Gottes Gnaden.
Liberté, Egalité, Fraternité.
An die Laternen die Aristokraten!
Verflucht zur Hölle mit Altar und Thron!
Schluss mit Parieren, Beten und Almosen!
Es lebe lang die Revolution!
An die Gewehre, Bürger und Franzosen!
14. Juli 1789: Sturm auf die Bastille. Sieg der Konstitution über den Absolutismus.
August 1792: Sturm auf die Tuilerien. Absetzung Ludwig XVI., Königs von Frankreich. Hinrichtung Januar 1793. Sieg der Republik über die Monarchie. Das reaktionäre Europa schlottert vor Angst. Man flüstert Namen: Barras, Danton, Marat. Und leiser noch: ROBESPIERRE.
Das ist Maximilien Robespierre.
Der Unbestechliche, so nennen ihn die Leute.
Bis jetzt verflucht und fürchtet ihn nurmehr
die konterrevolutionäre Meute.
Und noch verehren ihn die Sansculottes,
den Feind der Reichen, Parasiten, Schranzen.
Doch bald, im Thermidor, um das Schafott
wird ganz Paris im Freudentaumel tanzen.
Robespierre wurde 36 Jahre alt. Geschichte hat er nur drei Jahre lang gemacht. Biografie bis 1791: Kleinbürgerschicksal in der Provinz. Fastwaise, arm und guter Schüler. Stipendium, Pariser Firstclass-Schule. Zurück in die Provinz und Advokat.
1789: Robespierre ist Vertreter des dritten Standes. Hinterbänkler in der Nationalversammlung. Baut seine politische Karriere im Jakobinerclub auf.
Im Jakobinerclub, da jubelt man ihm zu,
dem kleinen Mann mit linkischen Gebärden.
Er spricht von Volk und Willen, Tugend, von Rousseau.
Die Republik muss rein und tugendhafter werden.
Er spricht. Der Wind ist eisigkalt, der weht.
Vorsicht vor denen, die sich selbst nicht mögen!
Im Tugendrock geht die Autorität.
Die wirkt der Volksbefreiung meist entgegen.
1793: Es geht um die Macht im Nationalkonvent. Robespierre ist Wortführer der Jakobiner. Die Jakobiner, die kleinen Bürger, bekämpfen die Girondisten, die feinen Bürger. Die Girondisten werden verhaftet. Hoch fliegen die roten Mützen der Jakobiner. Der Weg ist frei für eine radikale, vielleicht sogar proletarische Demokratie. Die Massen von Paris stehen auf der Seite von Robespierre.
Robespierre, was willst du noch? Reif ist die Zeit!
Wo bleiben die Kommunen, die Sektionen?
Nur, wenn von unten her die Masse sich befreit,
nur dann gelingen Revolutionen.
Nicht für das Volk, nein, kämpfe in der Masse mit!
Ach Robespierre, wie soll dir das gelingen?
Für dich ist ja das Volk nur Abstraktion, mehr nicht.
Du frierst, wenn sie dich freundschaftlich umringen.
Juli 1793: Robespierre kommt in den Wohlfahrtsausschuss, die revolutionäre Regierungsbehörde. Genau ein Jahr lang wird er der mächtigste Mann sein in Frankreich. Krieg an allen Fronten. Das reaktionäre Europa kämpft gegen das revolutionäre Frankreich. Die Preußen nehmen Mainz. Die Engländer Toulon. Im Innern Aufstand der Bauern in der Vendée. Korruption, Komplotte, Schieber und Verräter in Paris und den Provinzen. Die Konterrevolution darf nicht siegen!
Terror dem Laster, der Verschwörung, dem Verrat.
Robespierre, dein Name ist der Schrecken.
Unbeugsam, unbestechlich, ohne Gnad
will er die reine Republik vollstrecken.
Halunken, Spekulanten und Verräter aufs Schafott.
Noch schart das Volk sich um die Guillotine,
beurteilt Henker und die Opfer, richtet mit,
begreift den Vorgang auf der Todesbühne.
Das Volk ist wachsam, denn es gibt die Sansculottes.
Und manche kennt man nicht, doch als Verräter
karrt sie der Henkerskarren zum Schafott.
Und Misstraun fragt sehr schnell nach Tat und Täter.
Und Robespierre, der Blut und Beil nicht sehen kann,
beschreibt mit kleiner Schrift viele Papiere
und will beweisen, dass man Terror braucht,
weil dann die Tugend endlich überall regiere.
Der Terror kann die Korruption nicht ausmerzen. Im Schatten der Guillotine betreiben die Kriegsgewinnler ihre Geschäfte. Das Volk aber hungert. Das Revolutionstribunal verhängt nur noch die Todesstrafe. Aber das ist Robespierre nicht genug. Abschaffung der Gerichtsverhandlungen. Gesetz auf Gesetz bringt er im verschreckten Nationalkonvent durch. Schließlich gilt jeder als schuldig und ist mit dem Tod zu bestrafen, der die Festigung der Republik zu hindern sucht in Gedanken, Worten und Werken. Denunziation wird gesetzliche Pflicht. Der Terrorismus hat sich verselbstständigt. Die Todeswelle läuft durch die Provinzen. In den Provinzhauptstädten wird wahllos geköpft. Robespierre versucht, das sinnlose Morden aufzuhalten. Doch es ist zu spät.
Das ist die Zeit der Henker überall im Land.
Auf frischen Gräbern blühen schon die Rosen.
Die reine Republik der Tugend ist verbannt
ins Paradies der kopflosen Franzosen.
Das ist die Logik einer Revolution,
die allererst die Menschen ändern möchte,
und die Verhältnisse, die ändern sich dann schon.
Ach Robespierre, grad umgekehrt läuft die Geschichte!
Die Revolutionäre der ersten Stunde kommen aufs Schafott. Die Girondisten, dann Jacques Roux, ein früher Kommunist. Camille Desmoulins. Und schließlich auch Danton, der Liebling des Volkes. Das werden die Massen nicht verzeihen. In den Kommunen und Sektionen, bislang die Stützen Robespierres, werden Zweifel laut. Robespierre, der Unbestechliche, erstrebt die Diktatur. Und er erfindet einen neuen Gott: das höhere Wesen. Das Gründungsfest des höheren Wesens wird gefeiert. Es ist das größte Happening der großen Revolution. Dem Festzug voran schreitet Robespierre.
Da, wo die Tugend herrschen soll, fehlt noch ein Gott
zum Nutzen aller Tugendbürokraten.
Und Robespierre wählt sich, der ganzen Welt zum Spott,
zu dieses Wesens erstem Theokraten.
Seht ihn euch an, im Arm den roten Blumenstrauß,
mit blauem Frack, mit Schärpe, weißen Hosen.
Da geht die Trikolore! Lacht sie aus!
Und tödlich ist das Lachen der Franzosen.
Die Fête ist misslungen. Ein höheres Wesen interessiert die Massen nicht. Sie wollen eine gute Republik. Robespierre zieht sich zurück. Er ist verletzt. Und seine Feinde im Konvent nutzen seine Schwäche. Konspiration. Stürzt den Diktator Robespierre! Seine Rede im Konvent am 7. Thermidor kommt schon zu spät. Die Deputierten machen nicht mehr mit. Am 9. Thermidor wird Robespierre im Nationalkonvent verhaftet. Er hofft auf die Kommunen. Aber auch zu spät!
Nein Robespierre, die Sansculotten kämpfen nicht.
Du bist ihnen trotz allem fremd geblieben.
Er will sich töten, doch zerschießt nur sein Gesicht.
Am nächsten Tage wird er aufs Schafott getrieben.
Das war Maximilien Robespierre.
Den Bürgern gilt er heute noch als Schrecken.
Für uns bleibt er ein großer Revolutionär:
Er wollte die Volksrepublik vollstrecken.
Nach dem Sturz Robespierres beginnt die Republik der Krämer, Kriegsgewinnler, Lebemänner. Sie endet im Staatsstreich durch Napoleon Bonaparte im November 1799. Hat die Konterrevolution gesiegt? Karl Marx: „Danton, Robespierre, Napoleon vollbrachten in römischen Kostümen und mit römischen Phrasen die Aufgabe ihrer Zeit: die Entfesselung und Herstellung der modernen bürgerlichen Gesellschaft.“