Die antimonopolistische Strategie – Grundlage kommunistischer Antifa-Politik?

Die treibende Kraft bekämpfen

Von Thomas Mehner

Titelbild der Arbeiter Illustrierten Zeitung von 1933

Titelbild der Arbeiter Illustrierten Zeitung von 1933

Antifaschismus ist ein äußerst wichtiges Kampffeld unserer Partei. Mit der Errichtung des Faschismus vollzieht sich im System bürgerlicher Herrschaft der Übergang von der bürgerlich-liberalen zur terroristischen Herrschaftsform. Aufgabe der Antifaschist/inn/en ist es, diesen Übergang zu verhindern – so lange, bis das System bürgerlicher Herrschaft, der Kapitalismus, beseitigt ist.

„Die antimonopolistische Strategie ist eine Konsequenz aus der Leninschen Imperialismusanalyse. Analytische Eckpunkte sind, dass das Monopol zum strukturbestimmenden Moment dieses neuen, imperialistischen Stadiums des Kapitalismus geworden ist. […] Das zu erkennen, ist für eine Strategieentwicklung entscheidend.“ (Patrik Köbele, UZ v. 17.3.2017) Monopolkapitalismus benennt also nicht lediglich die ökonomische Existenz großer Monopolunternehmen in Industrie, Handel und Finanz, sondern ist die konkrete Bestimmung des Charakters des heutigen Kapitalismus, er ist das beherrschende gesellschaftliche Verhältnis in der bürgerlichen Gesellschaft, wo er – auch unter der Form der bürgerlichen Republik – seine Politik zum Zweck rücksichtsloser Profitmaximierung und Machterweiterung betreibt. Der imperialistische Staat entsteht als nicht immer widerspruchsfreier, aber wesentlich das Gesamtinteresse der Monopole vertretender Machtapparat, der die – möglichst freiwillige, jedenfalls aber widerspruchslose – Unterordnung aller Menschen, Institutionen und Interessen unter seine spezifischen Klasseninteressen durchsetzt. Diese werden dazu als das Allgemeininteresse der Gesellschaft insgesamt ausgegeben und etabliert. Auch in den „allerdemokratischsten Republiken“ ist die bürgerliche Demokratie nur die offizielle Fassade monopolkapitalistischer Klassenherrschaft.

Strategisch begründet handeln

Kommunisten handeln aus Einsicht in die gesellschaftlichen Bedingungen ihrer Zeit, mit davon bestimmten Zielen und begründen ihre politische Praxis mit einer daraus abgeleiteten Strategie. Eine antimonopolistische Strategie (AMS) bewährt sich dann, wenn sie dazu die theoretische Grundlage bietet und zugleich eine kritische Reflexion der Wirksamkeit unserer Praxis ermöglicht. Sie steht nicht im Gegensatz zum Antikapitalismus und unserem sozialistischen Ziel, sondern konkretisiert diese für die heutige Zeit. In diesem Sinne bedeutet AMS nichts anderes, als dass unsere Strategieentwicklung, unsere Beschlüsse, unsere praktische Politik immer dieses unsere Gesellschaft bestimmende Herrschaftsverhältnis zu Grunde legen müssen. Missachten oder Missverstehen der AMS führt dabei regelmäßig zu Opportunismus und zu Wirkungs- und Erfolglosigkeit, auch im Bereich Antifaschismus. Besonders unsinnig ist es natürlich, wegen Fehlern bei der Anwendung der AMS, die es zweifellos gibt, diese gleich ganz über Bord zu werfen.

Weit verbreitet sind derzeit Wutbürger, Rechtspopulisten und offene Nazis, ihre Schmierereien und Hetzparolen von Rassismus, Antiislam- oder -semitismus, Ausländerfeindlichkeit, Militarismus, Lügenpresse, Parteienverachtung, Demokratiefeindlichkeit, markige Sprüche von völkischem Patriotismus, gegen Links­chaoten und viele andere Widerwärtigkeiten mehr. Man liest von prügelnden rechten Schlägertrupps (oder bekommt die Prügel selber), Anschlägen gegen Linke und von NSU-Morden. Aber ist das schon alles? Oder steckt mehr dahinter? Geht die faschistische Gefahr von den Faschisten und ihrer Ideologie aus? Und reicht somit der Kampf dagegen auf der Straße oder gar am Stammtisch? Oberflächlich gesehen mag das so scheinen. Aber Ideologien entstehen nicht aus bösen Gedanken und Massen von Pegida-Anhängern, AfD-Wählern und Faschisten nicht aus ideologischer Verführung. Kommunisten dürfen nicht an der Oberfläche der Erscheinungen stehen bleiben, sie wollen und müssen tiefer gehen und die treibenden Klassenkräfte und -interessen dahinter erkennen.

Eine Form bürgerlicher Herrschaft

Wir können den Faschismus nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn wir seine materiellen Ursachen und seinen Entstehungszusammenhang begreifen. Kommunist/inn/en gehen mit Dimitroff und der Kommunistischen Internationale von der Erkenntnis aus, dass der Faschismus nicht die Herrschaft der Faschisten, sondern die terroristische Form bürgerlicher Herrschaft ist. Diese kann durch Militärdiktaturen errichtet werden, aber auch mit Hilfe faschistischer Massenbewegungen. Dies versucht die Monopolbourgeoisie dann, wenn es ihre strategischen Interessen erfordern, um die versagende freiwillige Unterordnung der Menschen durch Gewalt zu ersetzen.

Der bürgerliche Staat setzt die asoziale Politik der Monopole durch, die die Menschen durch die massive Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen in ihrer sozialen Existenz bedroht: Massenarbeitslosigkeit, Leiharbeit, Werkvertragssklaverei, Niedriglöhne, Hartz IV, Altersarmut, Rente erst ab 67, Wohnungsnot, kaputte Straßen und Brücken, marode Schulen und Sporthallen, geschlossene Büchereien und Schwimmbäder usw. führen zu Angst, Unzufriedenheit und Protesten. Bleiben die Betroffenen dabei in der bürgerlichen Ideologie befangen, werden sie nicht die realen Ursachen und Verursacher ihrer Misere erkennen, sondern die Schuld den um Arbeitsplätze und Sozialleistungen konkurrierenden Mitgliedern der eigenen Klasse zuweisen. Sie kämpfen so gegen die eigenen Interessen und bleiben im bürgerlichen System, diesmal in seiner terroristischen Form. Ihr Unmut richtet sich so nicht gegen die rücksichtslos durchgesetzten Klasseninteressen der Monopolbourgeoisie, sondern gegen Ausländer, Flüchtlinge, die bürgerliche Demokratie, Juden, Islamisten, Sozialschmarotzer, Linkschaoten, Systemgewerkschaften und -parteien usw. Dazu braucht die Monopolbourgeoisie den Faschismus.

Die Monopolbourgeoisie ist die treibende und entscheidende Kraft bei der Vorbereitung und Einsetzung des Faschismus. Sie ist der zu bekämpfende Gegner. Es ist daher klar, dass der Kampf allein gegen die Symptome und Hilfskräfte der Rechtsentwicklung, gegen ihre Ideologie und Organisationen, so richtig er auch ist, nicht ausreicht. Der antifaschistische Kampf bleibt letztlich hilflos, solange er nicht gegen die realen kapitalistischen Ursachen des Faschismus geführt wird – also antikapitalistisch.

Fehler in der Bündnisarbeit

Immer wieder verfällt dabei heutige antifaschistische Politik in grundlegende Fehler. Beispielhaft zu sehen beim Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“, dem die DKP zwar nicht beigetreten ist, dessen politische Ziele sie laut Parteivorstandsbeschluss jedoch unterstützt. Hier wird der Kampf nur gegen die faschistische Ideologie, besonders fokussiert auf den Rassismus, geführt, „rote Linien“ gezogen, von denen aus „rechtsextremes“ Denken und seine Träger moralisch zurückgewiesen und ausgegrenzt werden. Damit beschränkt man sich auf die Bekämpfung falschen Bewusstseins, während der Kampf gegen die realen imperialistischen Ursachen faschistischer Entwicklung wie etwa Militarisierung und Sozialabbau mit Rücksicht auf bürgerliche Bündnispartner einschließlich SPD und Grünen bewusst blockiert wird. Diese Ausrichtung läuft auf Burgfrieden mit bürgerlicher Politik und Integration in die Strategien des Monopolkapitals hinaus. Darüber hinaus stößt sie die zum Faschismus verführten Menschen von uns ab, anstatt zu versuchen, sie in den Kampf gegen das Monopolkapital zu führen und dieses dabei zu isolieren. Das genaue Gegenteil der AMS. Bündnisse, die den bewussten Kampf gegen das Monopolkapital von vornherein unerreichbar machen, sind für uns keine Option, eine solche Haltung dürfen wir nicht unterstützen.

Das führt zu der Frage, mit wem man überhaupt in Antifa-Bündnissen zusammenarbeiten kann. Dass sich daran möglichst viele Menschen beteiligen sollen, wird wohl kaum jemand bestreiten wollen. Aber wir müssen auch inhaltlich an diese Frage herangehen. Die AMS erlaubt hier eine erste Antwort: Grundsätzlich können alle mitmachen, außer der Monopolbourgeoisie samt ihrer Vertreter und politischen Sachwalter, also unseren direkten Gegnern. Aber diese Antwort reicht noch nicht aus. Wir müssen uns zusätzlich darüber im Klaren sein, was wir Kommunisten in diesen Bündnissen wollen. Nur mitzumachen entspricht nicht unserer Verantwortung. Unsere Aufgabe ist es, in Bündnissen eine antimonopolistische Kampfhaltung zu entwickeln. Es wäre sektiererischer Unfug, diese von den Menschen schon vorab zu erwarten oder gar vorauszusetzen, aber dahin entwickeln müssen wir sie. Hierbei können wir von der Politik der KPD in den 1930er Jahren lernen. Sie führte gleichzeitig den Kampf gegen die faschistischen Mordbanden in den Wohngebieten, ökonomische Kämpfe gegen das Kapital in den Betrieben und Massenkämpfe gegen die Zerstörung der bürgerlichen Demokratie auf der Straße, sie band bürgerliche Intellektuelle, Humanisten und Demokraten in ihre Kämpfe ein und sprach auch Bauern, Landarbeiter, Kleinbürger und Selbstständige für eine antifaschistische Bündnisarbeit an. Und sogar die zum Faschismus Verführten. Ernst Thälmann sprach von der „Aufgabe, nun größere Teile der von den Nazis irregeleiteten Werktätigen vom faschistischen Einfluss zu lösen und für die antifaschistische Bewegung zu gewinnen“. (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, S. 167)

Den bürgerlichen Staat verteidigen?

Ein letzter Punkt betrifft unser Verhältnis zum heutigen Staat. Unstrittig ist, dass wir die im bürgerlichen System erkämpften Errungenschaften wie Presse- und Meinungsfreiheit, Organisations- und Koalitionsfreiheit, Freiheit der politischen Betätigung für Kommunisten, Rechtsstaatlichkeit, Streik- und Demonstrationsrecht usw. verteidigen. Dies liegt ja direkt in unserem eigenen Interesse. Aber das müssen wir derzeit und in erster Linie gegen den bürgerlichen Staat selber tun, denn dieser, nicht die Faschisten, zerstört diese Rechte mit Repression, Überwachung, Berufsverboten, Bespitzelung, Demonstrationsverboten, Polizeikesseln und -prügeln, Haussuchungen, politischen Strafverfahren, Verbot von Websites usw. Eine solche Ausrichtung des Kampfes ist allerdings eine grundsätzlich andere Orientierung als in der UZ vom 13.10.2017 zu lesen ist, die fälschlicherweise als antifaschistischen Konsens ausgibt, die Menschen auf Grundlage der „bürgerlich-demokratischen und parlamentarischen Gesellschaftsordnung“ (also des kapitalistischen Systems) in den Kampf gegen Faschismus und Krieg zu führen. Der wirkliche Konsens der Antifaschisten hatte nämlich eine völlig andere Grundlage. Diese führte 1945 zum Potsdamer Abkommen. Darin wurde als Lehre aus Krieg und Faschismus vereinbart: Ein neues demokratisches Deutschland sollte entstehen, in dem der Faschismus mit seinen Wurzeln Monopolkapital und -vereinigungen, Rüstungsindustrie und Militär, Nazis und Traditionsverbände ausgerottet ist, aufgebaut nach demokratischen, d. h. also antimonopolistischen, antimilitaristischen, antifaschistischen Grundsätzen. Nicht vergessen: Nur im sozialistischen Deutschland wurden diese inhaltlichen Bestimmungen von Demokratie verwirklicht, nicht aber im deutschen imperialistischen bürgerlich-“demokratischen“ Staat.

Auch wenn es noch so mühsam ist, es muss unser Ziel sein, jede Antifa-Tätigkeit der Genossinnen und Genossen, in eigenen Veranstaltungen, in Gewerkschaften, in sozialen Kämpfen, in Friedensaktivitäten, in der VVN-BdA oder anderen lokalen und regionalen Bündnissen immer an der Erkenntnis auszurichten, dass der Gegner das Monopolkapital und seine Politik ist. Unser Mittel muss daher der Kampf für die eigenen Klasseninteressen sein. Wir müssen geduldig, beharrlich, systematisch in diesem antimonopolistischen Sinne orientieren und bei uns selber und den verbündeten Menschen ein dementsprechendes Klassenbewusstsein entwickeln.

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"Die treibende Kraft bekämpfen", UZ vom 26. Januar 2018



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