UZ: Am Montag hat der SPD-Parteivorstand mit großer Mehrheit – bei einer Gegenstimme und drei Enthaltungen – beschlossen, den Antrag des SPD-Präsidiums zu unterstützen, das Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) in Kraft zu setzen. Wie beurteilst du diesen Beschluss?
Uwe Hiksch: Der SPD-Parteivorstand versucht, gegen die Mehrheit der Menschen in Deutschland das Freihandelsabkommen CETA voranzubringen. Der beschlossene Antrag enthält viel Prosa und tut so, als ob CETA ein Abkommen sei, mit dem der internationale Handel fair und gerechter gestaltet würde. Das Gegenteil ist aber der Fall. CETA wird dazu führen, dass internationale Schiedsgerichtsverfahren eingeführt werden und eine fortschrittliche Reformpolitik noch schwerer durchsetzbar wird. Der Parteivorstandsbeschluss begrüßt, dass die Bundesregierung der vorläufigen Anwendung für das Freihandelsabkommen im Europäischen Rat zustimmen kann. Damit werden die Planungen der EU-Kommission, das Freihandelsabkommen möglichst noch in diesem Jahr in Kraft zu setzen, unterstützt.
Mit sozialdemokratischer Politik ist dieser Beschluss nicht vereinbar. Mehrere Landesverbände, viele Unterbezirke und Ortsverbände der SPD haben bereits Beschlüsse gefasst, in denen sie die SPD-Führung auffordern, Nein zu TTIP und CETA zu sagen. Auch in anderen EU-Staaten regt sich Widerstand in den Parteien und Parlamenten. In den beiden Regionalparlamenten Belgiens, im Luxemburger Parlament, im österreichischen und französischen Parlament zeichnen sich Mehrheiten gegen die Ratifizierung ab. Trotzdem will die SPD mithelfen, dass durch die vorzeitige Anwendung dieses Abkommen durchgepeitscht werden kann. Ich hoffe, dass die sieben Großdemonstrationen am 17. September dazu führen werden, dass der SPD-Konvent diese falsche Politik ablehnt.
UZ: Was will das Bündnis mit den sieben Großdemonstrationen erreichen?
Uwe Hiksch: Das Bündnis „STOP CETA und TTIP – Für einen gerechten Welthandel!“, das am 17. September zu den sieben Großdemonstrationen aufruft, ist ein breites gesellschaftliches Bündnis: Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände, globalisierungskritische Verbände, der Deutsche Kulturrat, Landwirtschaftsverbände und Entwicklungsorganisationen rufen gemeinsam zu den Demonstrationen auf. Wir wollen mit den Demonstrationen erreichen, dass die geplanten Freihandelsabkommen gestoppt werden.
Für die transnationalen Konzerne aus der EU und den USA sind die Freihandelsabkommen TTIP und CETA von strategischer Bedeutung. Mit ihnen wollen sie ihre dominierende Position auf den Weltmärkten noch weiter ausbauen. Sie wollen erreichen, das eine Art Wirtschafts-NATO geschaffen wird, die Länder wie China, Indien oder auch Russland daran hindert, ihre Position auf dem Weltmarkt zu verbessern. Ökologische, soziale und entwicklungspolitische Ziele bleiben dabei auf der Strecke.
UZ: Was ist am 17. September geplant und wie geht es danach weiter?
Uwe Hiksch: Wir gehen gleichzeitig in sieben Städten auf die Straße: In München, Stuttgart, Frankfurt, Köln, Hamburg, Berlin und Leipzig werden wir mit großen Demonstrationen unsere Ablehnung zu den Freihandelsabkommen zeigen. Die Auftaktkundgebungen werden um 12 Uhr beginnen. Wir wollen erreichen, dass an diesem 17. September noch mehr Menschen auf die Straße gehen als am 10. Oktober im letzten Jahr, als 250 000 Menschen ihre Ablehnung zu TTIP und CETA in Berlin zeigten.
Nach dem 17. September wird der Trägerkreis gemeinsam über weitere Möglichkeiten diskutieren, um diese Freihandelsabkommen zu verhindern. Auf jeden Fall werden wir den Druck bis zur Bundestagswahl weiter steigern. Gerade die SPD muss wissen, dass wir die Wahlen zum Bundestag auch zu einer Abstimmung über Freihandelsabkommen machen wollen.
UZ: Weshalb ist es wichtig, sich gegen TTIP und CETA zu stellen?
Uwe Hiksch: Mit den Freihandelsabkommen wird die Macht der Großkonzerne noch weiter zunehmen. Das Kapital will durch die Freihandelsabkommen die Durchkapitalisierung der Gesellschaft weiter beschleunigen und erkämpfte Fortschritte der Arbeiterbewegung, der Umwelt- und Verbraucherschutzverbände weiter aushöhlen. Trotzdem sehe ich Chancen, dass es uns in mehreren Mitgliedstaaten der EU gelingen kann, eine Mehrheit gegen die Freihandelsabkommen zu erreichen. In Deutschland als hegemonialem Staat in der EU wird es aber besonders schwer sein, ein „Nein“ herbeizuführen.
Die Alternative wäre äußerst negativ: Verbesserungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oder höhere Standards bei Verbraucher- oder Umweltschutz wären noch schwerer durchzusetzen als bisher. Die Demokratie würde durch die sogenannte „regulatorische Kooperation“, mit der sich die unterzeichnenden Staaten verpflichten, die Vertragspartner vor einer Gesetzesinitiative zu informieren, deutlich eingeschränkt. International agierende Konzerne und Finanzinstitute könnten mit der Drohung, die Staaten vor einem internationalen Schiedsgericht oder einem internationalen Schiedsgerichtshof auf Milliardenentschädigungen zu verklagen, erreichen, dass Gesetze zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen noch schwieriger durchgesetzt werden können.