Die Ermordung Suleimanis kommt einer Kriegserklärung gleich

Die Stunde der Hardliner

Ein Angriff auf ein US-Militärlager im Norden des Irak, die Bombardierung von Einrichtungen der irakischen Miliz Kataib Hisbollah durch die US-Luftwaffe am 25. Dezember und die folgende Belagerung der US-Botschaft in Bagdad durch Tausende Iraker – das war erst das Vorspiel. Der Paukenschlag kam am 3. Januar, als das US-Militär in einem Drohnenangriff Kassem Suleimani, Abu Mahdi al-Muhandis und ihre Begleiter ermordete. Millionen im Irak und im Iran beteiligten sich mittlerweile an Trauermärschen für die Getöteten.

Kassem Suleimani war iranischer Generalmajor und Kommandeur der Kuds-Einheiten. Er war gerade auf dem Weg zu einem offiziellen Treffen mit dem geschäftsführenden irakischen Ministerpräsidenten.

Abu Mahdi al-Muhandis war Gründer der Kataib Hisbollah, einer der Organisatoren des Kampfes gegen den IS im Irak und stellvertretender Vorsitzender der Volksmobilisierungskomitees, die einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den IS geleistet haben. Das irakische Verteidigungsministerium drückte in einem Tweet seine Trauer um den Tod von al-Muhandis aus.
Vor diesem Anschlag kamen die eindrücklichsten Bilder von der US-Botschaft in Bagdad. Tausende Demonstranten drangen in die üblicherweise massiv gesicherte „Green Zone“ vor, um gegen den Angriff auf die Kataib Hisbollah zu protestieren. Die irakischen Sicherheitskräfte ließen sie weitgehend gewähren und es gelang ihnen, bis auf Außenflächen der Botschaft vorzudringen.

Die US-Botschaft in Bagdad ist die größte diplomatische Vertretung der USA weltweit und besteht aus 27 Gebäuden. Für ihren Bau wurden 736 Millionen Dollar ausgegeben. Wegen der Belagerung brachten die USA aus der Luft militärische Verstärkung unmittelbar auf das Botschaftsgelände. Mit Tränengas, Blendgranaten und Hubschraubern versuchten die Soldaten, die Demonstranten zu vertreiben.

Die Botschaft ist das Zentrum des US-Einflusses auf den Irak. Die Demonstranten trafen einen Nerv und brachten der US-Regierung die Bilder einer anderen Belagerung und ihrer Folgen in Erinnerung: Die Besetzung der US-Botschaft in Iran 1979. Es war die Stunde der Hardliner, die die Regierung in Teheran verabscheuen, weil sie den Plänen der USA, Israels und Saudi-Arabiens zur Umgestaltung des Nahen Ostens im Wege steht. John Bolton hofft wieder auf den Regime-Change.

Als Trump im Mai 2018 das sogenannte internationale Atomabkommen mit dem Iran zerstörte und erneut grenzenlose Sanktionen gegen das Land verhängte hatte, erwartete er wohl einen Zusammenbruch des Iran oder die Kapitulation des Landes. Doch bei allen Problemen, mit denen die Wirtschaft des Iran konfrontiert ist und bei allen Plagen, denen sich alle Bürger des Landes gegenübersehen – ihr Ziel hat die US-Regierung weit verfehlt. Jetzt will sie offenbar nicht länger warten.
Trump, der bisher den Wirtschaftskrieg gegen den Iran gegenüber einem militärischen Angriff bevorzugt hatte, sprach von 52 Zielen im Iran, die die USA angreifen würde, falls der Iran die Ermordung von General Suleimani nicht widerstandslos hinnehmen würde. 52 Ziele – eines für jede der 52 Geiseln der Botschaftsbesetzung in Teheran 1979. Und er drohte dem Iran mit der militärischen Ausrüstung von 2 Billionen Dollar, über die die USA verfügen.

Die USA machten den Irak zum offenen Schauplatz ihres Krieges gegen den Iran, eine Eskalation und ein Vabanquespiel, von dem niemand sagen kann, wie es enden wird. Eine erste Reaktion war eine Dringlichkeitssitzung des irakischen Parlaments. 170 von 328 Abgeordneten verlangten den Abzug aller US-Truppen – das hatte die US-Regierung nicht erwartet.
Nach der impliziten Kriegserklärung durch die USA gab der Iran die letzten Einschränkungen aus dem Atomabkommen auf. Und das wird nicht das letzte Wort gewesen sein.


Patrik Köbele, Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP): „Dieser Raketenangriff ist ein feiger Mord und ein völkerrechtswidriger kriegerischer Akt gegen den Irak. Die USA fahren gegenüber dem Iran einen Kriegskurs, der die Gefahr einer massiven Eskalation beinhaltet. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich diesem Kriegskurs entgegenzustellen. Das bedeutet: Sofortiger Ausstieg der Bundesrepublik Deutschland aus der Vorbereitung des US-Manövers ‚Defender 2020‘, bei dem 37.000 US- und NATO-Soldaten an der russischen Grenze aufmarschieren sollen.“

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"Die Stunde der Hardliner", UZ vom 10. Januar 2020



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