Zum Tod von Stephen Hawking

Die Sterne faszinierten ihn

Von Nina Hager

In der vorigen Woche starb Stephen Hawking im Alter von 76 Jahren. Er war einer der größten Physiker des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts, auch wenn der vielfach mit Wissenschaftspreisen Ausgezeichnete nie den Nobelpreis erhielt.

Manchen war Hawkings vielleicht nur wegen seiner populärwissenschaftlichen Bücher bekannt, mit denen er wie zum Beispiel in „Eine kurze Geschichte der Zeit“ (1988), „Das Universum in der Nussschale“ (2001), „Die kürzeste Geschichte der Zeit“ (2005) usw. oder im Kinderbuch „Der geheime Schlüssel zum Universum“ (dtsch. 2007), das er gemeinsam mit seiner Tochter Lucy schrieb, die Entwicklung unseres Kosmos und die vielen – heute noch offenen – Fragen verständlich darzustellen suchte. „Gibt es einen Ursprung unseres Kosmos?“, „Woher kommt das Universum, wie und wohin entwickelt es sich?“, „Gab es einen Urknall?“, „Was sind Schwarze Löcher und wie kann man sie erklären?“ All diese Fragen suchte er zu beantworten.

Andere werden sich an Hawking vielleicht nur wegen seiner Gastauftritte in Fernsehserien erinnern. Und könnten ihn deshalb sehr kritisch sehen. Episoden seines Lebens wurden verfilmt. Eddie Redmayne erhielt für seine Darstellung Hawkings im Film „The Theory of Everything“ (2014, „Die Entdeckung der Unendlichkeit“) den Golden Globe als „Bester Hauptdarsteller – Drama“ und den Oscar als „Bester Hauptdarsteller“.

Geboren wurde Stephen Hawking am 8. Januar 1942 in Oxford (England), 300 Jahre – auf den Tag genau – nach dem Tod Galileo Galileis, wie er selbst gern hervorhob. Sein Vater war Tropenmediziner, und eigentlich sollte der Sohn auch Mediziner werden. Die Mutter war Wirtschaftswissenschaftlerin. Mit 17 nahm Stephen Hawking jedoch, probeweise, an einer Aufnahmeprüfung der Universität in Oxford teil und bestand diese glänzend. Er erhielt sogar ein Stipendium für das Studium der Physik. „Die Sterne faszinierten ihn mehr als alles andere“, erzählte später seine Mutter Isobel. Und so studierte Hawkings in Oxford, schloss dort sein Studium 1962 mit dem Bachelor ab. Danach wechselte er an die Universität Cambridge, wo er seine Promotion über theoretische Astronomie und Kosmologie begann. 1966 promovierte er mit der Dissertation „Properties of expanding universes“ („Eigenschaften eines expandierenden Universums“). Zunächst blieb er in Cambridge, wurde Research Fellow und später Professorial Fellow am Gonville and Caius College der Universität. Danach arbeitete er am Institut für angewandte Mathematik und Theoretische Physik und begann mit seiner quantenmechanischen Interpretation der Schwarzen Löcher. Von 1979 bis 2009 war er Inhaber des renommierten Lucasischen Lehrstuhls für Mathematik an der Universität Cambridge, den schon der berühmte Physiker Isaac Newton (ab 1669) innehatte. Später, nach vielen anderen Berühmtheiten, vor Hawking auch der bekennende Atheist Paul Dirac (von 1932 bis 1969).

1974 entwickelte Stephen Hawking das Konzept der „Hawking-Strahlung“, nach der Schwarze Löcher in der Quantenfeldtheorie (je nach der Masse des Schwarzen Lochs mehr oder weniger schnell) zerstrahlen. Wie er es auch nannte: „Verdampfen.“ Die Bestätigung seiner Hypothese steht noch aus. Zeit seines Lebens suchte er aber vor allem danach, die großen Erklärungsmodelle des Universums zu vereinen: Die Einsteinsche Relativitätstheorie, die sich mit Gravitation, Raum und Zeit beschäftigt, und die Quantenmechanik, die das Verhalten kleinster Teilchen (des „Mikrokosmos“) zu erklären versucht. Auch diese Aufgabe ist bis heute ungelöst.

Mit 32 Jahren wurde Hawkings Mitglied der British Royal Society, eine hohe Ehre für den noch jungen Physiker, später – auf Lebenszeit – Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, obgleich er mehrfach erklärt hatte: „Das Universum braucht keinen Gott.“

Seine größte Sorge galt in seinen letzten Jahren vor allem, was aus den Menschen wird: Sicher, da warnte er auch vor dem Schock und den Folgen, den ein Kontakt mit weitaus entwickelteren Außerirdischen mit sich bringen könnte. Und er war auch davon überzeugt, dass die Menschheit andere Planeten besiedeln werde. Aber zuerst müsse sie die Probleme hier, auf der Erde, lösen. In seinen letzten Lebensjahren prangerte er die zunehmende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft an, die durch die Entwicklung der Produktivkräfte weiter verstärkt werde (Automatisierung, Roboterisierung, „Digitalisierung“). Die neue Technik ermögliche es einigen wenigen immer mehr Profite einzufahren. Dabei wäre genug da, die Arbeitszeit deutlich zu verkürzen und allen Menschen ein Leben in Würde zu garantieren. Er warnte auch vor der zunehmenden Zerstörung der Umwelt und dem Klimawandel. Und im „Kleinen“ hat er sich gegen den Brexit engagiert.

Vielleicht blieb Hawking bis zu seinem Tod, gerade auch wegen des Kampfes gegen seine unheilbare Krankheit, der zunehmenden Einschränkungen und Ungleichheiten, die er erleiden musste, ein „radikaler“ Sozialist, der er – so meint es Jean Pestieau, emeritierter Physikprofessor der Katholischen Universität Löwen in Belgien (siehe im Internet die Seite der PTB) – in seiner Jugend war.

Viel wurde in den vergangenen Tagen über seine Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) geschrieben, die während seines Studiums in Oxford begann. Die Ärzte gaben ihm damals nur noch zwei Lebensjahre. Er hat eine Familie gegründet. Er hat gekämpft und geforscht. Ein erfülltes, aktives Leben geführt.

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"Die Sterne faszinierten ihn", UZ vom 23. März 2018



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