Das war die Podiumsdiskussion bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2017

Die Staatsfrage und ein Staatssekretär

Von om

„Jetzt haltet euch mal zurück mit Zwischenrufen“, fordert Stefan Huth, Chefredakteur der „jungen Welt“, der die Podiumsdiskussion bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz am vergangenen Wochenende moderiert. Die Rufe aus dem Publikum zeigen das Misstrauen gegenüber der Linkspartei, die in Berlin gemeinsam mit SPD und Grünen regiert. Am Nachmittag hatte der Regierende Bürgermeister von Berlin verkündet, dass der Staatssekretär Andrej Holm wegen seiner Arbeit für das MfS für die rot-rot-grüne Koalition nicht tragbar sei.

Wie die Linkspartei darauf reagieren soll, dazu will sich der Linkspartei-Vorsitzende Bernd Riexinger hier nicht äußern. Das sei Sache des Berliner Landesverbandes. Ellen Brombacher, Bundessprecherin der Kommunistischen Plattform in der Linkspartei, sieht die Angriffe gegen Holm als Ausdruck des „unbeschreiblichen Hasses der deutschen Bourgeoisie“ gegen die DDR. Der Ton, in dem aus dem Publikum gegen die Haltung der Linkspartei protestiert wird, „sollten wir uns sparen“, sagt Brombacher. Aitak Barani von der Frankfurter Stadtteilinitiative Zusammen e. V. findet es dagegen „toll, wie lebendig das Publikum hier ist“. Patrik Köbele, der DKP-Vorsitzende, antwortet auf die empörten Zwischenrufe, „dass es uns nicht weiterbringt, wenn wir moralisierend mit der Kritik an der Linkspartei umgehen.“ Seine größte Kritik an der Linkspartei sei, „dass bei der Debatte um Regierungsbeteiligung die Frage, in was für einem Land wir leben, nie konsequent gestellt und beantwortet wird“: Linke Politik müsse von der Tatsache ausgehen, dass die Herrschenden dieses Land zu einem Niedriglohnland gemacht haben, das Krieg führt. „Dieser Staat ist ein kapitalistischer Klassenstaat.“

„Nach der Bundestagswahl 2017: NATO führt Krieg – die Linke regiert?“ ist der Titel der Diskussion. Es geht um die Frage, worauf diejenigen vertrauen sollen, die diese Gesellschaft verändern wollen. Bernd Riexinger reagiert auf das Misstrauen aus Publikum und Podium, dass seine Partei ihre „roten Haltelinien“ in einer Bundesregierung nicht so ernst nehmen würde: In der Friedensfrage habe die Linkspartei klare Beschlüsse gefasst. „Ich teile ein gewisses Misstrauen, dass eine Partei, die überall parlamentarisch unterwegs ist und sogar an Landesregierungen beteiligt ist, immer in Gefahr ist, Anpassungsprozesse zu erleben.“ Dennoch vertraut Riexinger darauf, dass seine Partei in der Friedensfrage nicht zu Zugeständnissen bereit ist: „Ich habe auch gar nicht die Angst, dass ein Koalitionsvertrag, der Kampfeinsätze der Bundeswehr möglich macht, auf einem Parteitag eine Chance hätte, verabschiedet zu werden.“

„Ich habe große Angst“, sagt dagegen Ellen Brombacher, dass einige Protagonisten der Linkspartei durchaus bereit sein könnten, für eine Regierungsbeteiligung die Friedensposition ihrer Partei aufzuweichen. In der Linkspartei gebe es starke Illusionen über die Möglichkeiten einer linken Regierung. Zur Politik von SPD und Grünen stellt sie dagegen fest: „Mit denen kann man nicht.“ Das Problem sei, dass es in der Partei keine Auseinandersetzung mit der Auffassung gebe, dass die Friedensfrage vielleicht doch ein Feld für mögliche Kompromisse in einer Koalition sei. Ohne solche Kompromisse könne es keine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene geben, das fordere die „Staatsräson“.

„Aber wenn die Linkspartei durchgängig so wäre, wie sie hier teilweise geschildert wird, wäre ich mit Sicherheit nicht mehr drin. Ich habe Vertrauen in die Basis der Partei.“ Die Linkspartei-Vorläuferorganisationen hätten 2004 die Proteste gegen die Hartz-Gesetze mit „Stellvertreterpolitik“ „in die Passivität getrieben“, hält Aitak Barani dagegen. Statt in die Linkspartei könne die Arbeiterklasse nur auf „unsere Streikmacht“ vertrauen. Bernd Riexinger widerspricht und sagt, dass mit ihm selbst „hier ein Parteivorsitzender sitzt, der die Partei in den letzten viereinhalb Jahren in hohem Maße auf außerparlamentarische Aktivität ausgerichtet hat“.

Zu Köbeles Hinweis, die Linke müsse die Staatsfrage beantworten, sagt Riexinger: „Der Staat ist ein Klassenstaat, da braucht man mich nicht zu belehren. Ich mache mir da keine Illusionen.“ Allerdings sei Köbeles Staatsverständnis „begrenzt“, die marxistische Staatstheorie habe sich „weiterentwickelt“: „Der Staat ist auch ein umkämpftes Feld“. Er hält einige Einschätzungen, die Barani und Köbele äußern, für „Wortradikalismus“: In kleinen revolutionären Parteien oder Basisgruppen könne man so diskutieren, aber nicht in einer Linkspartei, „die keine Kaderpartei ist, sondern es geschafft hat, verschieden linke Strömungen in einer Partei zu vereinen“.

„Ich weiß, dass du aus der Tradition des gewerkschaftlichen Massenkampfes kommst“, sagt Köbele zu Riexinger und betont, dass er mit Riexinger einig sei in einer Politik, die auf die Mobilisierung der Beschäftigten gerichtet ist. „Ich widerspreche aber, dass es diesem Vorhaben dient, wenn sich Parlamentariergruppen hinter verschlossenen Türen treffen.“ Linkspartei-Reformer wie Dietmar Bartsch hätten ein falsches Bild von der Rolle der Bundesregierung – „Bernd, lass uns doch mal wieder über Imperialismus reden“, schlägt Köbele vor. Die Linkspartei brauche Druck von links. Die DKP sei klein, die DKP sei alt – trotzdem vertraut er darauf, diese Partei zu stärken.

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"Die Staatsfrage und ein Staatssekretär", UZ vom 20. Januar 2017



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