Imperialisten unter sich – Trump erkennt Jerusalem als Hauptstadt an

Die Selbstdemaskierung

Von Klaus Wagener

Weltweite Prosteste gegen Jerusalem-Entscheidung – Lage in Gaza eskaliert

Neben dem besetzten Westjordanland gingen auch in Beirut und Jakarta Zehntausende auf die Straße, um gegen die Entscheidung Trumps zu protestieren. Auch in Europa fanden Demonstrationen statt. Währenddessen eskaliert die Lage im besetzten Gaza weiter, nachdem  israelische Repressionskräfte neben Hartgummigeschossen, Tränengas und Wasserwerfern auch scharfe Munition einsetzten. Am Dienstag gab es bereits vier Tote und mehr als 500 Verletzte auf palästinensischer Seite. Seit der Nacht zum Samstag bombardiert Israel in Gaza auch angebliche Hamas-Stützpunkte aus der Luft, auch hierbei gab es mindestens zwei Tote. Nach israelischen Angaben waren zuvor drei Raketen aus den besetzten Gebieten abgefeuert worden, Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. MD

Benjamin Netanjahu kann zufrieden sein. Donald Trump hat getan, was seine Vorgänger sorgfältig vermieden haben. Die US-Botschaft soll nach Jerusalem verlegt werden. Die Entscheidungen der UNO und die historischen Rechte der Palästinenser spielten keine Rolle.

Die USA und Israel sind mit dieser Auffassung völlig isoliert. Die Trumpsche Unterstützung des zionistischen Expansionismus wirft ein bezeichnendes Licht auf das taktische Verhältnis zum so gerne reklamierten Recht auf territoriale Integrität.

Bis auf die verzweifelten Proteste der Palästinenser ändert sich faktisch wenig. Die israelischen Regierungen hatten nie vor sich aus Jerusalem zurückzuziehen. Und die USA hatten nie vor ihnen in die Quere zu kommen. 1980 erklärte die Knesset Jerusalem zur „ewigen und unteilbaren Hauptstadt Israels“. Die Legitimität dieser Erklärung beruht auf der Feuerkraft der israelischen Streitkräfte (IDF) und der 6. US-Flotte. Die Steinewerfer der Intifada vermochten dagegen wenig auszurichten. Auch wenn die UN-Charta (Artikel 51) ihnen das „naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung“ gegen ihre Besatzer zusprach. Denn der Sicherheitsrat hat eben nicht die „zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen“ (Artikel 51) getroffen. Wie auch?

Trumps Erklärung beseitigt eine Propagandafigur. Sie lautet: die USA, der „Westen“, sind ein ehrlicher Makler für beide Seiten. Sie wollen ein faires Ergebnis, das beiden Seiten gerecht wird, eine Zweistaatenlösung in etwa in der Tradition des UN-Teilungsplans von 1947. Auch das war schon ungerecht und auch das stimmte noch nie. Im geostrategischen Kalkül des Imperiums für die Beherrschung der Region, die Zurückdrängung des Panarabismus wie des Sozialismus, spielt Israel eine ebenso zentrale Rolle wie Saudi-Arabien. Zumindest seit der Suezkrise, in welcher das britische Imperium den Offenbarungseid ablegte, und spätestens seit dem Sechstagekrieg, als der vom Begründer des politischen Zionismus, Theodor Herzl, so betitelte „Vorposten der Kultur gegen die Barbaren“ sein militärisches Potential so eindrucksvoll demons­trieren konnte.

Der Harvard-Ökonom Thomas Stauffer beziffert die Gesamtkosten der Israel-Unterstützung für die USA seit 1973 auf drei Billionen US-Dollar. Die PR-Figur des ehrlichen Maklers dient seit Camp David der Beruhigung und Vertröstung. Die Zionisten in Jerusalem hatten nie vor einen Palästinenserstaat zu akzeptieren. Ihre Kriege und die von der israelischen Armee geschützten Siedler schufen die Fakten. Für die Geostrategen in Washington ging das okay.

Langfristig bringt die faktische Ein-Staaten-Lösung für die Zionisten aber das Problem, wie umgehen mit der schnell wachsenden palästinensischen Bevölkerung, welche die Juden zur Minderheit im eigenen Staat werden lässt? Zu den Großghettos auch noch die Apartheid?

Die Frage ist: Warum diese Selbstdemaskierung jetzt? Nach dem gescheiterten Regime-Change in Syrien richten sich die Bemühungen Washingtons, Jerusalems und Riads auf die Errichtung einer breiten Front gegen den gemeinsamen schiitischen Erzfeind Iran. Der Luftkrieg und die Hungerblockade gegen die Bevölkerung des Jemen sind da gewissermaßen der Auftakt. Dafür Akzeptanz zu finden dürfte nun nicht einfacher werden.

Bleibt der Selbsterhaltungstrieb. Die Trump-Regierung steht weiterhin unter massivem innenpolitischen Druck. Trump hatte der einflussreichen zionistischen Lobbyvereinigung (AIPAC) schon 2016 die Anerkennung Jerusalems versprochen. Ob nun die Einlösung dieses Versprechens den intensiven Impeachment-Bemühungen tatsächlich die Spitze nimmt, ist eine andere Frage. Keine Frage ist die düstere Lage der palästinensischen Bevölkerung. Aber die war den imperialen Zynikern der Macht schon immer egal. „Das war es wert“, antwortete Madeleine Albright im CBS-Interview auf die Frage nach den 500 000 Kindern im Irak, die aufgrund des Embargos starben. Und so denkt sie nicht allein.

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"Die Selbstdemaskierung", UZ vom 15. Dezember 2017



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