Trotz steigender Transportmengen ist eine Verkehrsverlagerung im Güterverkehr nicht in Sicht

Die Schiene bleibt schwach

Marco Gaetano

Seit Jahren nimmt die Menge der transportierten Güter zu. „Die inländische Güterverkehrsleistung stieg von 1991 bis 2019 um 75 Prozent“, heißt es beim Umweltbundesamt. Die Bundesregierung rechnet bis zum Jahr 2030 mit „erheblichen Verkehrsleistungszuwächsen im Güterverkehr von rund 40 Prozent bezogen auf 2010“. Wer auf der Autobahn unterwegs ist, braucht keine Statistik, um zu wissen: Im Jahr 2022 wurden 71,3 Prozent des Güterverkehrs mit dem Lkw abgewickelt. Die Schiene hatte einen Anteil von 19,8 Prozent, die Binnenschifffahrt 6,4 Prozent. „Die größten Zuwächse (seit 1991, M. G.) erzielte der Straßengüterverkehr mit einem Plus von fast 103 Prozent – einer Verdopplung der Verkehrsleistung. Dieser Zuwachs ging vor allem zu Lasten der umweltschonenderen Verkehrsmittel Bahn und Binnenschiff. Deren Anteil lag 1991 bei etwa 34,5 Prozent“, schreibt das Umweltbundesamt weiter. Die Bundesregierung rechnet angesichts zu erwartender Zuwächse mit noch mehr Lkw-Verkehr. Um dem entgegenzusteuern, wolle man den „Verkehrsträger Schiene weiter stärken und auszubauen“.

Die älteren Kollegen und Kolleginnen bei DB Cargo, der größten deutschen Güterbahn, können bei solchen Phrasen bestenfalls müde lächeln. Noch jede Bundesregierung und jeder Bahnvorstand der letzten Jahrzehnte wollte den Schienengüterverkehr „stärken“. Die Mittel zur angeblichen „Stärkung“ hießen stets: einsparen und privatisieren.

Die Zerschlagung der Bundesbahn 1994 und die Gründung der Deutsche Bahn AG bildete den Auftakt zum Ausverkauf. Ein Gang an die Börse war geplant. Die deutsche Eisenbahn sollte, wie die Post und andere Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, dem „freien Markt“ zugeführt werden. „Die Bahnreform 1994 verfolgte im Wesentlichen zwei Ziele: zum einen die Entschuldung der damaligen Staatsbahnen, um diese wirtschaftlich in die Lage zu versetzen, in den gewollten Wettbewerb mit anderen Bahnen und Verkehrsträgern eintreten zu können; und zum anderen mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen“, schreibt Erika Albers, ehemaliges Gesamtbetriebsratsmitglied bei DB Cargo, in den „Marxistischen Blättern“. Und wie die Bahnreform 1994, so ist noch jedes der folgenden Sanierungskonzepte der verschiedenen Vorstände, das durch „mehr Wettbewerb“ mehr Güter auf die Schiene bringen wollte, gescheitert.

In den letzten Jahren hat die angestrebte „Klimaneutralität“ den Schienengüterverkehr als umweltfreundlichen Verkehrsträger verstärkt in den öffentlichen Fokus rücken lassen. Die Güterverkehrstochter der Deutschen Bahn, die DB Cargo AG, befindet sich zu 100 Prozent in staatlicher Hand. Mit Sprüchen wie „Ein Güterzug ersetzt bis zu 52 Lkw“ wirbt das Unternehmen um Kunden. Das gelingt nicht: In Deutschland hat das Unternehmen zwar noch einen Marktanteil im Schienengüterverkehr von 40 Prozent – die Tendenz ist aber schon seit Jahren fallend.

Trotz seines sinkenden Marktanteils und hoher Verluste könnte man meinen, dass das staatliche Unternehmen eine wichtige Rolle spielen würde, um die Verkehrs- und Klimaziele von BRD und EU zu erreichen. Stattdessen steht wieder einmal eine Sanierung bevor. Im Zuge einer vom Vorstand ausgerufenen „Transformation“ will man „wettbewerbsfähig“ werden. Stellenabbau und Auslagerung von Geschäftsfeldern sind geplant.

Als Anlass zur „Transformation“ führen die Manager das derzeit auf EU-Ebene laufende Beihilferechtsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland an. Der BRD wird von einem der Öffentlichkeit unbekannten Kläger – sehr wahrscheinlich ein privater Konkurrent von DB Cargo – vorgeworfen, der bundeseigenen Güterbahn unzulässige Beihilfen gewährt zu haben. Gemeint ist die Übernahme der hohen jährlichen Millionenverluste von DB Cargo durch den DB-Konzern. Da die DB AG sich in staatlicher Hand befinde, sei dies eine unzulässige staatliche Beihilfe. Damit würden die „Wettbewerbsbedingungen auf dem europäischen Markt für Schienengüterverkehrsdienste verzerrt“, so der Vorwurf des Klägers.

„Die Untätigkeit der bisherigen Vorstände (..), ein tragfähiges Konzept für ein gewinnbringendes Geschäftsmodell zu entwickeln“, habe das Verfahren provoziert, kritisiert der EVG-Vorsitzende Martin Burkert. Nun wolle man „Kosten sparen und die EU-Kommission besänftigen“. Es wird erwartet, dass das von der EU-Kommission geführte Verfahren im Sommer zu einem Abschluss kommt.

Sollte die EU-Kommission zu dem – nicht unwahrscheinlichen – Schluss kommen, dass die BRD der DB Cargo AG „unzulässige Beihilfen“ gewährt habe, genügt ein Blick nach Frankreich, um sich die Folgen anzuschauen. Gegen die Güterverkehrstochter der französischen Staatsbahn SNCF, die SNCF Fret, wurde ein ähnliches Verfahren geführt. Ergebnis: Zum 1. Januar 2025 erfolgt eine Aufspaltung in zwei Gesellschaften und das Unternehmen wird in seiner bisherigen Form zerschlagen. Einige Transporte musste die französische Staatsbahn bereits an andere Güterbahnen abgeben. Der Widerspruch zwischen den vollmundigen Verkehrs- und Klimazielen von EU und BRD einerseits und der gleichzeitigen Zerschlagung der Überbleibsel staatlicher Güterbahnen ist mehr als offensichtlich.

Von alleine gelingt es DB Cargo im Wettbewerb mit dem billigeren Lkw nicht, mehr Marktanteile zu gewinnen. Die politische Unterstützung für eine ernstzunehmende Verkehrswende bleibt aus. Da will die Unternehmensführung wenigstens ein Stück vom Kuchen, den der reaktionär-militaristische Umbau aufgetischt hat. Zuletzt war die Cargo-Chefin Sigrid Nikutta Klinken putzen bei der Armee. „Beim schnellen Transport von Material oder der Verlegung von Truppen setzt die Bundeswehr stark auf DB Cargo. Über die wachsende Bedeutung dieser Transporte wurde kürzlich bei einem Termin mit dem „Führungskreis Territoriales Führungskommando der Bundeswehr“ diskutiert. Cargo-Chefin Sigrid Nikutta und Generalleutnant André Bodemann betonten beide die enge Partnerschaft“, hieß es jüngst im internen DB-Cargo-Rundbrief „Güternews“.

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"Die Schiene bleibt schwach", UZ vom 17. Mai 2024



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