Der Aufstand des Abendlandes. AfD, PEGIDA & Co.: Vom Salon auf die Straße

Die Saat ist aufgegangen …

Von Manfred Weißbecker

Wer immer noch notwendige Warnungen vor der Neuen Rechten, die in unterschiedlichster Gestalt auftritt und Zulauf erhält, für übertriebenen Alarmismus oder gar für überflüssig hält, dem sei das vorliegende kleine Bändchen nachdrücklich zur Lektüre empfohlen. Wie die Verfasser anderer Publikationen bieten auch seine Autoren Einblicke in widersprüchliche,

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schwierig zu durchschauende und dennoch furchterregende Erscheinungen aus jüngster Zeit. Die sorgfältig ausgebreiteten Fakten lassen den Leser erschrecken: Während in den großbürgerlich geprägten Medien und in jenen Veröffentlichungen, die auf dem bundesdeutschen Medienmarkt dominieren, zumeist lediglich besonders skandalträchtige Ereignisse benannt und diese zudem allzu oft nur in heuchlerischer Art und Weise kritisiert werden, richtet sich hier der Blick tief in regionale und lokale Bereiche. Da tauchen zahlreiche Namen von Personen auf, die gleichsam vor Ort jenes Gedankengut verbreiten, das gemeinhin nur Petry, Gauland, Lucke, Bachmann usw. zugeschrieben wird. Hingegen sehen sich hier der große Facettenreichtum in den neuen rechten Erscheinungen sowie die Alltäglichkeit politisch-ideologischer Argumentationsstrukturen und üblicher Metaphern deutlich erhellt.

Nach einem einleitenden Teil, der generelle Informationen zum Thema und methodische Überlegungen enthält, wird ein aufschlussreicher Überblick über eine Vielzahl der neuen bürgerlichen Protestbewegungen in Deutschland geboten. Dem folgt ein Kapitel, das diese in das politische Kräftespektrum der 2010er Jahre einordnet. Zu begrüßen ist die Aufnahme eines Exkurses über rechtspopulistische Erscheinungen in Großbritannien, Frankreich und Italien. An anderen Stellen wird auch auf Österreich und die Schweiz geschaut. Das ermöglicht Vergleiche und weckt zugleich Neugier auf Aussagen zu weiteren europäischen Ländern. Ein abschließendes, relativ kurzes Kapitel ist Fazit und Ausblick gewidmet.

Deutlich markieren die Verfasser jene Hypothesen, von denen sie sich in ihrer Analyse und Kritik grundsätzlich leiten ließen. Ross und Reiter gelte es zu benennen, also Ursachen zu erhellen und Zusammenhänge zu fixieren. Völlig berechtigt werden Auffassungen bezweifelt, denen zufolge mehr oder weniger nur Zufälle dazu geführt hätten, dass AfD einerseits und der Protest auf den Straßen andererseits nebeneinander existieren. Das besonders zu begrüßende Anliegen der Autoren besteht darin, das als symbiotisch charakterisierte Verhältnis beider Erscheinungen zu untersuchen.

Phillip Becher, Christian Begass und Josef Kraft

Der Aufstand des Abendlandes. AfD, PEGIDA & Co.:

Vom Salon auf die Straße (Neue Kleine Bibliothek 216)

PapyRossa Verlag Köln 2015, 130 S.

ISBN 978-3-89438-587-3, 11,90 Euro

Salon und Straße – mit diesen Begriffen werden wesentliche Bestandteile des gegenwärtig von einigen Teilen der deutschen Eliten aus Wirtschaft, Politik und regierenden Parteien unternommenen Versuches bezeichnet, Schritt für Schritt ein weiter nach rechts verschobenes Gesellschaftsprojekt zu etablieren. Dieses sei in erster Linie „wirtschaftsfreundlich“, von einer neuen „Ordnungsidee“ getragen und könne nicht anders als autoritär bezeichnet werden. Was in kapitalkräftigen Kreisen, deren Rolle selten thematisiert wird, sowie in den bürgerlichen Salons vorgedacht worden sei, werde gegenwärtig von einer massenhaften Bewegung auf die Straße getragen. Und bei dieser gehe es nicht schlechthin um einen „plumpen Rassismus“, wie oft erklärt wird, sondern „um die Herstellung einer Massenbasis, die dem fortgesetzten Abbau von sozialen und demokratischen Rechten auf breiter Linie zuträglich sein soll.“ (S. 116) Es könne „davon ausgegangen werden, dass mit der AfD und ihrem in Bürokratie, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik erfahrenem Personal ein professionalisierendes Element in die deutsche Rechte gekommen ist, das bereits jetzt Rückwirkungen auf deren Platz im politischen Kräftespektrum der bürgerlichen Gesellschaft hat.“ (S. 18) Die Saat geht also auf: zielorientierte und machtpolitisch geprägte Veränderungen lassen sich im Feld neu-rechter Parteien und der Bewegungen erkennen. Ihre ideologische Liaison jedenfalls trägt bereits gegenwärtig Früchte.[1]

Es wäre vermessen, von einer solchen knappen Überblicksdarstellung sowie von der auf einen zentralen Aspekt fokussierten Untersuchung darüber hinausgehende Ergebnisse erwarten zu wollen. Weiteres Beobachten und Analysieren sind erforderlich.[2] Allerdings bestätigt alles, was nach Redaktionsschluss dieser lesenswerten Publikation über die politische Bühne gegangen ist, sowohl die dargestellten kausalen Zusammenhänge als auch die Notwendigkeit, den weiter zu erwartenden Erscheinungen eindeutig und konsequent zu widerstehen. Politikern aller Parteien, die sich als demokratisch verstehen, wäre daher die Lektüre des Bandes eindringlich zu empfehlen.

1 Ob dies, wie Tomasz Konicz meint, generell als eine „Allianz zwischen Mob und Elite“ bezeichnet werden kann, die für den deutschen Präfaschismus charakteristisch sei, und ob sich der europäische Kontinent bereits „auf dem Weg in einen Faschismus des 21. Jahrhundert“ befindet, darf bezweifelt werden. Tomasz Konicz: Kampffeld Europa. In: neues deutschland, 20.7.2015, S. 10.

2 Einer der Autoren, Phillip Becher, verwies im Neuen Deutschland vom 22.7.2015, S. 4 auf paradoxe Situationen und zu erwartende Entscheidungskämpfe im Ringen um ein gemeinsames Projekt der Neuen Rechten, mit dem ein „mögliches gegenseitiges Kannibalisieren der Rechtskräfte“ vermieden werden soll.

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"Die Saat ist aufgegangen …", UZ vom 21. August 2015



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