In der vergangenen Woche wurden im Bundestag vor dem Hintergrund der Coronakrise Hilfen für die deutsche Wirtschaft in Höhe von insgesamt 1,2 Billionen Euro beschlossen. Als Teilaspekt hiervon hatte die Bundesregierung bereits am 13. März mittels einer Verordnungsermächtigung die Richtlinien zur Kurzarbeit im Eilverfahren neu geregelt. So wurden Voraussetzungen für Kurzarbeit abgesenkt und Leistungen erweitert.
Das Quorum der im Betrieb Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, wurde auf bis zu 10 Prozent herabgesetzt. Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden wird mit Inkrafttreten der Verordnung teilweise oder vollständig verzichtet, und auch Leiharbeitern wird der Kurzarbeitergeld-Bezug ermöglicht. Da Kurzarbeit für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen besser als Jobverlust ist, erscheinen die Neuregelungen auf den ersten Blick positiv. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass hier nicht die Sorgen und Nöte der Lohnabhängigen im Mittelpunkt der Überlegungen der politisch Verantwortlichen standen, sondern in erster Linie Kapitalinteressen. Dies wird besonders deutlich bei der Frage, wer letztendlich die ganze Veranstaltung bezahlt.
Meldet ein Betrieb Kurzarbeit an, sieht das Gesetz die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit bis zu 100 Prozent vor. Diese werden „paritätisch“ von den Beschäftigten und den Unternehmern gezahlt. Letztere bekommen ihren Anteil zu 100 Prozent von der Agentur erstattet. Den Beschäftigten werden jedoch in der Regel nur 60 Prozent des Lohns ausgezahlt. Dies bedeutet für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen bei komplettem Stillstand der Produktion Lohneinbußen bis zu 40 Prozent.
Von einer Vergütung auf dem Niveau von 60 Prozent seines vorherigen Gehalts könnte ein Manager eines börsennotierten Unternehmens sicher weiter gut leben. Für die Beschäftigten in den Fabriken und Verwaltungen in diesem Land bedeutet die entstandene Lohnlücke viel zu oft, dass die Kosten für Miete und Lebenshaltung nicht mehr bezahlt werden können. Insbesondere im Dienstleistungsbereich mit seinem ausgeprägten Niedriglohnsektor werden viele Beschäftigte – trotz Kurzarbeitergeld – in den Hartz-IV-Bezug abrutschen. Daher forderten die Gewerkschaften die Bundesregierung auf, die Regelungen zur Kurzarbeit so zu ändern, dass die Kapitalseite einen Teil der ihr erstatteten Sozialversicherungsbeiträge dazu nutzt, den Lohn ihrer Beschäftigten auf zumindest 80 Prozent aufzustocken.
Da in unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auch oder gerade in der Krise der Profit Weniger über den Interessen der Vielen steht, verwundert es nicht, dass die Politik diese Forderung nicht umsetzte. Millionen abhängig Beschäftigte werden so im Regen stehen gelassen, während gleichzeitig weitere Milliardenprogramme für Unternehmen bereitgestellt werden. Mit dem Ende der Krise, wenn die vorübergehend ausgesetzte Schuldenbremse und das Dogma der schwarzen Null wieder Gültigkeit haben, wird uns dann die Rechnung präsentiert. Angesichts der aktuellen Versammlungs- und De-facto-Arbeitskampfverbote bleibt nur zu hoffen, dass man sich bis dahin wieder legal unter einer roten Fahne und hinter einem Gewerkschaftstransparent versammeln kann.