Die Bayer AG hat ihre Aktionäre zum 26. April 2019 in das World Conference Center nach Bonn eingeladen. Darüber sprachen wir mit Axel Köhler-Schnura (Gründungsmitglied/Vorstand) und Marius Stelzmann (Geschäftsführer) vom weltumspannenden Netzwerk „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ (CBG).
UZ: Am 26. April findet die Hauptversammlung (HV) von Bayer statt. Wie muss man sich eine solche Versammlung vorstellen? Was wird dort beraten?
Der Sozialwissenschaftler Marius Stelzmann ist Geschäftsführer der Coordination gegen Bayer-Gefahren.
Marius Stelzmann: Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften sind Treffen der Konzern-Besitzer mit ihrem Management. Bei Bayer sind das Vorstand und Aufsichtsrat, die mit den Aktionären des Konzerns zusammenkommen. Zu den Besitzern von Bayer gehören die über BlackRock und andere Fonds vertretenen Ultra-Reichen ebenso wie Arbeiter und Angestellte des Konzerns, die als Belegschaftsaktionärinnen und -aktionäre Anteile halten, oder wie auch viele größere und kleine Aktionäre, die meinen, ihre Ersparnisse in Wertpapieren anlegen zu müssen. Insgesamt hat Bayer rund 400000 Einzelaktionäre, 95 Prozent besitzen Anteile von lediglich ein paar Hundert bis ein paar Tausend Euro am Konzern. Aktionäre wie BlackRock hingegen besitzen Anteile von Dutzenden oder gar Hunderten Millionen Euro.
Formal legt das Management auf der Hauptversammlung Rechenschaft ab und berät mit den Besitzern die Geschäftspolitik. De facto wird aber alles mit den Großaktionären außerhalb der HV in „Investorenkonferenzen“ beziehungsweise mit Einzel-Telefonaten erledigt. Die HVs sind in der Regel längst reine Propaganda-Veranstaltungen, bei denen es hauptsächlich um Lobhudelei und Ausschüttung der immer höheren Profite geht.
Außer bei Bayer! Dort läuft das schon seit 1983 nicht mehr so. Statt von Gewinn, Profit und Konzernpropaganda ist das Besitzer-Treffen bei Bayer geprägt von den Kehrseiten der Gewinne und Bilanzen. Das verhagelt den Großaktionären und den Bossen Jahr für Jahr trotz aller Gegenmaßnahmen ordentlich die Laune.
Mitunter sprechen in den HVs mehr als ein Dutzend Kritische Aktionärinnen und -aktionäre über die Verbrechen und Skandale. Sie fordern die Verwendung der Milliarden-Gewinne für Entschädigungen der Opfer, für eine menschen- und umweltgerechte Produktion, verweigern den Verantwortlichen jegliche Entlastung und begründen, warum es höchste Zeit ist, den Konzern unter demokratische Kontrolle zu stellen. Damit ist Bayer der einzige Konzern weltweit, bei dem seit mehr als 30 Jahren keine HV im traditionellen Sinn mehr möglich ist. Die CBG ermöglicht es so den Betroffenen und Opfern aus aller Welt, die Verantwortlichen im Konzern – die Besitzer und das Management – höchstpersönlich mit ihrer Kritik zu konfrontieren und ihre Forderungen vorzutragen.
UZ: Werden dort auch Konsequenzen aus dem Monsanto-Ankauf durch Bayer debattiert werden?
Axel Köhler-Schnura: Das wird in jedem Fall passieren. Selbst traditionelle Kleinaktionärsvereinigungen und einzelne Großaktionäre kritisieren mittlerweile die Übernahme von Monsanto scharf, wenn auch aus anderen Motiven als wir. Während die traditionellen Besitzer das Management und den Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann angreifen, weil der Deal eine ungeheure Wertevernichtung und einen dramatischen Absturz der Bayer-Aktie zur Folge hatte, lehnen die Kritischen CBG-Aktionäre die Übernahme des „dreckigsten Konzerns der Welt“ aus prinzipiellen Gründen ab. Den Konzern-Kritikern ist sie ein Beispiel dafür, dass sich im kapitalistischen Wettbewerb immer forcierter Monopoltendenzen durchsetzen. Zum Schaden der sozialen Gerechtigkeit, des Friedens und der Umwelt. Monopole sprengen die Grenzen von Politik und staatlicher Aufsicht. Extra- und Monopolprofite lassen sich so noch rücksichts- und schamloser realisieren.
UZ: Welche Auswirkungen hat der Ankauf auf die Arbeitsplätze der Bayer-Beschäftigten in Deutschland?
Marius Stelzmann: Die Auswirkungen für die Beschäftigten sind katastrophal. Durch die Übernahme hat sich der Konzern in eine wirtschaftlich höchst prekäre Lage gebracht. Die bisherigen Schadenersatz-Prozesse in Sachen „Glyphosat“ mit ihren Strafen von 78 beziehungsweise 80 Millionen Dollar haben die Aktie des Konzerns abstürzen lassen, denn die Finanzmarkt-Akteure rechneten die Summe auf die noch ausstehenden 11 200 Klagen hoch und sahen enorme Belastungen auf den Global Player zukommen. BlackRock & Co. mahnten Handlungsbedarf an – und der Bayer-Konzern lieferte. Er kündigte ein gewaltiges Umbau-Programm an und stellte 12000 Arbeitsplätze zur Disposition – mehr als jeden zehnten Job im Unternehmen. Der Gesamtbetriebsrat hat dem schon zugestimmt. Auch die Vernichtung von 4 500 Arbeitsplätzen an den bundesdeutschen Standorten segnete er ab. Weil in diesem Zusammenhang von einem Drittel gesprochen wird, kommt der Verdacht auf, dass sogar noch mehr Stellen gestrichen werden sollen. Und die angekündigten Verkäufe von Sparten wie der Tiergesundheit kosten noch einmal Jobs.
Die Profit-Trächtigkeit des Konzerns soll mit allen Mitteln gesichert werden. Es gibt durchaus auch Überlegungen von Profitjägern im Markt, Bayer in drei Unternehmen zu zerschlagen. Drei Teile, die jeweils 40 Prozent des jetzigen Gesamtwerts des Unternehmens ausmachen, ergeben immerhin 120 Prozent, also ein Plus von 20 Prozent. Auch eine solche Zerlegung des Konzerns ginge wieder auf Kosten der Beschäftigten, die dann durch Lohnkürzungen, Arbeitshetze, Aushöhlung der Arbeitssicherheit und Entlassungen noch mehr bluten müssten.
UZ: Sie protestieren nicht zum ersten Mal gegen Bayer. Wie haben die Anwesenden bei vergangenen Protestaktionen reagiert?
Axel Köhler-Schnura: Bayer versucht seit mehr als 30 Jahren, die Coordination loszuwerden. Mit allen Mitteln. Mit Werkschutzgewalt, mit Einschüchterung, Diffamierung und auch mit Prozessen. Bei einer HV waren vor dem Saal Dutzende DKP-Fahnen zu sehen, gehalten von Bayer-Werkschutzleuten, die der Öffentlichkeit auf diese Weise die drohende Zerschlagung des Konzerns durch Kommunisten vor Augen führen wollte. Alles ging bisher in die Hose, die CBG ist fest verankert und genießt breite Solidarität. Selbst große Staatsfonds haben die Bayer-Aktie auf der Basis der Analysen der CBG aus ihren Portfolios gestrichen. Und Bayer-Arbeiter schrieben Dutzende von Leserbriefen an die Bayer-Werkszeitung, um die CBG gegen infame und hetzerische Angriffe der Konzernleitung in Schutz zu nehmen.
UZ: Welche Protestaktionen sind bei der HV geplant?
Marius Stelzmann: Es wird am Vorabend der HV eine „KickOff“-Veranstaltung in Bonn mit internationalen Gästen geben, mit der wir auf die Proteste bei Bayer einstimmen und um Beteiligung werben. Vor dem Werk in Leverkusen verteilen wir Flugblätter, um die Beschäftigten einzubeziehen und zu erreichen. Vor der HV wird es eine große Kundgebung eines breiten Bündnisses mit Traktoren, Rede-Beiträgen und vielfältigen Aktionen geben. In der Stadt wird es eine Demonstration der Schüler-Bewegung „Fridays For Future“ geben, die zur Kundgebung vor der HV stößt. Im Saal selbst werden mindestens 30 Rednerinnen und Redner zu den Verbrechen und Skandalen als Kritische Aktionäre sprechen.
Bayer musste im Vorfeld der HV nahezu zwei Dutzend Gegenanträge in Englisch und Deutsch veröffentlichen, die weltweit zugänglich sind. Kurz nach der HV, um den 18. Mai herum, wird weltweit die Aktion „March Against Bayer“ mit Dutzenden Märschen in aller Welt stattfinden. In Europa unter anderem in Basel, Paris und Hamburg.