Es ist gut, dass wir diese Fragen diskutieren. Dabei stehen wir nicht am Anfang. Bereits vor dem 21. Parteitag haben wir das Thema auf einer theoretischen Konferenz diskutiert. Den Genossen Björn Blach und Paul Rodermund ist zu danken, dass sie mit ihrem Diskussionsbeitrag Widerspruch hervorrufen. Dieser Widerspruch ist notwendig, und der Widerspruch treibt bekanntlich voran.
In der gesamten Debatte brauchen wir eine Klarheit der Begrifflichkeiten. Die fehlt uns zum Teil noch. Stichworte wie „antimonopolistische Strategie“ und „antimonopolistische Demokratie“ werden mitunter verwechselt oder gleichgesetzt. Antimonopolistische Bündnispolitik wird oft auf die Frage reduziert, wer potentielle Bündnispartner sind.
Mein Ansatz ist deswegen, sowohl Struktur in diese Fragen zu bringen, als dabei auch Position zu beziehen. Ich verstehe meinen Beitrag deshalb weniger als Antwort auf den Beitrag der Genossen Blach und Rodermund, sondern mehr als Beitrag zum zentralen Diskussionsprozess in Vorbereitung des 22. Parteitags.
Fangen wir mit der antimonopolistischen Strategie an. Sie ist keineswegs Ergebnis der Programmarbeit der DKP nach 1968. Sie ist auch nicht Ergebnis des Aufschwungs der kommunistischen Weltbewegung oder gar der Existenz eines sozialistischen Lagers, das ein annäherndes Kräftegleichgewicht mit dem Kapitalismus erzwungen hatte.
Die antimonopolistische Strategie ist eine Konsequenz aus der Leninschen Imperialismusanalyse. Analytische Eckpunkte sind, dass das Monopol zum strukturbestimmenden Moment dieses neuen, imperialistischen Stadiums des Kapitalismus geworden ist. Und Eckpunkt dieser Analyse ist, dass dies zwingend zur Ausdifferenzierung innerhalb der herrschenden Klasse (Finanzkapital als Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital, Monopolkapital, kleine und mittlere Kapitalisten) und der beherrschten Klasse (Herausbildung von Arbeiterbürokratie und Arbeiteraristokratie) führt.
Die Widersprüchlichkeit zwischen den imperialistischen Nationen, die Unterdrückung von schwachen kapitalistischen (ja, sogar schwachen imperialistischen) Ländern, die Gesetzmäßigkeit der ungleichen Entwicklung im Kapitalismus führt darüber hinaus zu Widersprüchen, zu Unterschieden auch zwischen Fraktionen des Monopolkapitals.
Das zu erkennen ist für eine Strategieentwicklung entscheidend. Historisch gesehen war das sowohl die Grundlage der Leninschen Revolutionstheorie, als auch die Grundlage der Dimitroffschen Faschismusdefinition („Faschismus an der Macht ist die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ (Hervorhebung P. K.)).
Verallgemeinert kann für das Stadium des Imperialismus und für die innerhalb dieses Stadiums vollzogene Entwicklung hin zum staatsmonopolistischen Kapitalismus, der Verschmelzung von Staat und Monopolmacht, gelten, was Willi Gerns wie folgt formulierte: „Die Monopole, die ihre Macht mit der des kapitalistischen Staates vereinigen, stellen die entscheidende Basis und das Rückgrat des heutigen Kapitalismus dar. Mit der Überwindung der Monopolmacht würde darum das wichtigste Hindernis für die Öffnung des Weges zum Sozialismus überwunden. Deshalb ist es objektiv notwendig, die ganze Kraft gegen das Monopolkapital, gegen die vereinigte Macht von Monopolen und monopolkapitalistischem Staat zu konzentrieren.“ (W. Gerns, in Kopp/Geisler, „Denkanstöße“, Essen 2015, S. 20)
Strategie nach 1945
Alle programmatischen Dokumente der KPD, auch nach der Befreiung, waren durchzogen von einer antimonopolistischen Strategie. Das gilt für den Aufruf der KPD vom 11. Juni 1945. Dort werden als „imperialistische Auftraggeber der Nazipartei die Herren der Großbanken und Konzerne, die Krupp und Röchling, Poensgen und Siemens“ benannt. Dort wird bei den dringendsten Aufgaben unter Punkt 6 und 7 auf die „Enteignung des Vermögens der Nazibonzen und Kriegsverbrecher“, die „Liquidierung des Großgrundbesitzes, der großen Güter der Junker, Grafen und Fürsten“ orientiert, während ebenfalls in Punkt 7 gesagt wird, dass „diese Maßnahmen in keiner Weise den Grundbesitz und die Wirtschaft der Großbauern berühren werden“. In Punkt 2 dieser dringendsten Maßnahmen spricht die KPD gar von der „völlig ungehinderten Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums.“
Das hatte auch etwas damit zu tun, dass die KPD sich der Aufgabe stellte, nach einem Weg der Heranführung an die sozialistische Revolution zu suchen, für die die Zeit nicht reif war (im Unterschied übrigens zur SPD, die das agitatorisch behauptete, deren Führung aber schnell an der Restauration der alten Macht- und Besitzverhältnisse arbeitete). Die KPD bestimmte als Inhalt dieser Übergangsphase die Orientierung auf einen antifaschistisch-demokratischen Aufbau. Das war Grundlage für den späteren Übergang zum Aufbau des Sozialismus in der DDR.
Auch der Hamburger Parteitag der KPD von 1954 beschloss eine klare antimonopolistische Orientierung. 1954 war wahrlich kein Jahr des Aufschwungs der Kommunisten in der Bundesrepublik. Seit 1949/50 nahm die Repression zu, 1951 wurde die FDJ verboten, der Antrag auf Verbot der KPD gestellt. Die KPD war aus dem Bundestag geflogen, der Antikommunismus grassierte. Worauf orientierte die KPD? „Die deutsche Arbeiterklasse kann sich nur befreien, indem sie als Führerin der Nation das einige, demokratische Deutschland gegen die deutschen Monopolkapitalisten, Großgrundbesitzer und Militaristen erkämpft.“ Das war die Kernaussage der Orientierung. Hinsichtlich der Bündnispolitik wurde dann entwickelt: „Das Kraftzentrum des erfolgreichen Kampfs der Volksmassen ist die Aktionseinheit der Arbeiterklasse. Je aktiver die Arbeiterklasse die Sache der Wiedervereinigung und des Friedens in ihre Hände nimmt, desto erfolgreicher wird sie das Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft und die Zusammenarbeit mit allen friedliebenden, demokratischen Kräften verwirklichen.“ (…) „Die Aufgabe der Arbeiterklasse und vor allem der Kommunisten besteht darin, mit allen patriotischen Schichten der Bevölkerung, mit den Millionen Bauern, mit den Handwerkern und Gewerbetreibenden, mit den Geistesschaffenden, mit allen, die nicht wollen, dass der deutsche Militarismus wieder entsteht, in lebendige Verbindung zu treten.“ Wenn das keine antimonopolistische Orientierung ist, die die Hauptfrage der Verhinderung von Militarismus und den Kampf um die Wiedervereinigung in den Vordergrund stellt.
Und heute? Leider haben wir doch mit einer Kernaussage des 21. Parteitags Recht behalten. Wir müssen uns auf eine wachsende Aggressivität des deutschen Imperialismus nach innen und außen einstellen. Und die dabei treibenden Kräfte sind das Monopolkapital, seine unterschiedlichen Fraktionen, der militärisch-industrielle Komplex, das Finanzkapital im Leninschen Sinn (Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital).
Angesichts der Schwäche der deutschen Arbeiterklasse wäre es Unsinn, über Bündnisse mit den Teilen des Monopolkapitals zu spekulieren, die kein Interesse am Säbelgerassel gegenüber Russland haben. Aber den Widerspruch bis hinein ins Monopolkapital muss man genauso sehen wie die Tatsache, dass das Kapital nicht nur aus dem Monopolkapital besteht. Das heißt, ich erwarte nicht, mit Joe Kaeser, dem Siemens-Mann, Arm in Arm gegen von der Leyen zu marschieren. Ich bin aber vehement dafür, für Friedensdemos auch Kleingewerbetreibende, Unternehmer zu gewinnen – solange wir uns dafür nicht selbst zurücknehmen und weiterhin auf den Zusammenhang von Kapitalismus und Krieg verweisen.
Dies macht deutlich: Antimonopolistische Bündnispolitik hat nicht zuerst die Frage nach den theoretisch möglichen Bündnispartnern zu stellen – zuvörderst ist sie eine inhaltliche Frage. Sie muss die Fragen in den Mittelpunkt stellen, die die entscheidenden sind, sie muss dann Kräfteverhältnisse analysieren und dann mögliche Bündnispartner bestimmen.
Natürlich darf die kommunistische Partei niemals aus Rücksicht auf die Aktionseinheits- und Bündnispolitik darauf verzichten, ihre eigenen Inhalte zu verbreiten. Da geht es immer darum, dass der Grundwiderspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital die Ursache für Kriege, Faschismus, Sozial- und Demokratieabbau ist.
Zuerst ist antimonopolistische Bündnispolitik eine Frage der Stoßrichtung. Es geht um eine Bündnispolitik mit Forderungen gegen den strukturbestimmenden Teil des Kapitals, das Monopolkapital, es geht um eine Bündnispolitik gegen die aggressivsten Teile des Monopolkapitals. Dann ist es eine Frage der Inhalte. Und erst dann geht es um die Frage der möglichen Partner, der möglichen Breite.
Willi Gerns schreibt dazu: „Durch die Vereinigung der Macht der Monopole mit der des Staates ist ein starkes Machtkartell entstanden, das nur durch eine starke Gegenkraft überwunden werden kann. Diese wird umso stärker sein, je mehr es uns gelingt, möglichst viele Gegner der Monopolbourgeoisie aus allen Gruppen und Schichten, die – und wenn dies auch nur in Teilfragen der Fall ist – in Widersprüche zum staatsmonopolistischen Kapitalismus geraten, in breite antimonopolistische Bündnisse zusammenzuführen.“ (W. Gerns, „Denkanstöße“, S. 20)
Dabei muss klar sein, Bündnisse sind keine katholischen Ehen, keine Strukturen, die dauerhaft monolithisch sind. Natürlich ist der Kern unserer Bündnispolitik die Aktionseinheitspolitik, also die Bündnispolitik im Maßstab der Arbeiterklasse. Es ist aber nicht möglich, da sequentiell heranzugehen, also, wir machen jetzt Aktionseinheitspolitik und, wenn die weit genug entwickelt ist, machen wir Bündnispolitik mit andern Gruppen und Schichten. Es wird vielmehr darum gehen, mit der größtmöglichen Flexibilität diese Frage zu behandeln. Und: Flexibilität darf niemals mit Opportunismus verwechselt werden. Der beginnt immer dort, wo darauf verzichtet wird, im Bündnis um die inhaltlichen Grundlagen des Bündnisses zu ringen und/oder auf die Vertretung der eigenen, weitergehenden Positionen zu verzichten. Natürlich wollen wir Kollegen, Freunde, Bürger im Bündnis davon überzeugen, dass nicht nur die Einzelforderung, die sich in der Regel objektiv gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus richtet (aber subjektiv gar nicht so erkannt wird), zu erkämpfen ist, sondern die Macht der Monopolbourgeoisie und letztlich die Macht des Kapitals in der Gesamtheit in Frage zu stellen ist.
Die Debatte um Bündnismöglichkeiten bis hinein ins Monopolkapital halte ich für eine Geisterdebatte. Dafür gibt es im heutigen Deutschland keine praktische Relevanz. Für Schwesterparteien kann sich die Frage aber durchaus stellen. In der Peripherie der EU ist genau zu bestimmen, ob es nicht Teile der Bourgeoisie gibt, die sich gegen die Vorherrschaft des deutschen Imperialismus in der EU stellen. Und dann muss eine Leninsche Bündnispolitik her – notfalls mit dem Teufel. Nur darf dabei nicht vergessen werden, dass es der Teufel ist.
Nun komme ich zuletzt noch zur Frage der „Antimonopolistischen Demokratie“. Sie war im Programm von 1978 eine konkretisierte Überlegung, wie eine Übergangsphase, ein Heranführen an die proletarische Revolution aussehen könne. Sie war also vergleichbar mit den Forderungen der KPD von 1945 nach einem antifaschistisch-demokratischen Deutschland und der Orientierung der KPD von 1954 auf ein „einheitliches, friedliebendes, demokratisches Deutschland.“
Typische Doppelherrschaft
All diese Phasen waren niemals gedacht als eigenständige Gesellschaftsformationen. Denn in diesen Phasen ist die Machtfrage noch nicht zugunsten der Arbeiterklasse entschieden. Trotzdem sind diese Phasen Teil eines einheitlichen revolutionären Prozesses und führen an die proletarische Revolution heran. Sie sind im Leninschen Sinne zu verstehen als Phasen der Doppelherrschaft, als Parallele zu dem, was Lenin vor der Oktoberrevolution als „Staat der revolutionären Demokratie“ definiert.
Diese Phasen der Doppelherrschaft als Bestandteil des einheitlichen revolutionären Prozesses gab es in allen erfolgreichen proletarischen Revolutionen. Das war die Doppelherrschaft in Russland, das war die Phase des antiimperialistischen Kampfes in China und Kuba, das war die antifaschistisch-demokratische Phase in den europäischen Volksdemokratien, das war der Befreiungskampf in Vietnam, Laos und Kampuchea. Die Machtfrage ist noch nicht entschieden, Rückschläge, Konterrevolutionen möglich, siehe Chile und Portugal. Solch eine Phase erlebt Venezuela, der Ausgang ist offen.
Die proletarische Revolution erfordert die Ergreifung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse im Bündnis mit anderen nicht-kapitalistischen Schichten und Klassen (z. B. Bauern, Intelligenz, kleine Gewerbetreibende). Sie erfordert, dass die politische Macht genutzt wird, um der Bourgeoisie die Produktionsmittel zu entreißen. Das ist notwendig, weil auch kleines und mittleres kapitalistisches Eigentum immer wieder neuen Kapitalismus gebiert.
Die antimonopolistische Demokratie war eine Überlegung, wie eine Phase der Heranführung an die proletarische Revolution aussehen könnte. Im Programm von 1978 war das stark vom damaligen Kräfteverhältnis zwischen Sozialismus und Kapitalismus/Imperialismus im Weltmaßstab geprägt. 1978 haben wir diese Phase wohl etwas zu detailliert beschrieben. Wir haben zwar darauf verwiesen, vielleicht aber zu wenig, dass es sich keineswegs um die proletarische Revolution, sondern um die Heranführung an diese – im Rahmen eines einheitlichen, revolutionären Prozesses – handelt. Vielleicht haben wir auch zu stark Formulierungen verwendet, die vermuten ließen, dass wir die Frage der Staatsmacht im Sinne einer bürgerlich-parlamentarischen Regierung definieren würden. Diese Fragen werden aber unter den historischen Bedingungen durch die Massen und die Klassen- und Massenkämpfe entschieden werden. Dabei ist sicher davon auszugehen, dass die Massen sich Strukturen schaffen werden, die sich unterscheiden und abgrenzen werden von der noch bestehenden und agierenden Macht des Monopolkapitals.
Ich denke, es ist richtig, dass wir im Programm von 2006 auf die Formulierung „Antimonopolistische Demokratie“ und ihre Darstellung verzichtet haben.
Trotzdem spricht aus heutiger Sicht alles dafür, dass der Inhalt dieses Teils des revolutionären Prozesses vom Wesen her antimonopolistisch sein wird.
Aktuell erfordert diese Strategie, Überlegungen und Kämpfe zu entwickeln, die aus der jetzigen Defensivsituation, aus der Offensive des Imperialismus, des Staatsmonopolistischen Kapitalismus herausführen. Diese Defensive muss gedreht werden, das verbirgt sich hinter den Überlegungen zur Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt. Es geht um die Veränderung des Kräfteverhältnisses. Zugegeben, hier vor allem müssen wir konkreter werden. Mit dem Sofortprogramm haben wir einen ersten Schritt gemacht. Und wir gehen derzeit einen zweiten: Die Veränderung des Kräfteverhältnisses wird mit einer schwachen kommunistischen Partei nicht gehen. Wir kämpfen mit dem Bundestagswahlkampf um eine stärkere kommunistische Partei und um ein Druckmoment auf Linkspartei und andere. Wir kämpfen darum, dass die Arbeiterklasse und potentielle Bündnispartner in antimonopolistischen Kämpfen erkennen, dass sie ihre Stimme nicht abgeben, sondern erheben müssen. Das ist ein sehr konkreter Beitrag zum Kampf um eine Wende, und das ist die vor uns liegende Etappe.