SPD-Filz wird Berliner Mietern nichts Gutes bringen

Die Opfer des Andreas Geisel

Andreas Geisel, SPD, ist seit dem 21. Dezember 2021 Berliner Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Wieder einmal – er bekleidete das Amt bereits von Ende 2014 bis 2016. Mietenpolitisch war Geisel zuletzt in den Schlagzeilen, weil er als Berliner Innensenator im Vorgängerkabinett fast ein Jahr brauchte, um die Rechtmäßigkeit des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ prüfen zu lassen. Nun wird es unter seiner Regie wohl endgültig versanden.

Der gelernte Fernmeldetechniker – ausgebildet bei der Deutschen Post der DDR – begann seine politische Laufbahn Mitte der 1980er Jahre in den Reihen der SED. Offenbar, wie so viele damals, aus Karrieregründen, denn im Zuge der Niederlage des Sozialismus auf deutschem Boden verließ er die Partei noch 1989, um ein Jahr später in der SPD Karriere zu machen. Ein Ökonomiestudium in der DDR konnte er allerdings noch mitnehmen. An die neuen politischen Verhältnisse passte sich Geisel dann schnell per VWL/BWL-Studium an und verweist im Lebenslauf gar von 1994 bis 1995 auf eine Tätigkeit als „Junior Consultant“ bei der Unternehmensberatung „Price Waterhouse“, Bereich „Public Services“, in Berlin. Das qualifiziert ihn bis heute für Franziska Giffeys „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“, das die neue Regierende Bürgermeisterin für die Hauptstadt zuletzt in ihrer Neujahrsansprache ankündigte.

Denn obwohl Giffey den Eindruck zu erwecken versucht, Neuland zu betreten, stellt es wohnungspolitisch lediglich kalten Kaffee dar, wie es ihn auch schon während der letzten Jahre gab. „Gemeinsam mit städtischen und privaten Partnern“ sollen die Neubauzahlen gesteigert werden. Gemeint sind die marktmäßig ausgerichteten öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften (WBGs), die kapitalistische Bauwirtschaft sowie Immobilienhändler und -spekulanten. 20.000 neue Wohnungen pro Jahr seien das Ziel, 5.000 davon im niedrigen und mittleren Preissegment. Die billigsten Wohnungen starten bei 6,50 Euro/qm netto kalt. Zuzüglich Betriebs- und Nebenkosten werden diese, die ohnehin nur einen Bruchteil der Planzahlen ausmachen, für viele Berlinerinnen und Berliner letztlich immer noch zu teuer sein.

Was ist nun speziell vom neuen Senator zu erwarten? Noch tritt er leise; er wird jedoch an der Seite Giffeys getreu den marktradikalen Kurs fortsetzen. Erinnert werden muss in diesem Zusammenhang an den SPD-Filz gerade in der Berliner Bauwirtschaft. Stellvertretend sei hier nur auf Heiko Kretschmer verwiesen, den ehemaligen Juso-Vizevorsitzenden, der seit Jahren mehrere PR-Firmen besitzt und im neoliberalen „Wirtschaftsforum“ der SPD Ämter bekleidet. Der Lobbyist mischt überall dort mit, wo es im Sektor Wohnen gegen Mieter und für die Monopole zu Felde zu ziehen gilt. Auch in den Vorständen der profitorientierten öffentlichen Berliner Wohnungsbaugesellschaften sitzen sehr häufig SPD-Mitglieder, geschult in den Jahren, als Thilo Sarrazin noch Berliner Finanzsenator war.

Die veranschlagten Neubauzahlen werden sicherlich, wie in den Jahren zuvor schon, nicht eingehalten werden. Wo neu gebaut wird, entstehen billig hochgezogene „urban flats“ im Apartment-Stil. In solchen Neubauten, die von außen oft wie Hotel-Bettenburgen wirken, mietet man vor allem Kleinwohnungen, die mittels fehlender Trennwände viel Raum vorgaukeln und mit im Korridor integrierter Küche und Wohnzimmer – mit Glück hat man noch eine Tür vor dem Bad – auch größeren Familien ein vermeintlich komfortables Wohnen versprechen. Für solch modernes „Flair“ werden dann in der Regel horrende Mieten veranschlagt, schließlich muss sich das Ganze für Baufirmen, Vermarkter, Vermittler, Händler sowie Aktionäre lohnen. Und nicht zuletzt für die Lobbyisten.

Auf gar keinen Fall erwarten darf man von Andreas Geisel Enteignungen von Wohnraum, ein Ende der Zwangsräumungen, ein Absenken der Mietpreise in den öffentlichen WBGs oder gar ein von marktwirtschaftlichen Regeln entkoppeltes kommunales Wohnungsbauprogramm.

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"Die Opfer des Andreas Geisel", UZ vom 7. Januar 2022



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