Im Herbst eines jeden Jahres veröffentlicht der „Bund der Steuerzahler“ seit 50 Jahren unter großer medialer Aufmerksamkeit sein „Schwarzbuch – Die öffentliche Verschwendung“ und prangert damit die seiner Meinung nach große Steuerverschwendung der öffentlichen Hand in Deutschland an. Die neue Ausgabe wurde letzte Woche der Öffentlichkeit präsentiert. Die Aufmerksamkeit der Tagespresse und Nachrichtensendungen ist dem Steuerzahlerbund dabei sicher.
Populistisch werden zum Teil skurrile Projekte von Bund, Ländern und Kommunen angeprangert, die nur kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen werden können. So sind Beispiele angeführt, wie in einer Stadt eine öffentliche Sitzbank als Kunstwerk gebaut wurde, für deren Gegenwert ganze Parkanlagen mit Bänken versehen werden könnten, eine Autobrücke ohne Anschluss an eine Straße gebaut wurde, ein Bahnübergang im Nirgendwo oder irgendwo prestigeträchtige Bauten erstellt wurden. Die Beispiele entsprechen der Wahrnehmung vieler Menschen, was das Ausgabeverhalten der öffentlichen Verwaltungen angeht.
Der Herausgeber, der „Bund der Steuerzahler“, und seine Ziele sollten aber genauer betrachtet werden. Hier handelt es sich mitnichten um eine Organisation der gemeinen Steuerzahler, denen es um die sinnvolle Verwendung von Staatsgeldern geht. Es geht um knallharte – wenn auch gut gemachte – Lobbypolitik von Mittelständlern und Freiberuflern, denen jegliche Aktivitäten des Staates zuwider sind. Die Veröffentlichungen dienen dazu, den Staat als Akteur im schlechten Licht dastehen zu lassen. Anlässe dafür gibt der Staat selbst.
Die Berechnungen der „Steuerverschwendung“ werden dabei nicht nachweisbar angegeben. So bezifferte der Steuerzahlerbund die Gesamtsumme vor einigen Jahren auf 30 Milliarden Euro. Dieses ging selbst dem Bundesrechnungshof – auch ein Kritiker staatlicher Eingriffe – zu weit. Der Bundesrechnungshof bezifferte die reale Summe auf „nur“ 1,4 Milliarden Euro. Betrachtet man die Gesamtsumme des Bundeshaushaltes im Verhältnis, geht es um nicht einmal einen halben Prozentpunkt staatlicher Mittel. Nicht im Fokus des Steuerzahlerbundes stehen dagegen die Einnahmeverluste des Staates durch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung, die auf bis zu 14 Milliarden Euro im Jahr geschätzt werden.
Das ist auch nicht verwunderlich, da das Ziel des Steuerzahlerbundes klar definiert ist: Privat vor Staat, denn öffentliche Unternehmen führen zu einer „Wettbewerbsverzerrung“ und gehen damit zu Lasten des Profits der Privatwirtschaft. In der aktuellen Ausgabe des Schwarzbuches wird der „Staatswirtschaft“ ein großes einleitendes Kapitel gewidmet. Hier wird beklagt, dass der Staat im Zuge der Wirtschaftskrise zunehmend in das Wirtschaftsgeschehen eingreift und staatliche Beteiligungen an Unternehmen weiter zunehmen. Die Umsätze staatlicher Unternehmen steigen zudem und deren Überschüsse gehen der Privatwirtschaft verloren. Kritisiert werden die politischen Ziele, die mit den Eingriffen verbunden werden. Beispielhaft werden die Wohnungskäufe staatlicher Wohnungsbaugesellschaften wie in Berlin oder etwa die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Kiel angeführt. Beweise sind hier das Scheitern früherer staatlicher Unternehmen. Die Wettbewerbsverzerrung in diesem Sinne ist der Umstand, dass die Unternehmen nicht mehr so können, wie sie wollen.
Die größte Steuerverschwendung ist für den Steuerzahlerbund in diesem Jahr jedoch der Kohleausstieg und die beschlossenen Finanzmittel für die Strukturpolitik in den betroffenen Regionen. Das Geld sei unnötig, weil der Kohleausstieg sowieso gekommen wäre, weil der Markt es nicht mehr sinnvoll gefunden hätte. Hier wird deutlich, welche Ideologie vertreten wird und weshalb Analysen der Hans-Böckler-Stiftung oder der IG Metall zum Steuerzahlerbund deren Sozialfeindlichkeit vermerken.