Ein Blick auf die (Medien-)Welt der vergangenen Woche

Die Notbremse

Von Adi Reiher

Das war knapp. In der gerichtlichen Auseinandersetzung um den Bau einer neuen Autobahnbrücke über den Rhein bei Leverkusen hat das Bundesverwaltungsgericht noch so eben die Notbremse gezogen. Die an der vorgesehenen Baustelle gelegene Giftmülldeponie darf nicht geöffnet werden – bis auf Weiteres. Die Hauptverhandlung steht noch aus, so dass die Gefahr dieser Öffnung nicht gebannt ist.

Die Geschichte dieser Deponie ist ein Lehrstück des Kapitalismus. Von 1923 bis in die 60er Jahre hatte zunächst die IG Farben, dann die Bayer AG hier insgesamt 900 000 Tonnen Giftmüll abgelegt. Danach kam man auf die gloriose Idee auf dem Gelände 300 Wohneinheiten, eine Schule, ein Altersheim und einen Kindergarten zu errichten. In der Folgezeit erkrankten immer Menschen an Krebs, es gab auch Todesfälle. Wie viele, ist nicht bekannt, da weder die Stadt Leverkusen noch der Bayer-Konzern die Zahlen erfassten. Immerhin wiesen 25 Prozent der dort unterrichteten Schüler 1989 „auffällige Befunde“ des Blutbildes auf. Drei Jahre später schrieb der „Spiegel“ von 15 Krebsfällen, davon fünf mit tödlichem Ausgang.

Nun endlich wurde das Gelände entsiedelt. Die notwendigen Sicherungsmaßnahmen zur Versiegelung der Deponie verschleppte der Bayer-Konzern, bis man Anfang des neuen Jahrtausends auf die – zugegeben – geniale Idee kam, ausgerechnet hier eine Landesgartenschau zu veranstalten. Damit waren öffentliche Gelder für Arbeiten gesichert, die allein in der Verantwortung des Bayer-Konzerns standen.

Bei Protestaktionen gegen diese Dreistigkeit konnte ich mit einem der Ingenieure sprechen, die das Gelände versiegelt hatten. Er war überzeugt, dass weder in das Grundwasser noch in die Luft jemals Gift entweichen könnte. Viele andere, auch ich, waren der Meinung, dass diese Gefahr immer bestehe. Falls das Bundesverwaltungsgericht die Öffnung letztendlich doch erlaubt, hätten die Kritiker recht behalten, wenn auch anders, als sie dachten. Ich zumindest hätte in diesem Fall gern unrecht gehabt.

Manchmal reicht es zu zitieren. Stephen Bannon, den Chefberater von Donald Trump, zum Beispiel: „Wir werden im Südchinesischen Meer in fünf bis zehn Jahren Krieg haben, oder etwa nicht? Daran gibt’s keinen Zweifel. Die nehmen ihre Sandbänke und machen daraus ständige stationäre Flugzeugträger, dann stellen sie noch Raketen drauf. Sie kommen dann in die USA, und sie sagen uns direkt ins Gesicht – und Ihnen allen ist klar, wie wichtig das Gesicht ist –, die See dort ist seit alters ihr Territorium.“ (USA Today, 31. 1. 2017)

Oder: „Finsternis ist gut, Dick Cheney. Darth Vader. Satan. Das ist Macht. Es kann uns nur helfen, wenn sie [gemeint waren Liberale und Fortschrittliche] uns missverstehen. Wenn sie blind dafür sind, wer wir sind und was wir tun.“ (Badische Zeitung, 1. 2. 2017)

Dazu passt, dass Trump die Modernisierung der US-Atomwaffen in großem Stil ankündigt. In den Nachrichten von WDR 2 wird das euphemistisch „Erhöhung der Abschreckung“ genannt. Das suggeriert, es gehe nur um die Sicherung des Vergeltungsschlages. Dazu reichen die 7 000 vorhandenen Sprengköpfe der USA aber allemal aus. Worum es geht, war schon offensichtlich, als der Friedensnobelpreisträger Barack Obama Mitte des letzten Jahres „seinen“ Modernisierungsplan (Ausgaben von 348 Mrd. Dollar bis 2024) vorstellte. Angesichts dieser Summen dürfte es kaum um Abschreckung gehen. Die Ziele sind Entwicklung einer Erstschlagfähigkeit und Einsatz moderner „taktischer“ Atomwaffen. Beides erhöht das weltweite Kriegsrisiko enorm.

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"Die Notbremse", UZ vom 3. März 2017



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