Warum Appelle nicht helfen und den Partner zu bestreiken keine Perspektive bietet

Die neue Frauenbewegung

Der internationale Frauenkampftag hat eine lange Tradition. Seit 1911 wird er von demokratischen Kräften weltweit, allen voran Kommunisten, begangen – ob illegal während des Ersten Weltkriegs oder im Frauen-KZ-Ravensbrück oder ganz offiziell und staatlich mitgetragen in den sozialistischen Ländern. Daneben gab es andere ideologische Orientierungen in der Frauenbewegung. Aufgrund der aktuellen Schwäche der Klassenorientierten in der BRD, vor allem der Kommunistischen Partei, nimmt die Distanz zu einem klassenkämpferischen Herangehen an die Frauenfrage in der Tendenz zu. Anhand der Frauentagsaufrufe des Frauenstreikbündnisses und des DGB soll der Einfluss bürgerlicher Ideologie aufgezeigt und daraus Aufgaben für die Kommunisten abgeleitet werden.

Verschiedene Unterdrückungsverhältnisse

Im Aufruf des Frauenstreikbündnisses springt die Formulierung von „mehrfachen Unterdrückungsverhältnissen“ und dem notwendigen Kampf „gegen Kapitalismus und Patriarchat“ ins Auge. Diese Ideen leiten sich von identitätspolitischen Debatten ab. Dahinter steht klassischerweise die Vorstellung, dass es verschiedene, gleichrangig nebeneinanderstehende Unterdrückungsverhältnisse gibt – zum Beispiel Ethnie/Rasse und Geschlecht oder auch die Kategorie Klasse, die in diesem Zusammenhang allerdings nur als soziale Lage verstanden wird. Das heißt: Eine Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die Schlechterstellung der Frau stattfindet und auf denen sie gründet, bleibt an der Oberfläche – das Wesen wird nicht erkannt. Friedrich Engels hat in „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ dargelegt, dass die Unterdrückung der Frauen mit der Entstehung des Privateigentums an Produktionsmitteln zusammenfällt. Sie hat für das Kapital heute die Funktion, die Arbeiterklasse zu spalten. Die private Reproduktionsarbeit wird kostenlos und taucht in den Tarifverhandlungen nicht mehr auf. Die gesellschaftliche Reproduktionsarbeit ist durch den niedrigeren Organisationsgrad und die schwierigeren Streikbedingungen traditionell schlechter bezahlt. Beides steigert die Profite des Kapitals. Die soziale Lage ist die Grundlage der Unterdrückung der Frauen. Sie wird ideologisch gerechtfertigt durch vielfache Abwertung. Dies dient der Absicherung der Herrschaft des Monopolkapitals und somit ist die Reproduktion der sozialen Verhältnisse als auch deren ideologische Verschleierung im Interesse des Imperialismus.

Das Frauenstreikbündnis beschränkt sich in seinem Aufruf auf die Erscheinungsebene. Es seien eben Männer, die Frauen unterdrücken, benachteiligen und klein halten. Kennzeichnend ist dabei auch eine äußerst verkürzte Wahrnehmung der Erscheinungen, welche die gesellschaftlichen Bedingungen nach Frauen-contra-Männer-Gesichtspunkten um- und weginterpretiert. Frauenunterdrückung wird so zu einer Frage des individuellen Bewusstseins und der individuellen Handlungen. Vor diesem theoretischen Hintergrund wird auch klar, warum der Frauenkampftag an vielen Orten zum Kampftag für Frauen und Queers wird. Unterdrückungsverhältnisse werden als gleichrangig betrachtet, ihre Ursachen lägen in den Privilegien der weißen, heterosexuellen Cis-Männer. Dass es zwischen der doppelten Ausbeutung der Frau und der Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung einen qualitativen Unterschied vor allem hinsichtlich der Funktion für das Kapital gibt, wird nicht gesehen.
Entsprechend der Fokussierung auf das Bewusstsein wird auch ein Kampf um „die Sichtbarkeit und Anerkennung“ der Arbeit von Frauen geführt. Dabei ändert es nichts, wenn der Chef oder Lokalpolitiker die Arbeit von Krankenschwestern und Hausfrauen anerkennen und dies beispielsweise durch Blumen am Muttertag oder am Frauentag ausdrücken. Die Schlechterstellung der Frau liegt nicht in fehlender Sichtbarkeit und Anerkennung begründet, sondern darin, dass sie profitabel ist und eine Funktion für das Kapital hat. Es ist keine Frage des Bewusstseins, sondern der gesellschaftlichen Verhältnisse, auf Grundlage derer ein Bewusstsein entsteht, das die Unterdrückung der Frau aufrechterhält.

Das Problem mit der Hausarbeit

Besonders deutlich zeigt sich die Orientierungslosigkeit beider Aufrufe zum Frauentag, wenn das Frauenstreikbündnis dazu auffordert, am Frauentag die private Sorgearbeit niederzulegen und der DGB in seinem Aufruf fordert: „Unbezahlte Haus- und Sorgearbeit als Normalfall für alle Geschlechter vorantreiben!“

Das erinnert an die Worte der „großen Feministin“ Alice Schwarzer: „Jeder Versuch einer Befreiung der Frau wird sich kollektiv und auch individuell gegen männliche Privilegien richten müssen. (…) Wir müssen hier und heute die Übernahme der Hälfte der Hausarbeiten durch die Männer fordern. (…) Denn unsere wichtigsten Schlachten werden heute leider nicht in historischen Dimensionen entschieden, sondern beim kleinkrämerischen Tellerspülen und Zählen in der Küche.“ Natürlich ist es ein richtiger Anspruch, Sorgearbeit so zu verteilen, dass für alle Beteiligten genügend Zeit zum Beispiel für gesellschaftliches Engagement bleibt. Das ist aber nur auf der Erscheinungsebene eine Beziehungsfrage, das Wesen ist – wie es der Frauenstreikaufruf auch an anderer Stelle richtig benennt –, dass Reproduktionsarbeit (ob im privaten Bereich oder als öffentliche Dienstleistung) möglichst billig oder gar kostenlos sein soll. Es geht um Profite. Richtig ist deshalb die Solidarität mit den Kämpfenden in der Tarifrunde Soziales und Erziehung. Der Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich bietet durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ebenfalls große Möglichkeiten zur Durchsetzung der Gleichberechtigung. Notwendig ist auch der Ausbau der sozialen Dienstleistungen und der Bildungseinrichtungen. Neben der Anzahl an Betreuungsplätzen geht es um den Ausbau der Qualität. Ein Kampf um die Anerkennung der doppelten Unterdrückung der Frau ist notwendig. Es gilt für die Werktätigen, die besondere Lage der Frau im Kapitalismus anzuerkennen, um damit die Herrschenden in einen Kampf um die Anerkennung der realen sozialen Verhältnisse zu zwingen. Sonst bleiben formal gleiche Rechte Makulatur, da die sozialen Bedingungen zu ihrer Verwirklichung fehlen. (Siehe Kasten „Erziehungszeit“)

Stellvertretertum statt Kampfaufruf

Im Aufruf des DGB wird benannt, dass wir aktiv werden müssen. Im Vordergrund steht aber, die Politik und Wirtschaft aufzufordern, die Bedürfnisse von Frauen bei allen Entscheidungen mitzudenken. Kapitalismus und Interessengegensätze zwischen Kapital und Arbeit spielen keine Rolle. Die Aufforderung, für mehr Gleichberechtigung zur Betriebsratswahl zu gehen, ist richtig – viel mehr Eigenaktivität als die Stimmabgabe erfordert das allerdings nicht.

Trotz der Mängel beinhaltet der DGB-Aufruf sinnvolle Forderungen, welche die untrennbare Verbindung zwischen den Interessen der Arbeiterklasse und der Befreiung der Frau objektiv zeigen:

  • Mehr Geld für soziale und personenbezogene Dienstleistungen!
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
  • Tarifbindung und Mitbestimmung stärken!
  • Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen!
  • Gute Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und bedarfsgerechte Qualifizierungsmöglichkeiten für alle!

Die Rolle der Kommunisten

Menschen erkennen spontan Ungerechtigkeit und werden spontan aktiv – so ist das auch in der Frauenfrage. Spontan alle Zusammenhänge richtig zu erkennen, ist unmöglich, insbesondere wenn man die Formierungsversuche der Herrschenden bedenkt. Unsere Aufgabe als Kommunistinnen und Kommunisten besteht darin, an den richtigen Widerspiegelungen im Bewusstsein anzuknüpfen und eine antimonopolistische Stoßrichtung in die Bewegungen einzubringen. Die Fokussierung des Kampfes auf richtige Denk- und Verhaltensweisen vor allem bei den Männern trägt zur Spaltung der Arbeiterklasse bei. Als der Neofeminismus in dieser Spielart im Rahmen der 68er-Bewegung entstand und sich in der BRD verbreitete, hat er genau diese Rolle gespielt und damit die Ausstrahlungskraft der Errungenschaften der sozialistischen Staaten zurückgedrängt. Seine krassesten Auswüchse erfährt er, wenn Männer von Frauendemonstrationen oder bestimmten Blöcken ausgeschlossen werden. Die „linksjugend solid“ verbreitet etwa in sozialen Medien: „Die überwältigende Mehrheit der Männer (ist), egal wie feministisch sie sich geben, eben aktiv an der Unterdrückung von Frauen, Lesben, intersexuellen Menschen, trans Personen, A-Gender und Nonbinarys beteiligt.“

Im Appell an die Frauen der Welt des Weltkongresses, der im internationalen UNO-Jahr der Frau 1975 in der DDR stattfand, heißt es: „Die Befreiung von ihren Sorgen und Nöten kann nur die Frucht der nationalen und sozialen Befreiung sein. Denn das Schicksal der Frauen ist unlösbar mit dem Schicksal ihrer Völker verbunden.“ Das heißt: Jede Frage des Klassenkampfs ist auch eine Frage des Frauenkampfs für die zur werktätigen Bevölkerung gehörenden Frauen. Daraus ergibt sich der Auftrag, möglichst viele Frauen in den Klassenkampf einzubeziehen und die Fragen, die Frauen der Arbeiterklasse in besonderem Maße betreffen, zu berücksichtigen. Frauen sind in besonderer Weise durch die Energiepreissteigerungen betroffen. Ein Beispiel: Fast alle Alleinerziehenden sind Frauen. Jede zweite Ein-Eltern-Familie ist einkommensarm. Die Frage „hungern oder frieren“ stellen sich also vor allem Frauen. Diese Herausforderung gilt es für die DKP auch noch in der aktuellen Energiepreisstopp-Kampagne zu meistern.

Um Frauen stärker in die Klassenkämpfe einzubeziehen, braucht die Partei Kollektive, in denen sich Frauen selbstbewusst entwickeln und damit eine Vorbild- und Avantgarderolle in ihrem Wirkungskreis einnehmen können. Auf dem Frankfurter Frauenforum der DKP 1970 „Die Frau im demokratischen Kampf“ wurde das wie folgt beschrieben: „Eine allseitig gebildete Frau, die in der Lage ist, die gesellschaftlichen Zusammenhänge zu erkennen, zu beurteilen und für den demokratischen Fortschritt zu wirken. Eine Frau, die erkennt, dass es in der Klassengesellschaft erforderlich ist, sich zu organisieren. Eine Frau, die für ihre demokratischen Forderungen eintritt. Eine selbstbewusste Frau, die in Beruf und Gesellschaft ihre Persönlichkeit voll entfalten kann. Eine Frau, die als gleichberechtigte Partnerin und Gefährtin des Mannes das Zusammenleben in Ehe und Familie bereichert. Wir treten für ein Leitbild ein, das den Prozess der Herausbildung einer gebildeten, fortschrittlichen, selbstbewussten Frauengeneration fördert, das die Leistungen der Frauen im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich voll würdigt, das den überholten Vorstellungen entgegenwirkt und darauf gerichtet ist, die Benachteiligungen und Diskriminierungen der Frauen und Mädchen in allen Bereichen zu beseitigen.“

Diese kämpfende Frau verwirklicht als sich ihrer selbst bewusste Frau andere partnerschaftliche Beziehungen. Grundlage dafür ist das Anerkennen der gemeinsamen Interessen und gesellschaftlichen Realitäten durch beide Partner. Feministinnen, die in ihrer Kritik privater Lebensbereiche diesen Aspekt nicht erkennen können, sind zu bedauern.


Frauenförderung im Sozialismus

Während in der BRD Frauen erst ab 1962 ein eigenes Bankkonto eröffnen durften und erst ab 1977 ohne Genehmigung des Ehemanns einen Arbeitsvertrag unterschreiben konnten, gewährte die DDR Frauen einen monatlichen Haushaltstag. Der Paragraf 3 des Arbeitsgesetzbuchs der DDR zielte darauf ab, Bedingungen zu schaffen, die Berufstätigkeit und Aufstiegschancen für Frauen mit familiären Aufgaben vereinbar machen. In der UdSSR wurde 1976 beschlossen, die Essensversorgung mit dem Ausbau von bezahlbaren Gaststätten und Kantinen sowie der verstärkten Produktion von Halbfertiggerichten gesamtgesellschaftlich in die Hand zu nehmen.


Erziehungszeit

Bundesregierungen unterschiedlicher parteipolitischer Zusammensetzungen rühmen sich mit den Erfolgen, die das Elternzeitgesetz für die Gleichberechtigung gebracht hätte. Das Elternzeitgesetz ermöglicht es Eltern, ein Jahr im Beruf zu pausieren und den Verdienstausfall vom Staat teilweise erstattet zu bekommen. Teilen sich Eltern die Erziehungszeit, dann können gemeinsam 14 Monate genommen werden. So weit, so interessant. Das Problem liegt in der Berechnung des Elterngelds. Eltern erhalten 65 Prozent ihres Nettoeinkommens aus der Zeit vor der Geburt. Geringverdiener erhalten wenige Prozent mehr, wer gar kein Einkommen hatte, erhält mindestens 300 Euro. Hört sich immer noch sehr nett an – wenn man die sozialen Verhältnisse ausblendet. Frauen sind schlechter bezahlt und sehr viel häufiger Geringverdiener. Partner können bei dieser Berechnung nur gleichberechtigt entscheiden, wenn sie ausreichend und annähernd gleich verdienen. Da das nicht gegeben ist, bleibt in der Regel die Frau zu Hause, sonst reicht das Familieneinkommen nicht. Wenn die Familie es sich leisten kann, nimmt dann der Hauptverdiener die zwei zusätzlich bezahlten Monate. Nett für diejenigen, bei denen das Geld bis zum Ende des Monats reicht – allerdings keine Gleichberechtigung.

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"Die neue Frauenbewegung", UZ vom 4. März 2022



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